Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(6): 299
DOI: 10.1055/s-2005-863047
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leitlinienkonforme interventionelle Therapie des akuten ST-Hebungsinfarktes in ländlichen Regionen durch Netzwerkbildung - Zuschrift Nr. 1

Zum Beitrag aus DMW 41/2004H. Degen
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Publication Date:
03 February 2005 (online)

Insgesamt ist der Beitrag von Schneider et al. [3] positiv zu sehen, insbesondere bezüglich der Netzwerkbildung. Der im Titel genannte Begriff „leitlinienkonform“ sowie der fehlende Einsatz der Lysetherapie muss jedoch diskutiert werden:

1. Die häufig, so auch in [3] zu lesende, pauschale Aussage, dass die Primär-PCI (perkutane Koronarintervention) hinsichtlich Letalität der Lyse-Therapie überlegen sei, bedarf einer differenzierten Betrachtung, da diese Überlegenheit nur unter besonderen Bedingungen nachzuweisen ist. Grundbedingung ist dabei, dass kein zu großer Zeitverlust gegenüber einer Lyse-Therapie eintritt. Nach einer Arbeit von Nallamothu [2] geht der Letalitätsbenefit bereits bei einer Zeitverzögerung zwischen Lyse und PCI-Therapie von ca. 60 min verloren. Bevor ein solcher Zeitverlust akzeptiert werden kann, stellt die Lyse-Therapie, insbesondere die prähospitale Lyse-Therapie eine sinnvolle und wahrscheinlich sogar bessere Alternative dar.

2. Nach den europäischen Leitlinien [4] wird die Primär-PCI empfohlen, wenn ein Zeitfenster zwischen erstem medizinischem Kontakt und erfolgreicher Gefäßeröffnung von < 90 min eingehalten werden kann. In der genannten Publikation [3] wurde für die Transfergruppe allein für Transport und erfolgreiche PCI im Mittel eine Zeit von 75 min benötigt. Die Standard-Abweichung betrug jedoch bis 122 min. Somit wurde annehmbar ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten außerhalb des in den Leitlinien empfohlenen Zeitraumes von < 90 min behandelt. Diese Patienten hätten nach der derzeitigen Datenlage, vor allem bei kurzer Symptomdauer, von einer (prähospitalen) Lyse profitiert. In diesem Punkt war das Procedere nicht leitlinienkonform. Auch in den aktuellen deutschen Leitlinien [1] wird darauf hingewiesen, dass ab einem Zeitgewinn von 90 min sich die (prähospitale) Lyse gegenüber einer Primär-PCI als überlegen erwiesen hat.

3. Die meisten Transfer-Patienten erhielten prähospital einen GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten. Im Rahmen einer Studie ist dies sicherlich ein interessanter Ansatz. Leitlinienkonform ist dieses Therapiekonzept jedoch nicht, da in den aktuellen deutschen Leitlinien [1] die prähospitale GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten-Therapie nicht für die Routine empfohlen wird.

Zusammenfassend ist aus unserer Sicht beim ST-Strecken-Hebungs-Infarkt im ländlichen Bereich eine individuelle Therapie-Entscheidung zu treffen. Dabei hat nach wie vor die Lyse-Therapie und insbes. die prähospitale Lyse-Therapie einen hohen Stellenwert und ist unter Berücksichtigung der in den Leitlinien dargelegten Zeitfenster in die Therapie-Entscheidung mit aufzunehmen. Insbesondere bei einem Zeitintervall von < 3 h nach Schmerzbeginn (siehe deutsche Leitlinien) [1] ist die prästationäre Fibrinolyse bezüglich Reduktion der Letalität der PCI-Therapie mindest. gleichwertig. Ferner war in einem der größten aktuellen Register (NRMI) kein Unterschied (auch nicht im Trend) in der Letalität zwischen Lyse- und PCI-therapierten Infarkt-Patienten in den USA festzustellen (vorgetragen beim ESC- Kongress München 8/2004).

Literatur

  • 1 Hamm C W, Arntz H R, Bode C. et al . Leitlinien Akutes Koronarsyndrom, Teil 2: Akutes Koronarsyndrom mit ST-Hebung.  Z Kardiol. 2004;  93 324-341
  • 2 Nallamothu B K, Bates E R. Percutaneous coronary intervention versus fibrinolytic therapy in acute myocardial infarction: is timing (almost) everything?.  Am J Cardiol. 2003;  92 824-826
  • 3 Schneider H, Weber F, Paranskaja L, Holzhausen C, Petzsch M, Severin R, Nienaber C A. Leitlinienkonforme interventionelle Therapie des akuten ST-Hebungsinfarktes in ländlichen Regionen durch Netzwerkbildung.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 2162-2166
  • 4 Van de Werf F, Ardissino D, Betriu A. et al . Management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Task Force of the ESC.  Eur Heart J. 2003;  24 28-66

Dr. med. H. Degen

St. Nikolaus-Stiftshospital Andernach

Hindenburgwall

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