psychoneuro 2005; 31(10): 464-465
DOI: 10.1055/s-2005-921996
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Neues vom 158. Kongress der American Psychiatric Association - Depressionen machen krank von Kopf bis Fuß

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Publication Date:
17 January 2006 (online)

 

Depressionen sind häufig mit körperlichen Beschwerden assoziiert, z.B. Kopf- und Rückenschmerzen und gastrointestinalen Beschwerden. Nach einer im Mai auf dem APA-Kongress vorgestellten Analyse der Weltgesundheitsorganisation denken allerdings nur etwa 38% der Ärzte bei den von ihnen betreuten Patienten bei der Schilderung von körperlichen Schmerzen an eine depressive Erkrankung. Dementsprechend wird ein Großteil der Patienten nicht als depressiv erkannt, erklärte Prof. Dr. Michael Bauer, Berlin, auf dem APA-Kongress. Depressionen werden durchschnittlich erst nach dem fünften Arztbesuch diagnostiziert. Körperliche Beschwerden sollten daher in die Differenzialdiagnostik einer depressiven Störung unbedingt mit einbezogen wegen, forderte Bauer.

Dies bestätigte auch Prof. Dr. Max Schmauss, Augsburg, aufgrund der epidemiologischen Daten. Bereits im Jahr 1990 lag die Depression auf Platz 4 der Hauptursachen für Erwerbslosigkeit, nach Infektionen der oberen Atemwege, perinatalen Erkrankungen, HIV und AIDS. Nach Schätzungen der WHO wird sie sogar bereits 2020 auf Platz 2 nach den ischämischen Herzerkrankungen liegen. So hat allein in Bayern der Anteil der psychischen Erkrankungen um rund 63% zugenommen. Dabei stellen insbesondere affektive Störungen die Hauptursache für Erwerbslosigkeit dar. Immer häufiger werden auch bipolare Erkrankungen diagnostiziert. Dabei sollten uni- und bipolare Depressionen sorgfältig voneinander abgegrenzt werden, forderte Schmauss (Tab. [1]). Dies ist auch für die Therapie entscheidend, da Antidepressiva bei bipolaren Depressionen einen Umschlag der Erkrankung in die Manie auslösen können.

Dabei geht die Meinung zwischen amerikanischen und europäischen Kollegen etwas auseinander. So erhalten in den USA bipolar depressive Patienten nur selten ein Antidepressivum, sondern eine Therapie mit Neuroleptika, Antiepileptika oder Phasenprophylaktika, während in Europa dagegen eine antidepressive Behandlung befürwortet wird.

Ein weiterer Grund für die sorgfältige Anamnese ist nach Schmauss die hohe Komorbidität von Depressionen und weiteren Erkrankungen, z.B. kardiovaskulären und neurodegenerativen Erkrankungen, wie Parkinson, Schlaganfall und Demenz, aber auch Schmerzzuständen sowie durch Arzneimittel ausgelösten Depressionen. Physische Beschwerden, an denen rund 76% der Patienten mit einer Depression leiden, können die Diagnose der Depression erschweren ("larvierte Depression"). Dabei besteht auch das Risiko, dass Depressionen das Risiko für somatische Erkrankungen erhöhen und umgekehrt. Rationale dafür ist, dass körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen im Rahmen der Depression, den gleichen neurophysiologischen Regulationen wie die Depression unterliegen. Dies kann direkt mit den beteiligten Neurotransmittern in Zusammenhang stehen oder indirekt, z.B. über Schlafstörungen. Beiden Syndromen liegen außerdem die gleichen psychopathologischen Mechanismen zugrunde: die übersteigerte Wahrnehmung negativer Erfahrungen und die Verstärkung negativer Empfindungen.

Quellen:

  • 1 158. Jahrestagung der American Psychiatric Association am 21.05.05 in Atlanta, Georgia. 
  • 2 Pressekonferenz "The Cymbalta Story: A Post-Launch Review" am 25.05.05 in Atlanta, unterstützt von Eli Lilly and Co. 
  • 3 Pressekonferenz "Depression: The Painful Truth - Survey Results" am 26.05.05 in Atlanta, unterstützt von Eli Lilly and Co. 
  • 4 APA-Nachfolgesymposium am 23.07.05 in München, unterstützt von Lilly Deutschland. 
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