Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(11): 548
DOI: 10.1055/s-2007-998858
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen - Certolizumab: Neue Therapieoption für Patienten mit Morbus Crohn

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Publication Date:
05 December 2007 (online)

 
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie der Morbus Crohn sind systemische Erkrankungen, die vor dem Hintergrund einer genetischen Disposition durch eine hohe Aktivierung des lokalen Immunsystems gekennzeichnet sind. Wie Prof. Andreas Raedler aus Hamburg sagte, nimmt die Zahl der an M. Crohn erkrankten Patienten insbesondere in den Schwellenländern stetig zu. Nach Schätzungen von Experten sind derzeit ungefähr 150 000 Menschen betroffen. Wie Raedler weiter ausführte, geht der M. Crohn zumeist mit starken abdominalen Schmerzen, massiven Durchfällen, starkem Gewichtsverlust, Fieber sowie Übelkeit und Erbrechen einher. Charakteristisch ist der schubförmige und chronische Verlauf. Für die Patienten besonders belastend ist die Ungewissheit über den Zeitpunkt und die Ausprägung des nächsten Schubes.

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Therapeutisches Management

Wichtigstes Therapieziel ist nach wie vor, die "Entzündung" im Darm zu stoppen. Wie Prof. Axel-Uwe Dignaß aus Frankfurt ausführte, ist man in der Vergangenheit insbesondere auf Steroide, 5-ASA, Azathioprin, Methotrexat und seit einiger Zeit auf den TNF-Antagonisten Infliximab angewiesen. Wenngleich diese Substanzen wirksam sind, weisen sie dennoch ein zum Teil erhebliches Nebenwirkungsspektrum auf. Insbesondere unter einer Therapie mit Steroiden kommt es häufig zu Stoffwechselstörungen, Osteoporose, Wassereinlagerung, Akne oder sogar zu Psychosen.

Infliximab ist ein biotechnologisch hergestellter Wirkstoff, der sich gegen den Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) richtet. Anti-TNF-Wirkstoffe zeichnen sich vor allem durch einen raschen Wirkungseintritt sowie eine gute Wirksamkeit bei Komplikationen, beispielsweise Fisteln, aus. Unerwünschte Reaktionen und ein Wirksamkeitsverlust durch Antikörperbildung gegen das Medikament, sowie ein fragliches erhöhtes Neoplasierisiko gehören zu den negativen Begleiterscheinungen dieser Therapieoption. Wenngleich die Leitlinien der DGVS auch den Einsatz von TNF-Antagonisten vorsehen, werden in Deutschland noch vergleichsweise wenige Patienten mit einem Wirkstoff aus dieser Substanzklasse behandelt.

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Im Fokus: die neue Substanz Certolizumab Pegol

Mit Certolizumab Pegol wird demnächst auch in Deutschland ein innovativer TNF-Antagonist zur Verfügung stehen. Wie Prof. Stefan Schreiber aus Kiel ausführte, ist Certolizumab Pegol ein Repräsentant einer neuen Gruppe hochaffiner Moleküle gegen TNF, die für eine subkutane Gabe optimiert wurden. Verglichen mit konventionellen monoklonalen Antikörpern weist Certolizumab Pegol nur noch minimale Proteinanteile auf. Das Fc-Fragment wurde durch eine PEGylierung ersetzt, sodass die neue Substanz nur noch aus einem anti-TNF-bindenden Fab-Fragment besteht. Aus klinischem Blickwinkel bedeutsam ist die lange Halbwertszeit von 14 Tagen, die dem Wunsch nach einer stabilen, monatlichen Dosierung entgegen kommt. Dass die neue Substanz hoch wirksam und dabei gut verträglich ist, belegen die Ergebnisse zweier erst kürzlich im New England Journal of Medicine erschienenen Studien (PRECISE I und II, Pegylated Antibody fragment Evaluation in Crohn's Disease Safety and Efficacy). Wie Schreiber sagte, hat sich als optimale Dosis die subkutane Gabe von 400 mg alle vier Wochen herausgestellt. Im Rahmen einer Induktionstherapie wird eine zusätzliche Dosis nach zwei Wochen gegeben.

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Studienergebnisse unterstreichen hohen Stellenwert

Wie Schreiber sagte, unterstreichen die jetzt publizierten Ergebnisse der PRECISE I- und II-Studie, den klinischen Stellenwert des neuen TNF-Antagonisten nachhaltig. Demnach konnte in der PRECISE II-Studie, an der 668 Patienten teilgenommen hatten, gezeigt werden, dass Certolizumab Pegol nach sechs Wochen ein Therapieansprechen bei 64 % der Patienten und eine Remission bei 43 % der Patienten induzierte. Ein Therapieansprechen ist definiert als ein Abfall des CDAI (Crohn's Disease Activity Index) um mindestens 100 Punkte. Hierzu wurde Certolizumab Pegol als Induktionstherapie zu den Zeitpunkten 0, 2 und 4 gegeben. Eine sich anschließende Erhaltungstherapie über einen Zeitraum von 26 Wochen mit 400 mg Certolizumab Pegol alle vier Wochen zeigte eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. "Klinisch wichtig ist, dass die Wirkung von Certolizumab Pegol durch eine simultane Behandlung mit Immunsuppressiva oder Steroiden nicht beeinflusst wird", sagte Schreiber. Auch bereits mit Infliximab vorbehandelte Patienten profitierten von der Gabe von Certolizumab Pegol. Dies bedeutet zugleich, dass eine Monotherapie mit Certolizumab Pegol möglich ist. Auch die PRECISE I-Studie unterstreicht die gute Effektivität von Certolizumab Pegol. Im Rahmen dieser Studie wurde Certolizumab Pegol für 26 Wochen mit Placebo verglichen. In Woche sechs sprachen 35 % der Patienten in der Verum-Gruppe auf die Behandlung an, verglichen mit 27 % in der Placebo-Gruppe (p = 0,02). Der Prozentsatz jener Patienten, die sowohl in Woche sechs als auch in Woche 26 ansprachen, betrug 23 % unter Certolizumab Pegol im Vergleich zu 16 % unter Placebo. Insgesamt, so Schreiber, handelt es sich bei Certolizumab Pegol um einen gut verträglichen Wirkstoff. Die in den Studien beobachteten Begleiterscheinungen sind für TNF-Antagonisten typisch und beinhalten insbesondere ein erhöhtes Infektionsrisiko. "Vor allem die lokale Verträglichkeit war gut - es zeigten sich kaum Reaktionen an der Einstichstelle", sagte der Experte. Mittlerweile liegen darüber hinaus auch schon Zwischenergebnisse aus Langzeitstudien vor, die darauf hindeuten, dass es unter stabilen Dosen von Certolizumab Pegol auch zu einem langfristigen Ansprechen von bis zu 18 Monaten kommt.

Alexander Wehr, Hamburg

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Quellen:

  • 01 Pressekonferenz: "Studienergebnisse zu neuer Therapieoption bei Morbus Crohn im NEJM erschienen", Juli 2007 in Hamburg: Veranstalter: UCB GmbH. 
  • 02 Sandborn WJ . et al . NEJM. 2007;  357 (3) 296-298
  • 03 Schreiber S . et al . NEJM. 2007;  357 (3) 239-250
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Quellen:

  • 01 Pressekonferenz: "Studienergebnisse zu neuer Therapieoption bei Morbus Crohn im NEJM erschienen", Juli 2007 in Hamburg: Veranstalter: UCB GmbH. 
  • 02 Sandborn WJ . et al . NEJM. 2007;  357 (3) 296-298
  • 03 Schreiber S . et al . NEJM. 2007;  357 (3) 239-250