Dtsch Med Wochenschr 2025; 150(18): 1085-1092
DOI: 10.1055/a-2495-4756
Dossier

Polyneuropathien

Welche Ursachen können dahinterstecken?PolyneuropathiesWhat are possible causes?
Dieter Felix Heuß
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Polyneuropathien zählen mit einem Vorkommen bei 5–8% der über 55-Jährigen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Ätiologie ist vielfältig, von metabolisch über toxisch bis hin zu genetischen Ursachen. Davon abhängig können motorische, sensible oder vegetative Nerven, einzeln oder kombiniert, betroffen sein. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um Grundkrankheiten behandeln und ein Fortschreiten der Neuropathie sowie Komplikationen vermeiden zu können.

Abstract

Polyneuropathies are among the most common neurological diseases and the complaints they cause are a frequent reason for a consultation in general medical care. Around 5–8% of people over the age of 55 are affected, with an upward trend due to the ageing population, the increase in diabetes mellitus and many new neurotoxic drugs. As the name “poly” indicates, several peripheral nerves are affected. Depending on the cause, motor, sensory or even autonomic nerves can be affected individually or in combination. Sensory and motor symptoms occur (sensitive: numbness, prickling, tingling, unsteady gait and sharp, jabbing, throbbing or burning pain; motor: muscle cramps, muscle weakness, skeletal deformities). Clinically, polyneuropathies usually present insidiously with these symptoms and frequently with pain in the feet, often symmetrical and distally emphasized (“stocking pattern”). The disease can affect the insulating layer of the nerves (myelin) and/or the extension of the nerve cell (neurite, axon) itself. The etiology is diverse, ranging from metabolic to toxic to genetic causes. Early diagnosis is crucial in order to treat any underlying disease and, if possible, prevent progression and complications. This paper describes the causes of polyneuropathies and, in particular, a valuable diagnostic procedure for investigating the causes. It is emphasized that the physiological loss of nerve fibers in older patients can also be the cause of a (mild) polyneuropathy or, in the sense of a “double crash”, can trigger a clinically manifest polyneuropathy together with another possible cause.

Kernaussagen
  • Polyneuropathien sind eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen.

  • Die Ätiologie einer Polyneuropathie ist vielfältig: von metabolisch über toxisch oder immunvermittelt bis hin zu genetischen Ursachen.

  • Bei der Ursachenfahndung einer Polyneuropathie ist eine gewissenhafte Medikamenten-Anamnese erforderlich. Wegen der Vielzahl an neuen Substanzen, insbesondere in der Immunologie und Onkologie, ist das Studium der jeweiligen Fachinformation unerlässlich.

  • Wenn die Ursache der Polyneuropathie auf der Hand liegt und die Erkrankung keinen ungewöhnlichen Verlauf nimmt, ist eine fachneurologische Untersuchung nicht indiziert.

  • Eine subakute, asymmetrische Polyneuropathie mit neuropathischen Schmerzen ist suggestiv für eine vaskulitische Polyneuropathie. Es gibt keinen Labortest, der eine Vaskulitis nachweist oder ausschließt. Ein „Vaskulitis-Suchprogramm“ ist regelmäßig nicht indiziert.

  • Die Durchführung einer Liquor-Analyse ist fakultativ. Sofern es keine sonstigen Hinweise auf eine entzündliche oder neoplastische (Meningeosis carcinomatosa) Form einer Polyneuropathie gibt, ist bei Polyneuropathie unklarer Ursache eine Liquor-Analyse in der Regel nicht indiziert.

  • Eine Nervenbiopsie als letztes Mittel in der Abklärung einer Polyneuropathie bringt ohne klinischen Verdacht auf eine vaskulitische Ursache nur in sehr seltenen Fällen bzw. nahezu nie ein therapeutisch relevantes Ergebnis.

  • Allein der physiologische fortlaufende Verlust von Nervenfasern kann eine Ursache für eine (leichte) Polyneuropathie bei älteren Patienten sein.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
29. August 2025

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