Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(11): 533
DOI: 10.1055/s-2006-959099
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Auf und Ab” in der Kardiologie

Herbert Löllgen
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Publication Date:
12 December 2006 (online)

Die aktuelle Entwicklung in der Kardiologie ist durch einen ständigen Wechsel bestimmt. Ein Beispiel für die rasche Entwicklung, ein „Auf und Ab”, ist die interventionelle Kardiologie. Nach der Thrombolyse des akuten Infarktes folgte die Akut-PTCA, dann der unbeschichtete, dann der beschichtete Stent - in allen Phasen gab es Rückschläge, Überprüfung und eine kritische Bestandsaufnahme. Ähnliches gilt für den Stent selber: Die Restenoserate nach Ballondehnung war mit den beschichteten, teuren Stents deutlich geringer, die kardialen Zwischenfälle und die Todesrate - in Abhängigkeit von der Art der Beschichtung - jedoch größer. Ernüchterung stellte sich in Kardiologenkreisen beim Kardiologenkongress in Barcelona im September 2006 ein.

Ein anderes Auf und Ab zeigt sich für die Stammzellentherapie beim akuten Infarkt. Zwar ist diese Methode nur auf wenige Zentren beschränkt, versprach jedoch äußert wirkungsvolle Verbesserungen der Herzfunktion. Aber auch hier folgen auf positive Erfahrungsberichte aus Deutschland Ergebnisse aus Norwegen, die keine Verbesserung erkennen lassen. Die Folge ist eine kritische Bestandsaufnahme, wobei die deutschen Studien nach Anlage und Durchführung sicher beispielgebend sind.

Auch in der apparativen Medizin ist eine - mitunter - atemberaubende Weiterentwicklung zu beobachten. Hochauflösende Mehrzeilen-CT-Geräte ergeben Bilder des Herzens von beeindruckender Genauigkeit. Hier ist die Entwicklung in der Kernspintechnik noch weniger erfolgreich. Diese Entwicklung fordert die Kooperation zwischen Kardiologen und Radiologen geradezu heraus - zum Wohle des Patienten. Die Elektrophysiologie, fast eine selbstständige Subspezialität der Kardiologie, zeigt ebenfalls enorme Fortschritte. Die zuverlässige Behandlung einer zunehmenden Zahl von Patienten mit Vorhofflimmern mittels Katheterablation rückt allmählich näher, einfache Vorhofarrhythmien sind mittlerweile Standard in der Ablationstherapie.

In dieser Ausgabe der Notfall & Hausarztmedizin werden zu einigen dieser Entwicklungen Beiträge vorgelegt. Demgegenüber treten die „einfachen” Untersuchungen in der Kardiologie in den Hintergrund. Allzu leicht wird vergessen, dass trotz der rasanten Weiterentwicklung in der Kardiologie die gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung in einem hohen Prozentsatz zur Diagnose führen. „The lost art of healing”, wie Berhard Lown dies in seinem Buch genannt hat. Hierzu gehört auch die Belastungsuntersuchung als Belastungs-EKG, die etwas vom sogenannten Stress-Echo, also der Belastungs-Echokardiographie verdrängt wird. Sorgfältig durchgeführt und bewertet, kann das Belastungs-EKG aber seine Position behaupten. Zu begrüßen ist dabei die Qualitätsoffensive der KV Bayern, die den Stellenwert des Belastungs-EKGs verbessern will. Das vorliegende Heft bietet dem Arzt eine aktuelle Übersicht über diese Verfahren, verbunden mit kritischer Abwägung und Hinweisen zu Qualitätskontrolle und evidenz-basierter Medizin.

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen

Remscheid