Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(42): 2244-2245
DOI: 10.1055/s-2004-831871
CME
Gastroenterologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen - Diagnostik

Inflammatory bowel disease - diagnosticsK. Herrlinger1 , E. F. Stange1
  • 1Abteilung Innere Medizin 1, Zentrum für Innere Medizin, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart
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Prof. Dr. med. Eduard Stange

Abteilung Innere Medizin 1, Zentrum für Innere Medizin, Robert-Bosch-Krankenhaus

Auerbachstraße 110

70376 Stuttgart

Phone: 0711/81013406

Fax: 0711/81013793

Email: Eduard.Stange@rbk.de

Publication History

eingereicht: 25.6.2004

akzeptiert: 24.8.2004

Publication Date:
14 October 2004 (online)

Table of Contents #

Vorbemerkungen

Die Indikationsstellung zu den verschiedenen diagnostischen Verfahren hängt immer vom Zeitpunkt der Krankheitsgeschichte und der aktuellen Symptomatik ab. Besonders die Erstdiagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen kann schwierig sein und die sichere Diagnose ist unter Umständen erst aus dem weiteren Krankheitsverlauf zu stellen. In der Regel reicht ein einzelnes diagnostisches Kriterium nicht aus, die sichere Diagnose ergibt sich vielmehr aus der Zusammenschau von Klinik, Laborbefunden und bildgebenden Verfahren [1] [2].

Bei Erstmanifestation ist eine ausführliche bildgebende und endoskopische Diagnostik zu fordern, um das Befallsmuster der Erkrankung einschätzen zu können, im Verlauf richtet sich der Umfang der Diagnostik in der Regel nach der Klinik. Zur Karzinomvorsorge sollten allerdings Koloskopien unabhängig von der Krankheitsaktivität in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden.

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Klinik

Typisch sind bei Morbus Crohn Diarrhoen und Bauchschmerzen, bei Colitis ulcerosa die blutige Diarrhoe, gegebenenfalls mit extraintestinalen Manifestationen, wie Arthritis, Augenentzündungen oder Leberbeteiligung. Anamnese und klinische Untersuchung spielen eine tragende Rolle in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Die klinische Untersuchung gibt erste Hinweise auf Schwere und Lokalisation der Erkrankung, die sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte mit Erfassen insbesondere des Therapieansprechens bringt essentielle Informationen für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen.

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Labor

Die Bestimmung der Entzündungsparameter Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutbild und C-reaktives Protein gehört zur Routinediagnostik jeder entzündlichen Erkrankung und kann zur Einschätzung der Erkrankungsschwere beitragen. Bei schwerem Krankheitsverlauf und nach Resektionsoperationen kann ein Screening zum Ausschluss von Mangelzuständen sinnvoll sein. Hier kommen vor allem Eisen, Zink und Selen in Betracht, bei Morbus Crohn mit Ileumbefall oder nach Ileozökalresektion sollte an die Bestimmung von Vitamin B12 gedacht werden.

Die Differenzierung der beiden Krankheitsentitäten Morbus Crohn und Colitis ulcerosa kann manchmal schwierig sein. Eine wertvolle Hilfestellung insbesondere bei Erstmanifestation können dabei spezifische Autoantikörper leisten. Hier haben sich vor allem Antikörper gegen Saccaromyces cervisiae (ASCA) für den Morbus Crohn und perinukleäre anti-neutrophilen zytoplasmatische Antikörper (p-ANCA) für die Colitis ulcerosa als hilfreich erwiesen. Bei kombinierter Verwendung beider Autoantikörper ist eine Spezifität bis zu 97 % zu erreichen [4]. Die niedrige Sensitivität beider Autoantikörper macht sie allerdings als Screeninginstrumente unbrauchbar.

Fäkales Calprotectin, ein kalziumbindendes Protein aus neutrophilen Granulozyten, kann verlässlich eine intestinale Entzündung nachweisen. Außerdem kann es als zusätzlicher Marker für die Krankheitsaktivität chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen und insbesondere zur Abgrenzung des Reizdarmsyndroms hilfreich sein [6] [7]. Calprotectin, wie auch die routinemäßig eingesetzten serologischen Entzündungsparameter können allerdings die Ursache der Inflammation nicht differenzieren. Dies kann in der Differentialdiagnostik zur infektiösen Diarrhoe zu Problemen führen. Bei der Erstdiagnostik, aber auch zur Differentialdiagnostik bei jedem akutem Schub sollten zum Ausschluss einer infektiösen Genese Stuhlkulturen angelegt werden. Hilfreich kann hier der Serummarker Procalcitonin sein, der - wenn pathologisch erhöht - hoch-spezifisch für eine infektiöse Genese ist [3]. Beide Marker, Calprotectin und Procalcitonin, müssen allerdings vor Eingang in die Diagnostik zunächst in größeren Studien auf ihre Validität untersucht werden.


kurzgefasst: In der Labordiagnostik haben die Routineentzündungsparameter und die Autoantikörper zur Differenzierung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa einen festen Stellenwert. Dem fäkalen Calprotektin könnte in Zukunft eine Rolle in der Abschätzung der Krankheitsaktivität zukommen.

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Bildgebende Verfahren

Als nicht-invasives bildgebendes Verfahren hat der Ultraschall einen hohen Stellenwert in der Diagnostik, insbesondere bei akutem Schub sowie zur Verlaufskontrolle. Entzündliche Darmwandverdickungen, Pendelperistaltik bei Subileus und intraabdominelle Abszesse können detektiert werden. Allerdings ist die Methode naturgemäß sehr untersucherabhängig. Außerdem schließt eine unauffällige Ultraschall-Untersuchung pathologische Befunde nicht aus.

In der Dünndarmdiagnostik ist die Kontrastmitteldarstellung nach Sellinck der Gold-Standard. Insbesondere bei Erstmanifestation sollte eine entsprechende Diagnostik zur Klassifikation der Erkrankung erfolgen, im weiteren Krankheitsverlauf ist sie nur bei entsprechender Klinik indiziert. Sie kann, vor allem durch die dynamische Darstellung der Peristaltik, Strikturen und Stenosen identifizieren. Zur Vermeidung der Strahlenexposition insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter bietet die Magnetresonanztomographie mit Enteroklysma dem erfahrenen Untersucher die bessere Alternative [1]. Eine neue Methode der Dünndarmdiagnostik ist die Kapselendoskopie. Sie kann sie zur Diagnostik eines Dünndarmbefalls hilfreich sein, allerdings ist der vorherige Ausschluss von Stenosen wegen der Gefahr der mechanischen Obstruktion mit Ileus obligat. Bei den derzeit noch erheblichen Kosten ist bei oft geringer therapeutischer Relevanz der routinemäßige Einsatz derzeit nicht gerechtfertigt.

Computertomographie und Magnetresonanztomographie dienen der Diagnostik von Fisteln und Abszessen. Eine Indikation zur routinemäßigen Durchführung besteht nicht, vor allem beim schweren und therapierefraktären Verlauf eines Morbus Crohn sollte jedoch immer an die Ausbildung von Abszessen gedacht werden. Zur Diagnostik von perianalen Prozessen und bei klinischem Verdacht auf Fistelbildung im rektalen Bereich ist die Magnetresonanztomographie des Beckenbodens die diagnostische Methode der Wahl.


kurzgefasst: Goldstandard der Dünndarmdiagnostik ist die Kontrastmitteluntersuchung nach Sellinck, in der Hand des erfahrenen Untersuchers bietet die Magnet- resonanztomographie mit Enteroklysma eine Alternative. Der Ultraschall hat seinen Stellenwert insbesondere in der Verlaufskontrolle bei bekannter Erkrankung.

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Endoskopie

Die Endoskopie stellt die zentrale Untersuchungsmethode in der Diagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen dar [1] [5]. Sie gibt Aufschluss über Befallsmuster und Schwere der Entzündung und macht in der Regel die Differenzierung beider Krankheitsentitäten möglich. In der Erstdiagnostik ist eine komplette Ileokoloskopie obligat, bei Verdacht auf einen Morbus Crohn sollte auch eine Gastroskopie erfolgen. Nicht jeder akute Schub erfordert eine komplette endoskopische Abklärung, allerdings hat die Ausdehnung der Erkrankung durchaus therapeutische Konsequenz. Ein weiterer Aspekt ist die Karzinomprophylaxe. Insbesondere Patienten mit Pancolitis haben nach einer Krankheitsdauer von mehr als 7 - 10 Jahren ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko. Daher gilt die Empfehlung nach 7 Jahren Krankheitsdauer und extensiver Colitis ulcerosa (ggf. auch Colitis Crohn) in 1- bis 2-jährigen Abständen komplette Koloskopien durchzuführen. Dabei sollten multiple Stufenbiopsien im Abstand von 10 cm zur Dysplasiediagnostik entnommen werden.

Die Colitis ulcerosa ist in etwa 5 % der Fälle mit einer primär sklerosierenden Cholangitis assoziiert, bei klinischen oder laborchemischen Hinweisen ist die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie indiziert. Sie ermöglicht auch gegebenenfalls die Dilatation und ein Stenting von Stenosen zur Vermeidung oder Therapie der Cholangitis.

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Fazit

Zur Erstdiagnostik sollten immer eine komplette Koloskopie und eine Dünndarmdarstellung erfolgen. Im weiteren Krankheitsverlauf spielt der Ultraschall eine wegweisende Rolle. Wichtig ist bei langjähriger Krankheitsgeschichte die jährliche Koloskopie mit Entnahme multipler Biopsien.

Autorenerklärung: K.H. hat von der Firma Brahms Diagnostica eine Reisekostenunterstützung zur Präsentation wissenschaftlicher Daten auf der Digestive Disease Week 2004 in New Orleans sowie Vortragshonorare der Firma Falk erhalten. E.F.S. hat Vortragshonorare der Firmen Falk, Ferring und Essex erhalten und ist als Berater für die Firmen Abbott, Astra, Altana und Ferring tätig.

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Literatur

  • 1 Herfarth H. Laboratory values, endoscopy and new imaging. What is the status of diagnosis?.  Internist. 2002;  43 1354-1358, 1361 - 1366
  • 2 Herrlinger K, Stange E F. Inflammatory bowel disease.  Internist. 2003;  44 1151-1173
  • 3 Herrlinger K R, Dittmann R, Weitz G, Wehkamp J, Ludwig D, Schwab M, Stange E F, Fellermann K. Serum procalcitonin differentiates inflammatory bowel disease and self limited colitis.  Inflamm Bowel Dis. 2004;  10 229-233
  • 4 Peeters M, Joossens S, Vermeire S, Vlietinck R, Bossuyt X, Rutgeerts P. Diagnostic value of anti-Saccharomyces cerevisiae and antineutrophil cytoplasmic autoantibodies in inflammatory bowel disease.  Am J Gastroenterol. 2001;  96 730-734
  • 5 Stange E F. Colitis ulcerosa - M. Crohn. Unimed-Verlag, Bremen 1999
  • 6 Tibble J, Teahon K, Thjodleifsson B, Roseth A, Sigthorsson G, Bridger S, Foster R, Sherwood R, Fagerhol M, Bjarnason I. A simple method for assessing intestinal inflammation in Crohn’s disease.  Gut. 2000;  47 506-513
  • 7 Tibble J A, Sigthorsson G, Foster R, Forgacs I, Bjarnason I. Use of surrogate markers of inflammation and Rome criteria to distinguish organic from nonorganic intestinal disease.  Gastroenterology. 2002;  123 450-460

Prof. Dr. med. Eduard Stange

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Email: Eduard.Stange@rbk.de

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Literatur

  • 1 Herfarth H. Laboratory values, endoscopy and new imaging. What is the status of diagnosis?.  Internist. 2002;  43 1354-1358, 1361 - 1366
  • 2 Herrlinger K, Stange E F. Inflammatory bowel disease.  Internist. 2003;  44 1151-1173
  • 3 Herrlinger K R, Dittmann R, Weitz G, Wehkamp J, Ludwig D, Schwab M, Stange E F, Fellermann K. Serum procalcitonin differentiates inflammatory bowel disease and self limited colitis.  Inflamm Bowel Dis. 2004;  10 229-233
  • 4 Peeters M, Joossens S, Vermeire S, Vlietinck R, Bossuyt X, Rutgeerts P. Diagnostic value of anti-Saccharomyces cerevisiae and antineutrophil cytoplasmic autoantibodies in inflammatory bowel disease.  Am J Gastroenterol. 2001;  96 730-734
  • 5 Stange E F. Colitis ulcerosa - M. Crohn. Unimed-Verlag, Bremen 1999
  • 6 Tibble J, Teahon K, Thjodleifsson B, Roseth A, Sigthorsson G, Bridger S, Foster R, Sherwood R, Fagerhol M, Bjarnason I. A simple method for assessing intestinal inflammation in Crohn’s disease.  Gut. 2000;  47 506-513
  • 7 Tibble J A, Sigthorsson G, Foster R, Forgacs I, Bjarnason I. Use of surrogate markers of inflammation and Rome criteria to distinguish organic from nonorganic intestinal disease.  Gastroenterology. 2002;  123 450-460

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