Zusammenfassung
In der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz wurden
im Jahr 2000 etwa 350 prälingual gehörlose Kinder aus vorwiegend deutschsprachigen
Elternhäusern mit einem Cochlea-Implantat versorgt. Die CI-Operationen verliefen ohne
besondere Komplikationen, doch was geschah eigentlich mit diesen Kindern danach? Wer
unterstützte die Kinder dabei, das High-Tech-System sinnvoll nutzen zu können - für
die Zwecke, für die es implantiert wurde? Welche Zwecke waren das überhaupt? Wie sah
die Unterstützung im konkreten Fall aus? Und: Auf welchen Gebieten lag der Nutzen,
den die Kinder und ihre Familien vom CI haben? Solche und viele weitere Fragen, die
mit der postoperativen CI-Rehabilitation bei Kindern zu tun haben, waren Gegenstand
einer Studie der PH Heidelberg.
Aus der Fülle der Ergebnisse wird in diesem Artikel der Aspekt des elterlichen Kommunikations-
und Förderverhaltens vor und nach der CI-Versorgung herausgegriffen. Es erweist sich,
dass sich die Merkmale des elterlichen Verhaltens nach der Implantation deutlich in
Richtung eines natürlichen hörgerichteten Umgangs mit den Kindern verschieben. Unterstützt
werden die Eltern dabei nicht unerheblich von den professionellen Fachkräften, die
in den CI-Rehabilitationseinrichtungen in erfreulichem Umfang wichtige Grundsätze
einer modernen audiopädagogischen Therapie in beispielhafte Förderpraxis umsetzen.
Wenn auch an einzelnen Punkten die Förderpraxis von Eltern und Professionellen nicht
übereinstimmt, so ist doch eine grundsätzliche Zufriedenheit mit den Ergebnissen der
CI-Rehabilitation bei den Eltern zu protokollieren: sowohl was den Nutzen der Kinder
betrifft wie auch hinsichtlich des Gewinns für den elterlichen Umgang mit ihren Kindern
im Alltag.
Abstract
In the year 2000 in the Federal Republic of Germany, Austria and the German-speaking
regions of Switzerland some 350 prelingually deafened children of predominantly German-speaking
parents were provided with cochlear implants. While the operations were for the most
part successful, a post-operative follow-up of the results was lacking. Several questions
remained to be answered. How were the children coping with the High-Tech device? Did
they receive qualified support? What was the nature of the support? In what way did
the CIŽs prove useful to the children and their families? These were some of the many
questions concerning post-operative CI rehabilitation that were the subject of a study
conducted by the University of Education Heidelberg.
Of the many aspects of the study the behaviour of parents towards their child before
and after the CI operation was picked out to be the subject of this article. The results
showed a distinct shift, after the operation, towards a natural auditory-verbal behaviour.
Under professional guidance in the CI rehabilitation centres parents were able to
adopt important concepts of a modern auditory-verbal therapy. Although the practice
of parents and professionals did not coincide on all points, the result of CI rehabilitation
was a gain both for the children themselves and for the parents in their daily intercourse
with them.
Schlüsselwörter
Cochlea Implantat - Rehabilitation - CI-Therapie - Kommunikationsverhalten - auditiv-verbale
Erziehung - Hörgerichtetheit
Key words
Cochlear Implant - rehabilitation - cochlear implant therapy - communication mode
- auditory-verbal education
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1 Die Pädagogische Hochschule Heidelberg brachte zur Durchführung der Studie 50 % der
benötigten Forschungsmittel auf. Die andere Hälfte wurde von den CI-Firmen Cochlear
GmbH, Med-El Deutschland GmbH und Advanced Bionics GmbH zur Verfügung gestellt.
2 Die Studie umfasste in ihrer Gesamtheit noch weitere methodische und forschungspragmatische
Aspekte, die in diesem Kontext jedoch nicht weiter angeführt werden, da diese mit
den hier präsentierten Inhalten nicht unmittelbar zusammenhängen. Eine umfassende
Veröffentlichung aller Untersuchungsergebnisse erfolgt demnächst.
Prof. Dr. Gottfried Diller
Köpperner Straße 16
61194 Niddatal
eMail: g.diller@ph-heidelberg.de