Viszeralchirurgie 2002; 37(2): 176-177
DOI: 10.1055/s-2002-25174
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

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O. Horstmann
  • Göttingen
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Publication Date:
18 April 2002 (online)

Selective Nonoperative Management in 1856 Patients with Abdominal Gunshot Wounds: Should Routine Laparotomy still be the Standard of Care?

Velmahos GC, Demetriades D, Toutouzas KG, Sarkisyan G, Chan L, Ishak R, Alo K, Vassiliu P, Murray JA, Salim A, Asensio J, Belzberg H, Katkhouda N, Berne TV. Ann Surg 2001; 234 : 395 - 403


Stellt die abdominelle Schusswunde eine absolute Operationsindikation dar?

„Die abdominale Schusswunde stellt eine absolute Operationsindikation dar”. Dieses Dogma ist weit verbreitet, da das Ausmaß der intraabdominellen Verletzung durch eine auch noch so differenzierte Diagnostik unterschätzt werden kann, eine verzögerte operative Therapie die Prognose verschlechtern soll und die Inzidenz schwerster intraabdomineller Organverletzungen etwa 90 % beträgt. Ungeachtet dessen werden penetrierende Abdominalverletzungen in jüngster Vergangenheit zunehmend differenzierter unter Vermeidung der obligaten explorativen Laparotomie behandelt. Ziel der vorliegenden retospektiven Analyse war es, den Stellenwert der sog. selektiven nicht-operativen Behandlung bei abdominellen Schusswunden zu evaluieren.
Innerhalb eines Zeitraumes von 8 Jahren wurden 1856 Patienten mit abdominellen Schusswunden behandelt (Los Angeles!). Bei Notaufnahme wurde eine prinzipielle Operationsindikation nur bei hämodynamischer Instabilität und nicht verlässlicher klinischer Untersuchung (Koma, Bewusstlosigkeit) gestellt. Alle anderen Patienten wurden über eine Intermediate-care-Station überwacht und ggf. eine erweiterte radiologische Diagnostik durchgeführt, wobei die abdominelle CT im späteren Verlauf der Erhebung routinemäßig ausgeführt wurde.
1064 Patienten mussten unter o. g. Konstellation sofort laparotomiert werden, 792 wurden für das selektive, nicht-operative Konzept gewählt (42 %). Hiervon mussten nur 80 Patienten (4 %) im weiteren Verlauf doch operiert werden, da das klinische Zustandsbild eine therapierelevante Verletzung nahe legte. Bei 57 der 80 Patienten wurde intraoperativ dann eine solche Verletzung vorgefunden, bei 23 Patienten wurde lediglich exploriert. Keiner der erst verzögert laparotomierten Patienten verstarb, bei 5 Patienten (0,3 %) stellten sich jedoch durch diese verzögerte Laparotomie bedingte Komplikationen ein. Die negative Laparotomierate hätte bei prinzipieller Operationsindikation 47 % betragen und konnte so auf insgesamt 14 % aller operierten Patienten gedrückt werden. Hierdurch konnte der postoperative Klinikaufenthalt verkürzt werden, die Kostenersparnis für den gesamten Erhebungszeitraum wird mit etwa 10 Mio. US-Dollar beziffert.
Der Erfahrungsbericht verdeutlicht klar, dass die prinzipielle Operationsindikation bei der abdominellen Schusswunde wohl der Überprüfung bedarf. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass diese Schlussfolgerung nur dann gilt, wenn die Patienten mit hoher klinischer Aufmerksamkeit und entsprechendem Personalbedarf überwacht werden. Es mag bezweifelt werden, ob dies jenseits des spezialisierten „trauma centers” in einem Routine-Dienst verlässlich möglich ist.

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