Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(6): 299
DOI: 10.1055/s-2005-863048
Leserbriefe

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Leitlinienkonforme interventionelle Therapie des akuten ST-Hebungsinfarktes in ländlichen Regionen durch Netzwerkbildung - Zuschrift Nr. 2

Zum Beitrag aus DMW 41/2004S. Silber
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Publication Date:
03 February 2005 (online)

Der Arbeitsgruppe aus Rostock kann man zur Organisation des „Drip&Ship“ Netzwerkes zur primären Koronarintervention (PCI) bei akutem ST-Hebungsinfarkt gratulieren. Die berichteten „door to balloon“-Zeiten von 21±13 min in der Transfergruppe und von 40±20 min in der Zentrumgruppe sind beachtlich [3].

Allerdings könnte durch den Titel „Leitlinienkonforme interventionelle Therapie des akuten ST-Hebungsinfarktes“ der Eindruck entstehen, dass die prästationäre Gabe eines Glykoproteins IIb/IIIa-Inhibitors (Abciximab oder Tirofiban) den aktuellen Leitlinien entspricht. Dieser Eindruck wird leider durch das Flussdiagramm in Abb.1 sowie die Bezeichnung „Drip&Ship-Netzwerk“ vermittelt.

Hierzu muss festgestellt werden, dass das „drip & ship“-Konzept beim ST-Hebungsinfarkt nicht leitlinienkonform ist. Die sofortige Gabe eines Glykoprotein IIb/IIIa-Inhibitors (z. B. im Notarztwagen) noch vor Eintreffen in einem Katheterlabor wird weder von den aktuellen Deutschen noch den aktuellen Europäischen Leitlinien unterstützt. In den vor kurzem erschienenen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) steht unter Kapitel 2.1.3 („Prähospitale Therapie mit Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten“): „Deshalb ist die Gabe bisher nicht für die Routine zu empfehlen“ [2]. Auch in den aktuellen ST-Hebungsinfarkt- Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wird die prähospitale Gabe eines Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten nicht empfohlen [5]. Auch unter Berücksichtigung der neuesten Literatur werden die z Zt. in Bearbeitung befindlichen Leitlinien zur Koronarintervention der ESC das „drip & ship“-Vorgehen mit Abciximab oder einem anderen Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten vor geplanter primärer PCI ebenfalls nicht empfohlen [4].

Da bis heute keine evidenzbasierten Daten vorliegen, die zeigen, dass durch ein „drip & ship“-Vorgehen der klinische Verlauf von Patienten mit ST-Hebungsinfarkt gebessert wird, müssen wir auf die Ergebnisse der ASSENT-4 und FINESSE Studien warten, bis leitlinienkonforme Empfehlungen gemacht werden können [1].

Literatur

  • 1 Ellis S G, Armstrong P, Betriu A. et al . Facilitated percutaneous coronary intervention versus primary percutaneous coronary intervention: design and rationale of the Faciliated Intervention with Enhanced Reperfusion Speed to Stop Events (FINESSE) trial.  Am Heart J. 2004;  147 E16
  • 2 Hamm C W. Leitlinien. Akutes Koronarsyndrom (ACS) Teil 2: Akutes Koronarsyndrom mit ST-Hebung.  Z Kardiol. 2004;  93 324-341
  • 3 Schneider H, Weber F, Paranskaja L. et al . Leitlinienkonforme interventionelle Therapie des akuten ST-Hebungsinfarktes in ländlichen Regionen durch Netzwerkbildung.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 2162-2166
  • 4 Silber S, Albertsson P, Avilés F F. et al . European Guidelines for Percutaneous Coronary Interventions (PCI).  Eur Heart J. 2005;  (im Druck)
  • 5 Van de Werf F, Ardissino D, Betriu A. et al . Management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. The Task Force on the Management of Acute Myocardial Infarction of the European Society of Cardiology.  Eur Heart J. 2003;  24 28-88

Prof. Dr. med. Sigmund Silber

Chairman, Leitlinienkommission der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) für Koronarinterventionen (PCI)

Am Isarkanal 36

81379 München

Email: sigmund@silber.com

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