Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(6): 277
DOI: 10.1055/s-2005-837413
CME
Hämatologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Multiples Myelom - Der konkrete Fall

Multiple Myeloma - case reportF. Zettl1 , W. Jung1 , R. Schroers1
  • 1Abteilung Hämatologie und Onkologie, Zentrum Innere Medizin, Universitätsklinikum Göttingen
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Dr. med. Roland Schroers

Georg-August-Universität Göttingen, Zentrum Innere Medizin, Abteilung Hämatologie und Onkologie

Robert Koch-Straße 40

37075 Göttingen

Phone: 0551/398535

Fax: 0551/398587

Email: R.Schroers@medizin.uni-goettingen.de

Publication History

eingereicht: 6.10.2004

akzeptiert: 16.12.2004

Publication Date:
03 February 2005 (online)

Table of Contents #

Anamnese

Der Patient wurde erstmals im Alter von 61 Jahren mit Nykturie bei einem Urologen vorstellig. Hier fiel eine leichtgradige, nicht näher charakterisierte Proteinurie auf. Wenige Monate später kam es zu progredientem Leistungsabfall und langsam zunehmenden Knochenschmerzen im Bereich der Rippen und Wirbelsäule.

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Untersuchungen

Bei Erstvorstellung war der Allgemeinzustand des Patienten leicht reduziert. Abgesehen von einem blassen Hautkolorit und einem Klopfschmerz über dem knöchernen Thorax war die körperliche Untersuchung unauffällig. Die Laboruntersuchungen ergaben eine „Sturzsenkung” (BKS 80/105 mm) sowie eine normozytäre Anämie (Hb 9,0 g/dl); eine Niereninsuffizienz ließ sich laborchemisch nicht nachweisen. Bei einem Gesamteiweiß von 9,5 g/dl zeigte die Serum-Eiweißelektrophorese einen M-Gradienten in der γ-Globulinfraktion. In der Immunfixationselektrophorese des Serums wurde eine monoklonale IgG-Gammopathie vom Leichtenkettentyp λ nachgewiesen. Die IgG-Serumkonzentration (4 g/dl) sowie das β2-Mikroglobulin im Serum (5,3 mg/l) waren deutlich erhöht. In der Urinanalyse zeigte sich eine monoklonale Leichtkettenproteinurie Typ λ. Histopathologisch wurde eine 70 %ige Infiltration des Knochenmarks (KM) durch Plasmazellen in einer Beckenkammbiopsie festgestellt. Die konventionellen Röntgenaufnahmen ergaben fortgeschrittene Osteolysen des gesamten Skelettes sowie das Bild eines „Schrotschuss-Schädels”. Es wurde ein Multiples Myelom (MM) vom Typ IgG λ mit einer Begleit-Bence-Jones-Proteinurie (Stadium IIIA nach Durie und Salmon) diagnostiziert.

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Therapie und Verlauf

Wegen des fortgeschrittenen Erkrankungsstadiums wurde eine Therapie mit Idarubicin (10 mg/m2 p. o., Tag 1-4) und Dexamethason (40 mg p. o., Tag 1-4, Wiederholung ab Tag 21) eingeleitet. Nach vier Zyklen dieser konventionellen Chemotherapie fiel die IgG-Konzentration als Ausdruck einer rückläufigen Paraproteinämie. Mit dem Ziel einer Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation erfolgte zur weiteren Reduktion der Myelomzellmasse und zur zytostatischen Stammzellmobilisation eine Therapie nach dem IEV-Protokoll (Ifosfamid 2500 mg/m 2 i. v., Tag 1-3, Etoposid 150 mg/m 2 i. v., Tag 1-3, Epirubicin 100 mg/m 2 i. v., Tag 1, G-CSF 5 µg/kg s. c., ab Tag 5) mit anschließender Apherese von autologen Stammzellen aus peripherem Blut . Nachfolgend erhielt der Patient zwei Zyklen (Abstand 3 Monate) einer Hochdosischemotherapie mit Melphalan (100  mg/m2, Tag -3 und -2 vor Stammzelltransfusion) einschließlich Reinfusion der autologen Stammzellen . Diese Therapien wurden vom Patienten abgesehen von kurzzeitigen Neutropeniephasen ohne Fieber, einer transfusionsbedürftigen Thrombozytopenie sowie geringgradigen Mucositiden gut vertragen. In den abschließenden Untersuchungen zeigte sich eine partielle Remission der Myelomerkrankung mit einer Normalisierung des peripheren Blutbildes, einer deutlichen Rückbildung der Bence-Jones-Proteinurie (< 0,2 g/24 h), einer residualen monoklonalen Gammopathie (IgG quantitativ 0,8 g/dl) und einer 10 %igen Restinfiltration des Knochenmarks durch Plasmazellen.

3 Jahre nach Beendigung der zweiten Hochdosischemotherapie kam es zur Progression des MM mit erneutem Anstieg des Paraproteins im Serum. Bei zunehmender Anämie mit subjektiver Leistungsminderung wurde nun die Indikation zu einer palliativen Therapie gestellt. Der Patient erhielt eine Monotherapie mit Thalidomid (200 mg p. o.), die komplikationslos vertragen wurde und zu einer Besserung der klinischen Situation mit Stabilisierung der krankheitsassoziierten Laborauffälligkeiten führte. Während des gesamten Krankheitsverlaufs waren die multiplen Osteolysen unter einer supportiven i. v.-Behandlung mit dem Bisphosphonat Pamidronat ohne Auftreten ossärer Komplikationen stabil.

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Fazit

Zum Diagnosezeitpunkt lag ein fortgeschrittenes und damit behandlungsbedürftiges Multiples Myelom vor. Durch eine konventionelle Chemotherapie mit nachfolgender zweifacher Hochdosischemotherapie inklusive autologer Stammzelltransplantation wurde eine über 3 Jahre stabile partielle Krankheitsremission erreicht. Der Stellenwert der autologen Stammzelltransplantation gilt mittlerweile als gesichert, die therapieassoziierte Mortalität liegt heute bei 2 % [1]. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist von einem Überlebenszeitvorteil von 2-3 Jahren im Vergleich zu konventionellen Chemotherapien auszugehen [1].

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Literatur

  • 1 Kaufman J, Lonial S. Mutiple Myeloma: The Role of Transplant and novel Treatment Strategies.  Semin Oncol. 2004;  31 (suppl 4) 99-105

Dr. med. Roland Schroers

Georg-August-Universität Göttingen, Zentrum Innere Medizin, Abteilung Hämatologie und Onkologie

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37075 Göttingen

Phone: 0551/398535

Fax: 0551/398587

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Literatur

  • 1 Kaufman J, Lonial S. Mutiple Myeloma: The Role of Transplant and novel Treatment Strategies.  Semin Oncol. 2004;  31 (suppl 4) 99-105

Dr. med. Roland Schroers

Georg-August-Universität Göttingen, Zentrum Innere Medizin, Abteilung Hämatologie und Onkologie

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