Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(44): 2375-2376
DOI: 10.1055/s-2004-835275
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

ACE-Hemmertherapie bis ans Lebensende? - Erwiderung

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Publication Date:
21 October 2004 (online)

Die für den primären Endpunkt in der HOPE-Studie von Meyer berichtete „number needed to treat“ (NNT) von 26 für 4,5 Jahre ist nach heutiger Einschätzung eine relativ niedrige und damit günstige Anzahl. Zum Vergleich sei die NNT von 26,6 für 5 Jahre erwähnt, die sich aus den Studien zur Behandlung der Hypertonie im Alter ergibt (EWPHE, Coope, SHEP, STOP, MRC II, Syst-Eur: 1 - 4,8 - 11) bei einem Durchschnittsalter von 71,5 Jahren (69-76 Jahre Durchschnittsalter in den Studien). Dabei wurden zum Teil Patienten bis zum 85. Lebensjahr mit eingeschlossen. Ähnlich erfolgreich ist nur noch die antihypertensive Behandlung in der Sekundärprävention nach einem Schlaganfall (PATS und PROGRESS) mit einer NNT von 28 in 5 Jahren [5] [6]. Die 5-Jahres-NNT ist relevanter, da die Patienten über einen solchen, wenn nicht längeren Zeitraum, behandelt werden. Die Angabe der NNT ist im Übrigen nicht besser oder schlechter als relative Maße (odds ratio oder relative Risikoreduktion), sondern sie liefert nur eine andere Perspektive.

Die altersbezogene Analyse aus AIRE und HOPE (Abbildung 2 unserer Arbeit [12]) zeigt, dass die ältere Patientengruppe stärker profitiert im Vergleich zu den jüngeren Jahrgängen. Die Kaplan-Maier Kurven zeigen im Verlauf der erfolgreichen Studien eine zunehmende Tendenz zugunsten der aktiven Behandlung. Dies gilt z. B. auch für die soeben erfolgreich beendete SENIORS-Studie mit Nebivolol über 36 Monate bei herzinsuffizienten Patienten im Alter von > 70 Jahren [7].

Im Allgemeinen hört die Behandlung nicht mit dem Ende des Beobachtungszeitraumes der Studie nach 3,5 oder 4,5 Jahren auf sondern wird in aller Regel weitergeführt. Es ist zu vermuten, dass der Nutzen der aktiven Therapie mit zunehmender Dauer weiter deutlich zunimmt. Viele Studien mussten nach einem relativ kurzen Zeitraum abgebrochen werden, weil eine Nichtbehandlung in der Kontrollgruppe nach dem Urteil des Sicherheitskommitees unethisch wäre. Eine sinnvolle Therapie aber nur auf die Dauer der jeweiligen Studienjahre zu beschränken und älter werdenden Patienten im klinischen Alltag vorzuenthalten, weil dies angeblich Evidence-based medicine (EBM) ist, führt den eigentlichen Grundgedanken von EBM im Sinne von Sackett ad absurdum.

Die Randomisierung in der HOPE-Studie zu kritisieren ist zweischneidig: Es nicht auszuschließen, dass die Ergebnisse sogar noch deutlicher zugunsten von Ramipril ausgefallen wären, wenn in der Verumgruppe mehr Hypertoniker und Diabetiker gewesen wären!

Der Vergleich mit der postmenopausalen Hormonersatz-Therapie ist so nicht haltbar, da es hier nie eine positive Studie gab, von der man mit gesundem medizinischem Verstand auf ältere Frauen oder andere Kollektive hätte extrapolieren können.

Insgesamt besteht trotz sich verändernder Altersstruktur ein Mangel an klinischen Studien bei alten und hochaltrigen Patienten, der in vielen Bereichen der Pharmakotherapie zu einer unbewussten Extrapolation von Studienergebnissen auf diese Bevölkerungsgruppen führt. Die derzeitige Studienlage zur ACE-Hemmertherapie erlaubt auf der Basis von zahlreichen positiven Studien die Extrapolation der Ergebnisse auf die ältere Bevölkerung. Wir empfehlen deshalb weiterhin, dass bei fehlenden Kontraindikationen eine einmal begonnene ACE-Hemmer-Therapie zur Therapie der arteriellen Hypertonie und der chronischen Herzinsuffizienz fortgeführt werden sollte. Unbestritten bleibt die Notwendigkeit weiterer großer klinischer Studien, die die pathophysiologischen Veränderungen im Alter unter Blockade des Renin-Angiotensin-Systems systematisch untersuchen.

Literatur

  • 1 Amery A, Birkenhäger W. et al . Mortality and morbidity results from the European Working Party on high blood pressure in the elderly trial.  Lancet. 1985;  1 1349-1354
  • 2 Coope J, Warrender T S. Randomised trial of treatment of hypertension in elderly patients in primary care.  BMJ. 1986;  293 1145-1151
  • 3 Dahlöf B, Lindholm L H. et al . Morbidity and mortality in the Swedish trial in old patients with hypertensi on (STOP- Hypertension).  Lancet. 1991;  338 1281-1285
  • 4 MRC Working Party . Medical Research Council trial of treatment of hypertension in older adults: principal results.  BMJ. 1992;  304 405-412
  • 5 PATS Collaborative Group . Post-stroke antihypertensive treatment study.  Chin Med J. 1995;  108 710-717
  • 6 PROGRESS Collaboration Study Group . Randomised trial of perindopril based blood pressure-lowering regimen among 6108 individuals with previous stroke or transient ischaemic attack.  Lancet. 2001;  358 1033-1041
  • 7 SENIORS-Studie (Study of Effects of Nebivolol Intervention on Outcomes and Rehospitalisation in Seniors with Heart Failure). ESC, European Society of Cardiology 30.August 2004, München 2004
  • 8 SHEP Cooperative Research Group . Prevention of stroke by antihypertensive drug treatment in older persons with isolated systolic hypertension. - Final results of the Systolic Hypertenion in the Elderly Program (SHEP).  JAMA. 1991;  265 3255-3264
  • 9 Staessen J A, Fagard R. et al . Randomised double-blind comparison of placebo and active treatment for older patients with isolated systolic hypertension.  Lancet. 1997;  350 757-764
  • 10 Staessen J A, Wang J G, Thijs L, Fagard R. Overview of the outcome trials in older patients with isolated systolic hypertension.  J Hum Hypertens. 1999;  13 859-63
  • 11 Thijs L, Fagard R, Lijnen P. et al . A meta-analysis of outcome trials in elderly hypertensives.  J Hypertens. 1992;  10 1103-1109
  • 12 Werner N, Böhm M. ACE-Hemmertherapie bis ans Lebensende?.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 1513-1518

Dr. N. Werner
Prof. Dr. M. Böhm

Klinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes

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