Klin Monbl Augenheilkd 2005; 222(4): 355-356
DOI: 10.1055/s-2005-858068
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Erinnerung an Prof. Dr. med. Theo N. Waubke

In Memorium: Prof. Theo N. Waubke, MDK.-P Steuhl
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Publication Date:
21 April 2005 (online)

„Seine Pflicht erkennen und tun, das ist die Hauptsache” - diese Lebensregel Friedrichs des Großen bildete auch das Motto für das Leben von Herrn Prof. Dr. med. Theo N. Waubke.

Theo N. Waubke wurde am 27.4.1928 als Sohn des Augenarztes Dr. med. Hans Waubke und seiner Frau Elsbeth in Bielefeld geboren. Er wuchs mit 5 Geschwistern auf und schloss 1946 nach den Kriegswirren seine Schulbildung mit der Reifeprüfung ab. Nicht zuletzt war seine große Lebenserfahrung eng mit seiner umfassenden Ausbildung an verschiedenen Studienorten verbunden. Zu nennen sind die Universitäten Göttingen und Tübingen sowie die Augenkliniken Heidelberg, Oxford, Hamburg, Dortmund und Essen, verbunden mit den Namen seiner Lehrer Engelking, Sautter, Ullerich und Meyer-Schwickerath. Eine derartige, über das ganze Land dislozierte Ausbildung, ein Studium generale im wahrsten Sinne des Wortes, beinhaltete nicht nur den Erwerb eines fachlich breiten Spektums, sondern förderte auch stets die Ausprägung einer souveränen und erfahrenen Persönlichkeit.

Entsprechend umfassend stellt sich deshalb auch das Spektrum seiner wissenschaftlichen Tätigkeit dar, welches von seiner Promotion zu histopathologischen Phänomenen der Retinopathia pigmentosa über eine Beschäftigung mit sinnesphysiologischen Fragen (insbesondere Farben- und Binokularsehen) und über klinische experimentelle Untersuchungen zur metastatischen Ophthalmie mit Candida albicans auf seine späteren Schwerpunkte zusteuerte, welche den Themen Traumatologie und Mikrochirurgie des vorderen Augenabschnitts gewidmet waren. Hervorzuheben ist hierbei die Entwicklung einer Methode zur Lokalisation und kontrollierten Extraktion intraokularer Fremdkörper. Des Weiteren beschäftigte er sich mit speziellen Problemen der Kataraktextraktion und der Linsenimplantation, mit neuen technischen Verfahren zur Operation kongenitaler Katarakte und Glaukome sowie mit der operativen und strahlentherapeutischen Behandlung maligner Tumoren des vorderen Augenabschnitts. Ferner gab er wertvolle Anregungen zur Erschließung neuer Arbeitsgebiete durch seine Mitarbeiter, zum Beispiel zur Endothelmikroskopie der Hornhaut, Lasertherapie im vorderen Augenabschnitt, Pathophysiologie des Tränenfilms und zu immunologischen Fragestellungen. Sein wissenschaftliches Wirken hat sich in etwa 100 Publikationen und Buchbeiträgen in nationalen und internationalen Zeitschriften und in etwa 120 Kongressbeiträgen niedergeschlagen.

Über die bloße Mitgliedschaft in einer Reihe von wissenschaftlichen und berufsständischen Organisationen hinaus hat er zahlreiche überwiegend ehrenamtliche Funktionen ausgeübt. Als Vorsitzender der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft richtete er 1983 deren Jahreskongress in Heidelberg aus. Darüber hinaus war er 10 Jahre lang Pressereferent dieser Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er 1993 wurde. Insbesondere am Herzen lag ihm die 14 Jahre dauernde wissenschaftliche Leitung der „Essener Fortbildung für Augenärzte” (zusammen mit O. E. Lund). Eine besondere Ehre stellte die Berufung in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle dar. 1992 wurde er vom Wissenschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt zum Vorsitzenden der „Außerordentlichen Berufungskommission Medizin” der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen. Bei dieser verantwortungsvollen und von ihm mit großem Engagement betriebenen Aufgabe ging es nicht nur um eine Neustrukturierung der Medizinischen Fakultät in Halle. Es ging auch darum, mit Umsicht und Geschick eine fortschrittliche und facettenreiche neue Medizin-Fakultät zu etablieren. Dieser schwierigen und sicher auch psychisch belastenden Verantwortung hat sich Theo N. Waubke vielleicht auch deshalb unterzogen, weil ihn sein Verantwortungsgefühl hierzu gedrängt hat.

Seine ethisch-religiös geprägte Lebensauffassung zeigte sich insbesondere gegenüber seinen Patienten, die er stets als Hilfesuchende empfand und denen er sehr gut zuhören konnte. Seinen Mitarbeitern begegnete er mit einer väterlichen Fürsorgepflicht im klassischen Sinne. Bei aller Strenge, die er bisweilen an den Tag legen konnte, war er überzeugenden Argumenten stets zugänglich und beharrte nie rechthaberisch auf einer vorgefassten Meinung. Wurde ein natürlicherweise in der Klinik vorkommender Dissens geklärt, so zeigte er sich nie nachtragend. Für ihn war auch immer der soziale Zusammenhalt innerhalb der Klinik wichtig, vom Oberarzt bis zu den Schwestern und Küchenfrauen, wovon gemeinsame Feiern, Ausflüge und großzügige Einladungen zeugten. So konnte es an einem heißen Sommertag durchaus vorkommen, dass er vormittags seine Frau Maria anrief, um sie zu bitten, Vorkehrungen für eine spontane Gartenparty aller Assistenten zu treffen. Der Privatassistent organisierte das Bier und man saß bis in die späten Nachtstunden in seinem Garten in Essen-Werden zusammen.

Aus seiner christlichen Lebenshaltung ging ein soziales Engagement hervor, das er nach seiner Emeritierung vertieft hat, so z. B. als Mitglied der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler der Ärztekammer Nordrhein und vor allem als Vorsitzender des Blindenvereins Essen, als Herausgeber einer Tonzeitung für Blinde und Sehschwache und als Initator einer elektronischen Tageszeitung für Blinde. Dieses in Deutschland bisher einmalige und seit kurzem vollständig etablierte Projekt wurde entwickelt durch die Zusammenarbeit der Orthoptik der Essener Klinik und einer großen Lokalzeitung und ermöglicht die unkomplizierte und bedarfsgerechte tägliche Nutzung dieser Tageszeitung mithilfe eines Sprachausgabecomputers.

Obwohl ich den genauen Text der Verleihungsurkunde des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch den Bundespräsidenten im Jahr 1988 nicht kenne, ist doch offensichtlich, dass hierbei sein breit gefächertes Wirken im Dienste kranker, leidender und behinderter Menschen im Vordergrund gestanden hat.

Mit Herrn Prof. Waubke verlieren wir eine herausragende Persönlichkeit, die nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz, sondern auch wegen ihrer Lebensauffassung uns Ansporn und Verpflichtung ist. Wir nehmen Abschied von einem Menschen, der uns als Arzt, Wissenschaftler und Hochschullehrer ein Vorbild bleiben wird.

Essen, im Januar 2005

Klaus-Peter Steuhl

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