Definition und Prävalenz der Hypothyreose
Definition und Prävalenz der Hypothyreose
Die manifeste Hypothyreose ist durch ein über die Norm erhöhtes Serum-TSH (TSH
= Thyreoidea stimulierendes Hormon) bei gleichzeitig erniedrigten peripheren Schilddrüsenfunktionswerten
charakterisiert. Die subklinische Hypothyreose ist dagegen gekennzeichnet durch
ein isoliert erhöhtes basales Serum-TSH (TSH >4,0 mU/l), während die peripheren
Schilddrüsenfunktionswerte im Normalbereich liegen. Die Bezeichnung „milde Hypothyreose”
würde diese klinisch und laborchemisch gering ausgeprägte Form der subklinischen
Schilddrüsenunterfunktion besser umschreiben (Abb. [1]).
Abb. 1 Verschiedene Stadien der Schilddrüsenfunktion: Euthyreose, subklinische und manifeste
Hyper- und Hypothyreose unterschiedlicher Genese [4].
Aufgrund aktueller Daten aus den USA ist davon auszugehen, dass künftig der obere
Grenzwert des Serum-TSH auf 2,5 mU/l gesenkt werden muss, da mehr als 95 % von
nach strengen Kriterien untersuchten gesunden euthyreoten freiwilligen Probanden
Serum-TSH-Werte zwischen 0,4 und 2,5 mU/l (Abb. [2]) aufweisen. Die endgültige Diskussion zur Senkung des Serum-TSH-Wertes ist noch
nicht abgeschlossen und muss langfristig durch prospektive randomisierte klinische
Studien vor allem im Hinblick auf die Therapieindikation der subklinischen Hypothyreose
belegt werden [4].
Abb. 2 Wie sind die gemessenen TSH-Werte klinisch zu interpretieren [6]? Neuer Referenzbereich des Serum-TSH, neue Therapiezielbereiche mit Levothyroxin
(TPO-Antikörper = Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase).
Für die manifeste Hypothyreose liegt die Prävalenz mit 0,1-1,5 % niedrig. Hingegen
beträgt die weltweite Prävalenz der subklinischen Hypothyreose zwischen 1 und
10 %. Die höchsten alters- und geschlechtsspezifischen Raten werden bei älteren
Frauen (Alter > 60 Jahre) mit bis zu 20 % angegeben. Die zuletzt zitierte Studie
aus Colorado [1] hat ergeben, dass die Prävalenz der subklinischen Hypothyreose bei Männern über
74 Jahren bei 16 % lag und damit vergleichbar hoch zu der Population gleichaltriger
Frauen mit 21 % angenommen werden muss [1]. Der überwiegende Teil (75 %) der Patienten weist nur geringgradig erhöhte Serum-TSH-Werte
auf (5-10 mU/l), 50-80 % der untersuchten Patienten haben gleichzeitig positive
Antikörper-Titer gegen die Schilddrüsenperoxidase (Anti-TPO-Antikörper).
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kurzgefasst: Aufgrund aktueller Daten wird diskutiert, die obere Normgrenze des Serum-TSH
von 4,0 mU/l auf 2,5 mU/l zu senken. Ab hier ist zumindest eine milde Hypothyreose
zu diagnostizieren.
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Ursachen der Hypothyreose
Ursachen der Hypothyreose
Die häufigste Ursache für die Entwicklung einer Schilddrüsenunterfunktion sind
Autoimmunprozesse der Schilddrüse (Tab. [1]). Im Vordergrund steht hier die Autoimmunthyreoiditis in ihrer hypertrophen
Form (Autoimmunthyreoiditis Hashimoto) oder ihrer in Deutschland überwiegend
gefundenen atrophischen Form. Selten verläuft die Autoimmun-Hyperthyreose Morbus
Basedow langfristig als destruktive Autoimmunthyreoiditis und führt dann auch
zur Hypothyreose [8]. Eine wichtige Form der überwiegend passager verlaufenden Hypothyreose ist die
Post-partum-Thyreoiditis. Iatrogene Ursachen einer Hypothyreose sind Schilddrüsen-Operation,
131-Radio-Jod-Therapie sowie auch externe Bestrahlungen im Halsbereich und die
Schilddrüsenfunktion dämpfende Medikamente (antithyreoidale Medikamente, Jod in
hoher Dosierung, Amiodaron, Lithium, verschiedene Zytokine).
Tab. 1 Ursachen der Hypothyreose.
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kurzgefasst: Die häufigste Ursache für die Entwicklung einer Schilddrüsenunterfunktion sind
Autoimmunprozesse der Schilddrüse.
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Klinik
Klinik
Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung ist die eingehende Befragung nach
klinischen Beschwerden einer Hypothyreose sehr wichtig. Im Vordergrund stehen
hier vor allem eine vermehrte Müdigkeit bzw. Antriebslosigkeit, eine Neigung zum
Frieren und zur Gewichtszunahme (Abb. [3]), häufig bestehen eine Obstipation, trockene Haut und vermehrter Haarausfall.
Zyklusanomalien, ein unerfüllter Kinderwunsch bei jüngeren Frauen sollten ebenfalls
an die Möglichkeit einer Hypothyreose denken lassen. Wenngleich eindeutige klinische
Beschwerden häufiger erst bei manifester Hypothyreose auffällig werden, sind bei
genauer Befragung und Untersuchung auch schon bei der subklinischen Schilddrüsenunterfunktion
klinische Auffälligkeiten erfassbar (Tab. [2]). Vor allem bei älteren Patienten (älter als 60-70 Jahre) ist eine Oligo- bis
Monosymptomatik der Hypothyreose typisch (s.unten).
Abb. 3 Oben: 68-jährige Patientin mit manifester Hypothyreose: Depressiv verstimmte Patientin
mit Adipositas, typischem fahlgelbem Hautkolorit und teigiger Schwellung der Haut
bei manifester Hypothyreose. Mitte: Atrophische, nahezu „schwarze” Schilddrüse
im Schilddrüsensonogramm. Unten: Typische Zytologie mit T-lymphozytärem Infiltrat
(Feinnadelaspirat der Schilddrüse).
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kurzgefasst: Zur Erfassung klinischer Beschwerden ist eine genaue Befragung nach Symptomen
der Hypothyreose notwendig.
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Diagnostik
Diagnostik
Labordiagnostik
Zum Ausschluss bzw. Nachweis einer Hypothyreose bei Autoimmunthyreoiditis ist
die Bestimmung des Serum-TSH-Wertes zwingend erforderlich (Abb. [4]). Bei Serum-TSH-Werten > 4 mU/l, orientiert an den bisher gültigen oberen
Normwerten, ist von einer hypothyreoten Stoffwechsellage auszugehen. Wie einleitend
bereits ausgeführt wurde, wird gegenwärtig aufgrund aktueller Daten diskutiert,
inwieweit die obere Normgrenze des Serum-TSH-Wertes niedriger, bei 2,5 mU/l anzusetzen
ist und bereits hier eine Hypothyreose diagnostiziert werden sollte [4]. Bei pathologischem Befund des Serum-TSH muss der freie Thyroxin-Wert (fT4) ermittelt werden, liegt dieser im Normbereich, besteht eine subklinische
Hypothyreose, bei erniedrigtem fT4 besteht eine manifeste Hypothyreose. Die ergänzende
Bestimmung des Serum-T3 bzw. freien T3 (fT3) wird zur Diagnose der Hypothyreose
nicht notwendig, da selbst bei hypothyreoter Stoffwechsellage die Konversion von
T4 zu T3 fortbesteht. Daher können durchaus normale Werte des T3 bei schon gestörter
Stoffwechsellage gefunden werden, und es wird mit der Bestimmung dieses Parameters
keine zusätzliche diagnostische Sicherheit gewonnen. Zum Nachweis der Autoimmunthyreoiditis
müssen positive Antikörpertiter gegen die Schilddrüsenperoxidase (Anti-TPO-Antikörper, über 90 % positive Titer bei Autoimmunthyreoiditis)
nachgewiesen werden (Abb. [4]); die Thyreoglobulin-Antikörperbestimmung spielt eine untergeordnete Rolle und
ist zur Diagnose der Autoimmunthyreoiditis nicht notwendig. Differentialdiagnostisch
kann eine Autoimmunhyperthyreose Basedow durch die Bestimmung der TSH-Rezeptor-Antikörper abgegrenzt werden [2]
[3] [7].
Abb. 4 Rationale und rationelle Diagnostik der Hypothyreose, ausgehend von der Bestimmung
des Serum-TSH-Wertes.
Sonographie
Ergänzend zur klinischen Untersuchung und Labordiagnostik ist eine sonographische Untersuchung der Schilddrüse durchzuführen. Bei Diagnose einer Autoimmunthyreoiditis findet sich in der Regel
eine inhomogene echoarme, in fortgeschrittenen Stadien völlig echofreie „schwarze”
Echostruktur. In Deutschland wird überwiegend die atrophische Form der Autoimmunthyreoiditis
sonographisch diagnostiziert.
Tab. 2 Wichtige klinische Symptome der Hypothyreose.
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- Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Kräfteverfall
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- Vermehrtes Frieren
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- Gewichtszunahme
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- Obstipation
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- Zyklusirregularität (unerfüllter Kinderwunsch)
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- Trockene Haut, Haarausfall
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- Gesichtsschwellungen
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- Verwirrtheit, Depressionen, Apathie (älterer Patient)
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Beachte: Langsame Krankheitsentwicklung (Oligo-, Monosymptomatik) im Alter.
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Bei typischer Konstellation der Labor- und sonographischen Ergebnisse ist die
Diagnose der Autoimmunthyreoiditis gesichert. Eine ergänzende zytologische Untersuchung
mittels einer Feinnadelpunktion der Schilddrüse in der klinischen Diagnostik ist
nicht erforderlich und ergibt keine neuen Konsequenzen für die Therapieentscheidung
(Abb. [3] Mitte).
Auf die notwendige ausführliche endokrine Funktionsdiagnostik bei sekundärer (hypothalamisch-hypophysärer)
Hypothyreose wird hier nicht eingegangen und auf die entsprechende Literatur [2] verwiesen. Wichtige Parameter zur Beurteilung der Thyroxinwirkung sind die Klinik,
fT3 und fT4, Cholesterin sowie in manchen Fällen auch eine Anämie („endokrine“
Anämie).
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kurzgefasst: Bei typischer Konstellation der Ergebnisse der Laboruntersuchungen und der
Sonographie ist die Autoimmunthyreoiditis gesichert.
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Hypothyreose im höheren Lebensalter, kardiale Begleiterkrankungen
Hypothyreose im höheren Lebensalter, kardiale Begleiterkrankungen
Im höheren Lebensalter sind die Symptome der Hypothyreose uncharakteristisch (Oligo-
bzw. Monosymptomatik). Nicht selten stehen eine Verschlechterung der kognitiven
Leistungen, Gedächtsnisstörungen, Verwirrtheit bzw. depressive Verstimmung im
Vordergrund, die mit normalen Alterungsprozessen verwechselt werden. Darüber hinaus
überschneiden sich die Symptome der Schilddrüsenfunktionsstörungen nicht selten
mit Beschwerden aus nicht-thyreoidalen Begleiterkrankungen. Die langsame Entwicklung
vor allem der Altershypothyreose erschwert darüber hinaus die Interpretation der
klinischen Befunde [6]. Schließlich ist zu bedenken, dass beim älteren Patienten (>60 Jahre) die
Obergrenze der Referenzbereiche der Schilddrüsenhormone im Serum um ca. 15-20
% nach unten korrigiert werden muss. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die
neue Definition der oberen Normgrenze des Serum-TSH mit 2,5 mU/l zusätzlich zu
beachten und bei der Interpretation der Diagnostik und der Therapieempfehlung
zu berücksichtigen. Darüber hinaus nehmen verschiedene Medikamente (z. B.
Heparin, Acetylsalicylsäure, Furosemid) durch Verdrängung aus der Proteinbindung
Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion.
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kurzgefasst: Bei älteren Patienten sind die Symptome einer Hypothyreose uncharakteristisch
und können mit normalen Alterungsprozessen verwechselt werden.
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Kombination der Autoimmunthyreoiditis mit anderen Autoimmunendokrinopathien
Kombination der Autoimmunthyreoiditis mit anderen Autoimmunendokrinopathien
Insbesondere die Kombination eines Typ-1-Diabetes mellitus mit einer Autoimmunthyreoiditis ist ein häufiges klinisches Problem. Patienten
mit einer Autoimmunendokrinopathie sollten mindestens einmal jährlich bezüglich
der Entwicklung einer Autoimmunthyreoiditis untersucht werden (Bestimmung des
Serum-TSH sowie der TPO-Antikörper, Sonographie der Schilddrüse). Die Stoffwechselsituation
des Typ-1-Diabetikers kann durch eine sich entwickelnde Hypothyreose so beeinflusst
werden, dass sich eine klinisch relevante und gefährliche Neigung zu Hypoglykämien
ergibt. Daher muss die Schilddrüsenfunktion bei dieser Patientengruppe sorgfältig
und regelmäßig überprüft und schon bei milder Hypothyreose eine Substitutionstherapie
mit Levothyroxin eingeleitet werden. Es ist dringend erforderlich, verbindliche
Vorgaben für das Screening bei Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus und anderen
Autoimmunendokrinopathien vorzugeben [5], inbesondere auch im Hinblick auf die Entwicklung einer Autoimmunthyreoidits
und Hypothyreose.
Auch andere Kombinationen organspezifischer Autoimmunprozesse (s. Kasuistik Seite
1569) sind - wenn auch seltener - beschrieben worden [2], z. B. Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Addison (Schmidt-Syndrom).
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kurzgefasst: Vor allem bei Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus muss einmal jährlich diagnostisch
die Entwicklung einer Autoimmunthyreoiditis mit Hypothyreose überprüft werden.
Nur so kann eine schwerwiegende Hypoglykämieneigung bei sich entwickelnder subklinischer
und manifester Hypothyreose vermieden werden.
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Wann sind Screening-Untersuchungen indiziert?
Wann sind Screening-Untersuchungen indiziert?
Insbesondere bei Risikogruppen für die Entwicklung einer Autoimmunthyreoiditis,
Patienten mit anderen Autoimmunendokrinopathien, z. B. Typ-1-Diabetes mellitus,
sowie bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr sind Screening-Untersuchungen zum Nachweis
bzw. Ausschluss einer Autoimmunthyreoidits und Hypothyreose dringend zu empfehlen
(Bestimmung von Serum-TSH).
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma
haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt.