Der Klinikarzt 2006; 35(8): 301
DOI: 10.1055/s-2006-951567
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der blaue Dunst zwischen Medizin, Politik und Kommerz

A. Weizel
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Publication Date:
06 September 2006 (online)

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Das Ausland zeigt den Weg: Irland (2004), Italien (2005) und Spanien (2006) haben strenge Nichtraucherschutzgesetze in Kraft gesetzt und damit auch in Deutschland die Diskussion um das Rauchen und den Nichtraucherschutz wieder angestoßen. Von medizinischer Seite aus steht man dieser Diskussion etwas ratlos gegenüber, weil die Fakten, die gegen das Rauchen sprechen, schlicht überwältigend sind. Lungenkrebs, koronare Herzkrankheit (KHK), Myokardinfarkt, Schlaganfall oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) stehen nachgewiesenermaßen unmittelbar mit dem Rauchen in Verbindung. Darüber hinaus ist das Aktivrauchen direkt verantwortlich für 20 % aller Todesfälle und Ursache für 30 % aller Krebstodesfälle. Die negativen Folgen des Rauchens sind also hinlänglich bekannt.

Die möglichen schädlichen Folgen des Passivrauchens wiederum wurden über viele Jahrzehnte intensiv diskutiert. Einerseits wurden die Gefahren oft heruntergespielt, andererseits gab es immer wieder Vermutungen, dass Ergebnisse über die negativen Folgen des Passivrauchens der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Jetzt liegen definitive wissenschaftliche Ergebnisse vor. Vor allem der Nebenstromrauch, also der Rauch, der beim Glimmen der Zigarette entsteht, ist es, der besonders viele toxische und krebserregende Substanzen enthält - mehr als der so genannte Hauptstromrauch, der vom Raucher ausgeatmet wird. Eine interessante Broschüre zum Thema „Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko”, die großen Anklang in den Medien gefunden hat, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, im letzten Jahr herausgegeben.

Allein in der erwachsenen Bevölkerung unseres Landes sind mehr als 35 Millionen Menschen im Beruf oder in der Freizeit oder bei beiden Anlässen den schädigenden Folgen des Passivrauchens ausgesetzt. Doch die Gefahr beginnt schon viel früher: Etwa 170000 Kinder werden in eine Raucherumgebung „hineingeboren”. Man nimmt deshalb an, dass mehrere tausend Todesfälle im Jahr in Deutschland als Folge des Passivrauchens auftreten, 70 % davon betreffen Frauen. Diese Menschen sterben also, weil sie im Beruf, in der Öffentlichkeit oder zu Hause toxischen Stoffen ausgesetzt sind, für deren Entstehung Andere verantwortlich sind und denen sie nicht entgehen können.

Passivrauchen ist demnach unzweifelhaft eine der großen Gefahren in unserer Gesellschaft, der Schutz der Nichtraucher ein wesentliches gesundheitliches Anliegen. Probate Maßnahmen, den Nichtraucherschutz in die Tat umzusetzen, gibt es durchaus. In vielen Fällen wird damit gleichzeitig eine primäre Raucherprophylaxe betrieben. Außerdem gibt es erprobte Raucherentwöhnungsprogramme. Irland, Italien und Spanien zum Beispiel haben gezeigt, dass das komplette Rauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Einrichtungen, in Einkaufszentren und Verkehrsmitteln sowie das eingeschränkte Rauchverbot in Gaststätten durchführbar ist und den Tabakkonsum reduziert. Die Anhebung des Preises und ein Verbot der Werbung für Tabakprodukte oder auch Medienkampagnen gegen das Rauchen sind weitere effektive Mittel zur Reduktion des Tabakkonsums. Helfen könnte auch eine deutliche Reduktion der Zahl der Zigarettenautomaten, was vor allem den Zigarettenkonsum der Jugendlichen reduzieren würde. Denn dieser hat beträchtliche Ausmaße angenommen: Etwa 20 % der Jugendlichen rauchen, das Anfangsalter liegt bei etwa 14 Jahren, und die hohe Zahl rauchender junger Mädchen und Frauen ist erschreckend.

All dies wird bei uns in Deutschland jedoch nur zögerlich oder überhaupt nicht umgesetzt. Über die Ursachen kann man nur spekulieren: Fürchtet der Staat um die Erlöse der Tabaksteuer? Ist die Lobby der Werbeindustrie zu stark? An dieser Stelle kollidieren die gesundheitlichen Interessen mit den Interessen der Politik. Es gibt noch andere Nebenkriegsschauplätze: Weshalb sind viele Kassen zögerlich mit der Unterstützung von Raucherentwöhnungskampagnen? Fragen über Fragen also. Dabei sind die gesundheitlichen Vorteile der Beendigung des Rauchens geradezu umwerfend: So sinkt das Herzinfarktrisiko innerhalb von zwei Jahren um 50 % - ein Erfolg, der mit keiner anderen Maßnahme erreicht wird und einen weiteren positiven Nebeneffekt besitzt: Auch andere Menschen werden nicht gefährdet.

Bei so vielen guten Argumenten muss Nichtraucherschutz und das Durchsetzen von Raucherentwöhnungskampagnen ein primäres Anliegen aller Ärzte sein. Unterstützen kann hierbei die vor einiger Zeit gegründete Ärzte-Initiative Raucherhilfe e.V., die strukturierte Programme für Ärzte anbietet, die so eine kompetente Raucherentwöhnung erlernen wollen (www.air-raucherhilfe.de).

Eines sollte man dabei allerdings nicht vergessen: Eine Voraussetzung für den Erfolg solcher Kampagnen ist, dass man selbst mit gutem Beispiel vorangeht!

Ich danke Herrn Prof. Dr. K.D. Kolenda, Krohnshagen, für seine Mitarbeit an diesem Editorial.

Prof. Dr. A. Weizel

Mannheim