Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: S119-S121
DOI: 10.1055/s-2004-831392
Kurzübersicht
Endoskopie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Routinebiopsie im Gastrointestinaltrakt - Pro und Contra

Routine endoscopic biopsy - pros and consT. Zimmer1
  • 1Abteilung für Innere Medizin des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich
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Priv.-Doz. Dr. T. Zimmer

Abteilung für Innere Medizin, Des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich

Koblenzer Straße 91

54516 Wittlich

Email: t.zimmer@kh-wittlich.de

Publication History

eingereicht: 4.5.2004

akzeptiert: 9.8.2004

Publication Date:
15 September 2004 (online)

Table of Contents

Die Entnahme von Routinebiopsien bei endoskopischem Normalbefund insbesondere im Magen ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Gegen Routinebiopsien stehen die Kosten und das durch Biopsien verursachte Komplikationsrisiko. Letzteres ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 bis 0,1 Promille von geringer Relevanz [3] [4]. Für Routinebiopsien spricht die Möglichkeit, durch die histologische Untersuchung pathologische Befunde zu erheben, die der makroskopischen Beurteilung entgehen.

Die Frage, ob Routinebiopsien sinnvoll sind, muss in Abhängigkeit von der klinischen Fragestellung für jeden einzelnen Abschnitt des Intestinaltraktes (Ösophagus, Magen, Duodenum, Kolorektum) gesondert betrachtet werden (Tab. [1]).

Tab. 1 Indikationen zu Routinebiopsien der verschiedenen Abschnitte des Gastrointestinaltraktes in Abhängigkeit von der klinischen Fragestellung und den in Frage kommenden Differentialdiagnosen.

Indikation zur Endoskopie

Indikation zur Biopsie

Differentialdiagnosen

Ösophagus

Dysphagie

+

(nach Ausschluss anderer Ursachen

Eosinophile Ösophagitis

Magen

Dyspepsie

M. Crohn

+ (bei positivem Ureasetest)

+

Typ A-C-Gastritis

Ca-/Ulkusrisiko

M. Crohn

Duodenum

Eisenmangel

Chronische Diarrhoe

Dyspepsie

Malabsorptionssyndrom

+

+

+

+

Sprue

Lambliasis

M. Crohn

Eosinophile Duodenitis

M. Whipple

Infektiöse Duodenitis

Idiopathische Lymphangiektasie

Kolorektum

Chronische Diarrhoe

+

Kollagene Kolitis

Lymphozytäre Kolitis

Eosinophile Kolitis

Spirochätose

Laxantienabusus

#

Ösophagus

Bei endoskopischem Normalbefund im Ösophagus sind keine Routinebiopsien notwendig. Von dieser Regel ausgenommen ist die Abklärung einer Dysphagie. Die eosinophile Ösophagitis, eine zwar seltene, aber häufig mit einem normalen Schleimhautbild einhergehende Erkrankung, kann nur durch die histologische Beurteilung diagnostiziert werden [1]. Es sollten Stufenbiopsien aus dem oberen, mittleren und unteren Ösophagus entnommen werden. Die Kosten der histopathologischen Untersuchung berechnet nach EBM und einem angenommenen Punktwert von 4 Cent liegen bei etwa 50 Euro.

Kontrovers zu diskutieren ist die Frage, ob bei Refluxsymptomen Biopsien im Bereich des ösophago-gastralen Schleimhautüberganges sinnvoll sind. Hier läßt sich in 8 - 36 % Barrett-Schleimhaut histologisch nachweisen [10]. Da die prognostische Einschätzung eines solchen Befundes derzeit noch nicht klar ist und aus dem Befund keine diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen erwachsen, sind Routinebiopsien nur im Rahmen prospektiver Studien indiziert.


kurzgefasst: Routinebiopsien sind im Ösophagus im normalen klinischen Allag nur notwendig bei Patienten mit Dysphagie, bei denen die vorangestellte Funktionsdiagnostik keine Diagnose stellen konnte und die ein makroskopisch unauffälliges Ösophaguslumen zeigen.

#

Magen/Duodenum

Die endoskopische Untersuchung des Magens und Duodenums wird bei definierter Fragestellung auch bei makroskopischem Normalbefund durch histologische Untersuchung von je zwei Biopsien aus Antrum und Korpus und/oder zwei Biopsien aus der Pars descendens duodeni in ihrer Aussagekraft komplettiert [11].

Bei Patienten mit dyspeptischen Beschwerden findet sich im Magen in etwa 50 % eine Helicobacter pylori-Gastritis, in 20 % eine Typ C-Gastritis und nur in 15 % ein histologischer Normalbefund. Bei der Helicobacter pylori-Gastritis erlaubt die Unterscheidung in Antrum-dominante und Korpus-dominante Form eine Risikoeinschätzung für die Entstehung eines Ulcus duodeni (Antrum-dominante Form) und eines Magenkarzinoms (Korpus-dominante Form) [12]. Aus dem histologischen Ergebnis kann sich bei Verwandten 1. Grades von Magenkarzinompatienten eine Indikation zur Eradikation ergeben [7].

Die Autoimmungastritis der Korpusschleimhaut lässt sich histologisch in den frühen präatrophischen Stadien diagnostizieren und bei Nachweis einer Helicobacter pylori-Infektion durch Eradikation heilen [8].

Ein histologischer Normalbefund ist eine wichtige Ausschlussdiagnose mit prognostischer Aussagekraft für den Patienten, bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer Ulkusentstehung, und der Magenkarzinom-/Magenlymphom-Entstehung. Bei histologischem Normalbefund sollten weitergehende differentialdiagnostische Erwägungen und Abklärungen der dyspeptischen Beschwerden folgen. Diese sollten auch bei Helicobacter-assoziierter Gastritis getroffen werden, da die Gastritis in vielen Fällen nicht für die Beschwerden verantwortlich ist.

In Betrachtung einer Kosten-Nutzen-Relation bei Patienten mit nichtulzeröser Dyspepsie zeigte sich die Endoskopie mit Routinebiopsie des Magens nur effektiv bei Patienten mit positivem Helicobacter-Nachweis z. B. durch den Urease-Schnelltest [5]. Ein pragmatischer Weg ist die gleichzeitige Entnahme von Proben zur histologischen Untersuchung und zum Urease-Schnelltest. Die histologische Untersuchung wird aber nur bei positivem Urease-Schnelltest durchgeführt. Bei diesem Vorgehen ist zu bedenken, dass die NSAID-induzierte Gastritis, ebenso wie die Helicobacter-assoziierte Korpus-dominante Gastritis und die Helicobacter-assoziierte Gastritis unter Therapie mit Protonenpumpen-Inhibitoren dem Nachweis entgehen können.

Die Kosten der histopathologischen Untersuchung von Antrum- und Korpusbiopsien berechnet nach EBM und einem angenommenen Punktwert von 4 Cent liegen bei etwa 35 Euro.

Im Duodenum lassen sich bei Patienten mit nichtulzeröser Dyspepsie, unklarer Diarrhoe, Malabsorptionssyndrom oder Eisenmangelanämie nur durch die histologische Untersuchung eine Lambliasis, Frühstadien einer Sprueerkrankung, ein Morbus Whipple und eine eosinophile Duodenitis diagnostizieren oder ausschließen. Auch eine infektiöse Duodenitis, Crohn-Duodenitis, eine ideopathische Lymphangiektasie oder eine Kryptosporidiose induzieren oft keine oder nur unspezifische makroskopische Veränderungen und sind dann nur durch eine histologische Untersuchung zu diagnostizieren. Ein histologischer Normalbefund im Magen und Duodenum schließt einen M. Crohn in diesem Bereich weitgehend aus, da sich in 60 - 70 % eine endoskopisch nicht erkennbare Crohn-Gastritis oder Crohn-Duodenitis findet [6] [9].

Bei den oben angegebenen Indikationen zur endoskopischen Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes sind auch bei endoskopischem Normalbefund die Entnahme von tiefen Duodenalbiopsien zur histologischen Untersuchung obligat.

Die Kosten der histopathologischen Untersuchung berechnet nach EBM und einem angenommenen Punktwert von 4 Cent liegen bei etwa 15 Euro.


kurzgefasst: Routinebiopsien des Magens aus dem Bereich von Korpus und Antrum erlauben bei positivem Helicobacter-Nachweis mittels Urease-Schnelltest den Ausschluss oder Nachweis einer Gastritis und im letzteren Fall die Differenzierung der Gastritis und dadurch die Risikoeinschätzung bezüglich der Entwicklung eines Magenkarzinoms oder eines Ulkus duodeni. Duodenalbiopsien sollten bei Patienten mit nichtulzeröser Dysepsie, unklarer Diarrhoe, Malabsorptionssyndrom oder Eisenmangel durchgeführt werden und erlauben die Diagnosestellung früher Stadien der Sprue, einer Lambliasis, anderer infektiöser Erkrankungen, eines Morbus Whipple, einer eosinophilen Duodenitis, eines Morbus Crohn oder einer ideopathischen Lympangiektasie. Bei dyspeptischen Beschwerden sollten auch bei pathologischem Befund der histologischen Untersuchung andere intestinale oder extraintestinale Erkrankungen z. B. des Kolons, des Pankreas oder der Gallenwege ausgeschlossen werden.

#

Kolorektum

Die Indikation zur histologischen Diagnostik ergibt sich bei makroskopischem Normalbefund nur im Rahmen der Abklärung einer chronischen Diarrhoe, da die mikroskopischen Kolitiden (kollagene Kolitis und lymphozytäre Kolitis) häufig ohne wesentliche makroskopische Schleimhautveränderungen einhergehen [2]. Die Gruppe der mikroskopischen Kolitiden erweitert sich möglicherweise noch um die kryptale lymphozytäre Kolitis, die mikroskopische Kolitis und die mikroskopische Kolitis mit Riesenzellen. Neben den mikroskopischen Kolitiden zeigen auch die eosinophile Kolitis und die Spirochätose häufig ein normales Schleimhautbild. Bei der Abklärung der chronischen Diarrhoe sind getrennte Stufenbiopsien aus den verschiedenen Abschnitten des Kolons und Rektums notwendig, da die histologischen Veränderungen sich nicht immer in allen Abschnitten des Kolorektums finden. So sind Sigma und Rektum in 30 % der kollagenen Kolitiden histologisch normal. Eine geringgradige endoskopisch nicht sichtbare Melanosis kann Hinweis auf einen chronischen Laxantienabusus sein.

Die Kosten der histopathologischen Untersuchung berechnet nach EBM und einem angenommenen Punktwert von 4 Cent liegen bei etwa 15 Euro pro Stufenbiopsie.


kurzgefasst: Bei der Symptomatik von Diarrhoen anderweitig nicht geklärter Ursache sollten Routinebiopsien aus den verschiedenen Abschnitten des Kolons und des Rektums entnommen werden, um eine kollagene oder lymphozytäre Kolitis zu diagnostizieren oder auszuschließen.

Routinebiopsien bei endokopischem Normalbefund im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt sind bei einer bestimmten klinischen Symptomatik indiziert, da sich bestimmte Erkrankungen nur histologisch sichern oder ausschließen lassen. Auch Frühformen z. B. einer Typ A-Gastritis mit Helicobacter pylori-Besiedlung oder einer Sprueerkrankung lassen sich histologisch erkennen und durch entsprechende Therapien kann das Fortschreiten dieser Erkrankungen verhindert werden. Eine endoskopische Diagnostik bei den genannten Leitsymptomen ohne Entnahme von Biopsien zur histologischen Untersuchung ist eine unvollständige Diagnostik und hat häufig Doppeluntersuchungen zur Folge.

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Literatur

  • 1 Fox V L, Nurko S, Furuta G T. Eosinophilic esophagitis: itŽs not just kidŽs stuff.  Gastrointest Endosc. 2002;  56 260-270
  • 2 Gineston J L, Sevestre H, Descombes P, Viot J, Sevenet F, Davion T, Dupas J L, Capron J P. Biopsies dŽun rectum et dŽun côlon endoscopiquement normaux: une nécessité. Fréquence de la colite collagène et de la colite microscopique.  Gastroenterol Clin Biol. 1989;  13 360-363
  • 3 Levine D S, Reid B J. Endoscopic biopsy technique for acquiring larger mucosal samples.  Gastrointest Endosc. 1991;  37 332-337
  • 4 Levine D S, Blount D L, Rudolph R E, Reid B J. Safety of a systematic endoscopic biopsy protocol in patients with Barrett"s esophagus.  Am J Gastroenterol. 2000;  95 1152-1157
  • 5 Makris N, Crott R, Fallone C A, Bardou M, Barkun A. Cost-effectiveness of routine endoscopic biopsies for Helicobacter pylori detection in patients with non-ulcer dyspepsia.  Gastrointest Endosc. 2003;  58 14-22
  • 6 Meining A, Bayerdörffer E, Bästlein E, Raudis N, Thiede C, Cyrus B, Krämer W, Klann H, Labenz J, Stolte M. & CrohnŽs disease Study Group Germany . Focal Inflammatory Infiltrations in Gastric Biopsy Specimens Are Suggestive of CrohnŽs Disease.  Scand J Gastroenterol. 1997;  32 813-818
  • 7 Meining A, Bayerdörffer E, Stolte M. Helicobacter pylori gastritis of the gastric cancer phenotype in relatives of gastric carcinoma patients.  Eur J Gastroenterol Hepatol. 1999;  11 717-720
  • 8 Müller H, Rappel S, Wündisch T H, Bayerdörffer E, Stolte M. Healing of Active, Non-Atrophic Autoimmune Gastritis by H. pylori Eradication.  Digestion. 2001;  64 30-39
  • 9 Oberhuber G, Hirsch M, Stolte M. High incidence of upper gastrointestinal tract involvement in CrohnŽs disease.  Virch Arch. 1998;  432 49-52
  • 10 Spechler S J, Seroogian J M, Antonioli D A, Wang H H, Goyal R K. Prevalence of metaplasia at the gastro-osophageal junction.  Lancet. 1994;  344 1533-1536
  • 11 Stolte M. Routinebiopsien im endoskopisch normalen Duodenum und Magen: Unverzichtbar für die Diagnostik, Therapie und Prognose?.  Leber Magen Darm. 1998;  28 103-106
  • 12 Uemura N, Okamoto S, Yamamoto S, Matsumora N, Yamaguchi S, Yamakido M, Taniyama K, Sasaki N, Schlemper R J. Helicobacter pylori infection and the development of gastric cancer.  N Engl J Med. 2001;  345 784-789

Priv.-Doz. Dr. T. Zimmer

Abteilung für Innere Medizin, Des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich

Koblenzer Straße 91

54516 Wittlich

Email: t.zimmer@kh-wittlich.de

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Literatur

  • 1 Fox V L, Nurko S, Furuta G T. Eosinophilic esophagitis: itŽs not just kidŽs stuff.  Gastrointest Endosc. 2002;  56 260-270
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  • 12 Uemura N, Okamoto S, Yamamoto S, Matsumora N, Yamaguchi S, Yamakido M, Taniyama K, Sasaki N, Schlemper R J. Helicobacter pylori infection and the development of gastric cancer.  N Engl J Med. 2001;  345 784-789

Priv.-Doz. Dr. T. Zimmer

Abteilung für Innere Medizin, Des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich

Koblenzer Straße 91

54516 Wittlich

Email: t.zimmer@kh-wittlich.de