Depressionen sind häufig mit körperlichen Beschwerden assoziiert, z.B. Kopf- und Rückenschmerzen
und gastrointestinalen Beschwerden. Nach einer im Mai auf dem APA-Kongress vorgestellten
Analyse der Weltgesundheitsorganisation denken allerdings nur etwa 38% der Ärzte bei
den von ihnen betreuten Patienten bei der Schilderung von körperlichen Schmerzen an
eine depressive Erkrankung. Dementsprechend wird ein Großteil der Patienten nicht
als depressiv erkannt, erklärte Prof. Dr. Michael Bauer, Berlin, auf dem APA-Kongress.
Depressionen werden durchschnittlich erst nach dem fünften Arztbesuch diagnostiziert.
Körperliche Beschwerden sollten daher in die Differenzialdiagnostik einer depressiven
Störung unbedingt mit einbezogen wegen, forderte Bauer.
Dies bestätigte auch Prof. Dr. Max Schmauss, Augsburg, aufgrund der epidemiologischen
Daten. Bereits im Jahr 1990 lag die Depression auf Platz 4 der Hauptursachen für Erwerbslosigkeit,
nach Infektionen der oberen Atemwege, perinatalen Erkrankungen, HIV und AIDS. Nach
Schätzungen der WHO wird sie sogar bereits 2020 auf Platz 2 nach den ischämischen
Herzerkrankungen liegen. So hat allein in Bayern der Anteil der psychischen Erkrankungen
um rund 63% zugenommen. Dabei stellen insbesondere affektive Störungen die Hauptursache
für Erwerbslosigkeit dar. Immer häufiger werden auch bipolare Erkrankungen diagnostiziert.
Dabei sollten uni- und bipolare Depressionen sorgfältig voneinander abgegrenzt werden,
forderte Schmauss (Tab. [1]). Dies ist auch für die Therapie entscheidend, da Antidepressiva bei bipolaren Depressionen
einen Umschlag der Erkrankung in die Manie auslösen können.
Dabei geht die Meinung zwischen amerikanischen und europäischen Kollegen etwas auseinander.
So erhalten in den USA bipolar depressive Patienten nur selten ein Antidepressivum,
sondern eine Therapie mit Neuroleptika, Antiepileptika oder Phasenprophylaktika, während
in Europa dagegen eine antidepressive Behandlung befürwortet wird.
Ein weiterer Grund für die sorgfältige Anamnese ist nach Schmauss die hohe Komorbidität
von Depressionen und weiteren Erkrankungen, z.B. kardiovaskulären und neurodegenerativen
Erkrankungen, wie Parkinson, Schlaganfall und Demenz, aber auch Schmerzzuständen sowie
durch Arzneimittel ausgelösten Depressionen. Physische Beschwerden, an denen rund
76% der Patienten mit einer Depression leiden, können die Diagnose der Depression
erschweren ("larvierte Depression"). Dabei besteht auch das Risiko, dass Depressionen
das Risiko für somatische Erkrankungen erhöhen und umgekehrt. Rationale dafür ist,
dass körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen im Rahmen der Depression, den
gleichen neurophysiologischen Regulationen wie die Depression unterliegen. Dies kann
direkt mit den beteiligten Neurotransmittern in Zusammenhang stehen oder indirekt,
z.B. über Schlafstörungen. Beiden Syndromen liegen außerdem die gleichen psychopathologischen
Mechanismen zugrunde: die übersteigerte Wahrnehmung negativer Erfahrungen und die
Verstärkung negativer Empfindungen.
Folgen einer Dysregulation von Serotonin und Noradrenalin
Folgen einer Dysregulation von Serotonin und Noradrenalin
Eine Dysregulation von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn wird primär mit der Depression
in Verbindung gebracht. Auf der Ebene des Rückenmarks kann eine Dysregulation von
Serotonin und Noradrenalin dazu führen, dass das Gehirn vermehrt Schmerzsignale empfängt.
Ursächlich dafür ist, dass Serotonin und Noradrenalin in den absteigenden inhibitorischen
Schmerzbahnen eine wesentliche Rolle als Mediatoren spielen. Je länger eine Depression
anhält, um so wahrscheinlicher ist daher das Auftreten von körperlichen Beschwerden.
Umgekehrt gilt auch, dass körperliche Beschwerden im Rahmen einer Depression stets
mitbehandelt werden sollten.
Bei Depressionen und insbesondere bei Schmerzen im Rahmen von Depressionen steht seit
Dezember 2004 mit Duloxetin (Cymbalta®) eine neue Therapieoption zur Verfügung, mit
der beide Syndrome angegangen werden können. Wie Prof. Michael Bauer, Charité Berlin,
auf dem APA-Kongress vorstellte, belegen eine Reihe von Studien, dass der Serotonin-
und Noradrenalinhemmer nicht nur antidepressiv wirkt, sondern nachweislich auch körperliche
Schmerzen, insbesondere Schmerzen im Rahmen einer Depression, lindert.
Dies bestätigt die Untersuchungen von Stahl SM et al. (2004), die zeigen konnten,
dass nach Behandlung mit einem selektiven Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer
ein ausgewogenes Gleichgewicht der beiden Neurotransmitter wieder hergestellt werden
kann. Die dadurch ausgelöste Verbesserung der Neurotransmission ist vermutlich daran
beteiligt, dass sowohl psychische als auch körperliche Beschwerden abklingen, erklärte
Schmauss.
Eine Remission ist dabei nach einer Metaanalyse von Thase et al. (2001) unter dual
wirksamen Substanzen scheinbar wahrscheinlicher als unter selektiven Serotonininhibitoren
(SSRI). Thase et al. untersuchten in Studien mit Venlafaxin bzw. SSRI über acht Wochen
Remissionsraten und fanden eine statistisch signifikante Überlegenheit von Venlafaxin
(45%) gegenüber SSRI (35%) und Plazebo (25%). Auch Duloxetin scheint als dual wirksame
Substanz laut Schmauss diese Vorteile zu bieten. In einer weiteren Metaanalyse fanden
Thase et al. (2004) ebenfalls eine statistisch signifikant höhere Remissionsrate unter
Duloxetin im Vergleich zu SSRI und Plazebo (Abb. [1]). In einer Subanalyse zeigte sich zudem, dass insbesondere schwer depressive Patienten
von einer Therapie mit Duloxetin stärker profitieren als mit SSRI.
Duloxetin bei älteren Patienten
Duloxetin bei älteren Patienten
In den bisher vorliegenden Studien wurden vorwiegend jüngere Patienten untersucht.
Ältere Patienten waren aufgrund der häufigen multimorbiden Erkrankungen meist ausgeschlossen.
Raskin et al. untersuchten jetzt in einer plazebokontrollierten Studie über acht Wochen,
die auf dem APA vorgestellt wurde, den Einsatz von Duloxetin bei über 300 schwer depressiven
Patienten über 65 Jahren. Das Durchschnittsalter lag bei 73 Jahren. Dabei erhielten
207 Patienten Duloxetin, 104 Patienten Plazebo. Nach Dr. Joel Raskin, Eli Lilly and
Co., scheint Duloxetin auch in dieser Bevölkerungsgruppe wirksam und sicher zu sein.
Neben der depressiven Symptomatik und körperlichen Beschwerden verbesserten sich unter
Duloxetin kognitive Funktionen, wie Gedächtnis und verbale Lernfähigkeit. Der Unterschied
war im Vergleich zu Plazebo signifikant. Häufigste unerwünschte Wirkung war Mundtrockenheit,
die bei 14,5% der Patienten berichtet wurde. Zu anderen Nebenwirkungen gehörten Übelkeit
mit 12,6% versus 3,8% unter Plazebo sowie Diarrhöe mit 8,2% versus 1,9%.
Auch hinsichtlich der Schmerzen, insbesondere Schmerzen im Rahmen einer Depression,
besitzt Duloxetin eine ausgeprägte Wirksamkeit. Während unter Plazebo über eine Zeitraum
von acht Wochen keine Verbesserung der Symptomatik zu beobachten war, nahm unter Duloxetin
(60 mg/Tag) die Schmerzsymptomatik bereits nach einer Woche im Mittel um 10 Punkte
(visuelle Analogskala, VAS) ab und blieb über die gesamte Studiendauer von acht Wochen
konstant niedriger (Abb. [2]).
Fazit
Fazit
Depression ist mehr als eine psychische Erkrankung. Sie erfordert eine sorgfältige
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen. Sie ist ein Risikofaktor sowohl für andere psychische,
als auch körperliche Begleiterkrankungen. Die Depression zeigt ein vielschichtiges
Beschwerdebild mit psychischen Symptomen und körperlichen Beschwerden. Unter Berücksichtigung
der Remissionsdaten eignet sich der Wirkstoff Duloxetin (Cymbalta®) nach Schmauss
für die Behandlung der Depression mit körperlichen Beschwerden.
Dieser Artikel wurde durch die Lilly Deutschland GmbH und die Boehringer Ingelheim
Pharma GmbH & Co. KG unterstützt.