Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(21): 1091
DOI: 10.1055/s-0032-1304913
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Intensivmedizin – die Herausforderungen nehmen zu

Intensive care – the challenges rise
U. Janssens
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Publication Date:
15 May 2012 (online)

Kaum ein Fach hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so rasant weiterentwickelt wie die Intensivmedizin. Intensivstationen können heute zu Recht als Dreh- und Angelpunkt einer hochwertigen Versorgung kritisch Kranker in einem Akutkrankenhaus angesehen werden. Die Etablierung zentraler Notaufnahmestationen und Intermediate Care Units ist eine notwendige und folgerichtige Weiterentwicklung eines notfall- und intensivmedizinisch ausgerichteten Gesamtkonzepts zur Optimierung der stationären Krankenversorgung. Ohne diese elementaren stationären Strukturen werden Krankenhäuser in Zukunft nicht überleben können.

Das Statistische Bundesamt Deutschland legt jährlich Zahlen zu der Entwicklung und den Kosten der Krankenhäuser, stationären Bettenzahlen, der Anzahl von Pflegekräften und Ärzten im Bereich der stationären Krankenversorgung vor. Die Intensivmedizin wird jedoch in keinem dieser Berichte als eigenständige Organisationseinheit erwähnt. Alle vorhandenen Zahlen beruhen lediglich auf groben Schätzungen oder Berichten einzelner Krankenhäuser bzw. Intensivstationen. Diese Schätzungen gehen bei 2064 Krankenhäusern in Deutschland von etwa 24 974 Intensivbetten aus (Stand 2010). Insgesamt wurden 2 055 087 Behandlungsfälle in der intensivmedizinischen Versorgung und 359 710 Beatmungen im Jahre 2010 dokumentiert. Aktuell liegen keine robusten Daten zur genauen Situation der internistischen Intensivmedizin in deutschen Krankenhäusern vor. Es ist unbekannt, wie viele rein internistische oder interdisziplinäre Intensivstationen vorgehalten werden. Ebenfalls fehlen Daten zur Größe der jeweiligen Intensivstationen, Anzahl der behandelten Patienten, Liegedauer sowie Kosten der Intensivmedizin. Es bleibt unklar, mit welcher Facharztkompetenz die Stationen geleitet werden und ob Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „(Internistische) Intensivmedizin“ verantwortlich in die Behandlung eingebunden sind [1].

In den kommenden 25 Jahren wird die Zahl der älteren Menschen voraussichtlich stärker ansteigen als die Zahl der Angehörigen anderer Altersgruppen. Die Wachstumsrate bei den über 60-Jährigen wird von 2025 bis 2030 auf jährlich 2,8 % steigen [2]. Wachsende Patientenzahlen, komplexere Behandlungsfälle und ein erheblicher ökonomischer Druck stellen den Intensivmediziner vor eine besondere Herausforderung. Im Jahre 2007 wurde zwischen den zuständigen Fachgesellschaften eine Regelung zur Organisation der Intensivmedizin v. a. hinsichtlich interdisziplinärer Intensivstationen getroffen [5]. Auf derartigen Einheiten wird der konservative intensivmedizinische Bereich verantwortlich von Internisten und der operative Bereich von Anästhesisten/Chirurgen geleitet. Im konservativen und operativen Bereich ist jeweils die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin" des verantwortlichen Arztes Voraussetzung [5]. Ab dem 1.1.2013 wird die erlösrelevante Abrechnung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung nur noch möglich sein, wenn die intensivmedizinische Abteilung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ geleitet wird [1]. Wir verfügen über eine große wissenschaftliche Evidenz, dass die quantitative wie qualitative ärztliche Ausstattung einer Intensivstation einen wesentlichen Einfluss auf die Prognose von Intensivpatienten nimmt [3] [4]. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) haben in den letzten Jahren ihre Bemühungen in der Fortbildung „Intensivmedizin“ durch Etablierung von Basis- und Refresherkursen in der „Internistischen Intensivmedizin“ erfolgreich vorantreiben und umsetzen können.

In diesem Jahr wird der Kongress der DGIIN gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin unter dem Thema „Der Mensch im Mittelpunkt“ in Köln vom 6. bis 9.  Juni ausgerichtet. Ich danke der Schriftleitung der DMW, dass ich als Kongresspräsident dieses Schwerpunktheft gestalten konnte sowie den Autoren für ihre hervorragenden Beiträge und darf Ihnen viel Freude beim Lesen wünschen.

Ihr Prof. Dr. med. U. Janssens

 
  • Literatur

  • 1 Janssens U, Graf J. Konzepte zur Aus- und Weiterbildung in der internistischen Intensivmedizin. Intensivmed 2011; 48: 396-402
  • 2 Janssens U, Muller-Werdan U. Alt, älter, am ältesten: Intensivmedizin vor neuen (alten) Herausforderungen. Med Klin Intensivmed 2011; 106: 8-9
  • 3 Kaplan LJ, Shaw AD. Standards for education and credentialing in critical care medicine. JAMA 2011; 305: 296-297
  • 4 Pronovost PJ et al. Physician staffing patterns and clinical outcomes in critically ill patients: a systematic review. JAMA 2002; 288: 2151-2162
  • 5 Van Aken H et al. Gemeinsame Empfehlung zur Organisation der Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten sowie der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und der Deutschen Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin. Anästh Intensivmed 2007; 48: 431-432