Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(33): 1902
DOI: 10.1055/s-2005-871919
Fragen aus der Praxis

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Vor Chemotherapie: Bestimmung der Kreatinin-Clearance mittels Formel oder 24h-Sammelurin?

R. Alkier, R. Braun
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Publication Date:
23 August 2005 (online)

Frage: Vor manchen Chemotherapien, insbesondere Cisplatin-haltigen ist die Bestimmung einer Kreatinin-Clearance/GFR notwendig. Ist die Bestimmung mittels Formel (Cockcroft-Gault, MDRD) ausreichend oder ist in jedem Fall eine endogene Kreatinin-Clearance (mit 24h-Sammelurin) anzustreben? Verbessert eine Infusionstherapie während der Sammelperiode die endogene Kreatinin-Clearance?

Antwort: Die ursprüngliche MDRD-Formel kann zur hinreichend zuverlässigen Abschätzung der GFR vor Chemotherapie herangezogen werden - die nach Levey modifizierte nur bedingt. Eine weitere Alternative zum Sammelurin stellt Cystatin C dar.

Begründung: Zu einer zuverlässigen Abschätzung der renalen Filtrationsrate kann die ursprüngliche MDRD-Formel

GFRest = 170 × (SCr) -0,999 × (Alter)-0,176 × Harnstoff/S -1,760 × Albumin+ 0,318

herangezogen werden, bei der neben dem Serum-Kreatinin auch das Serum-Albumin und der Serum-Harnstoff benötigt werden [1]. Bei Frauen muss der Wert mit dem Faktor 0,762 korrigiert werden. Die Präzision hängt von der gewählten Methode zur Bestimmung des Kreatinins ab, weswegen hier nur die enzymatische Methode verwendet werden sollte. Auch für die enzymatische Methode gibt es zur Zeit noch keine einheitliche Standardisierung. Die MDRD-Formel wurde von Levey modifiziert:

GFRest [ml/min × 1,73 m2 ] = 186 × (SCr)-1,154 × (Alter)-0,203 × (0,742 bei Frauen)

Auch diese Modifikation scheint der seit 1976 gebräuchlichen Formel von Cockroft-Gault im Bereich von einer GFR < 90 ml/min × 1,73 m2 überlegen zu sein [2]. Der Vorteil dieser modifizierten MDRD-Formel gegenüber der ursprünglichen MDRD-Formel besteht darin, dass lediglich der Serum-Kreatininwert bestimmt werden muss. Die Formel wurde an einer großen Zahl von Patienten (n > 1000) ermittelt, die alle unter einer chronischen Nierenerkrankung litten. Darunter befanden sich jedoch keine multimorbiden Patienten, keine mit einer diabetischen Nephropathie und keine Patienten >  70 Jahre. Ebenso fehlten Normalpersonen im Kollektiv.

Letzteres führt dazu, dass bei Werten > 60 ml/min × 1,73 m2 die GFR überschätzt wird. Levey selbst empfiehlt daher, alle Werte, die oberhalb liegen im Befund mit >  60 ml/min × 1,73 m2 zu reportieren [3]. Da bei Werten >  60 ml/min × 1,73 m2 und Vorliegen einer Proteinurie trotzdem eine Nierenerkrankung vorliegen kann, wäre man in der Diagnostik fast wieder bei der ursprünglichen MDRD-Formel angelangt.

Betrachtet man all diese Einschränkungen, sind bei Verwendung der modifizierten MDRD-Formel lediglich Werte <  60 ml/min × 1,73 m2 als sicheres Zeichen einer chronischen Nierenerkrankung bewertbar. Werte > 60 ml/min × 1,73 m2 schließen eine Nephropathie nicht sicher aus. Bei geplanter Chemotherapie sollte daher die ursprüngliche MDRD-Formel zum Einsatz kommen, da hier die Proteinurie mit berücksichtigt wird.

Andere Formeln wie z. B. die nach Rule [4] sind zur Zeit nicht hinreichend evaluiert.

Als Alternative wäre hier noch Cystatin C zu erwähnen, das als einzelner Parameter ebenfalls eine zuverlässige Abschätzung der GFR erlaubt (GFRest = 77,24 × CysC -1,2623) [5].

Eine Infusionstherapie beeinflusst die Filtrationsrate nicht, sie führt nur zu einer vermehrten Ausscheidung von Wasser, ohne die absolute Menge an ausgeschiedenem Kreatinin zu erhöhen.

Literatur

  • 1 Levey A S. et al . A more accurate method to estimate GFR from serum creatinine.  Ann Intern Med. 1999;  130 461-470
  • 2 Levey A S. et al . National Kidney Foundation Practice Guidelines for Chronic Kidney Disease: Evaluation, Classification, and Stratification.  Ann Intern Med. 2003;  139 137-147
  • 3 Stevens L A, Levey A S. Clinical Implications of Estimating Equations for GFR.  Ann Intern Med. 2004;  141 959-961
  • 4 Rule A D. et al . Using Serum creatinin to estimate GFR Accuracy in Good health and chronic kidney disease.  Ann Intern Med. 2004;  141 929-937
  • 5 Larsson A. et al . Calculation of glomerular filtration rate expressed in ml/min from plasma cystatin C values in mg/l.  Scand J Clin Lab Invest. 2004;  64 25-30

Dr. med. R. Alkier
Prof. Dr. med. R. Braun

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