Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(28/29): 1569
DOI: 10.1055/s-2004-828991
CME
Endokrinologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypothyreose - Der konkrete Fall

Hypothyroidism - Case reportO.-A Müller1 , P.-M Schumm-Draeger2
  • 12. Med. Abt. Rotkreuzkrankenhaus, München
  • 23. Med. Abteilung, Krankenhaus München-Bogenhausen
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Prof. Dr. med. O.-A. Müller

2. Med. Abt. Rotkreuzkrankenhaus

Nymphenburger Straße 163

80634 München

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Fax: 089/13032524

Email: oa.mueller@swmbrk.de

Publication History

eingereicht: 6.5.2004

akzeptiert: 28.6.2004

Publication Date:
28 September 2004 (online)

Table of Contents #

Hypothyreose

Bei einer damals 19-jährigen Patientin wurde vor 26 Jahren eine subklinische Hypothyreose gesichert mit noch normalen peripheren Schilddrüsenhormonparametern (Gesamt-T4 10 µg/dl, Gesamt-T3 116 ng/dl), aber einem erhöhten TSH-Spiegel (5,6 mU/l). Schilddrüsenantikörper gegen die Schilddrüsen-Peroxidase (mikrosomale Antikörper) und gegen Thyreoglobulin waren über Jahrzehnte nachweisbar, TSH-Rezeptor-Antikörper dagegen niemals positiv. Die Patientin zeigte den typischen Verlauf einer Hashimoto-Thyreoiditis mit Hypothyreose und steigendem Schilddrüsenhormonbedarf über Jahre. Die Substitutionsdosis entspricht nach 26 Jahren praktisch einer vollen Substitution bei Athyreose mit 200 µg Thyroxin/Tag. Bei der letzten Kontrolle wurde unter dieser Therapie ein normalisiertes basales TSH (0,8 mU/l) gemessen.

Histologisch wurde die Diagnose „Autoimmunthyreoiditis” gesichert durch eine Probeexzision im Rahmen einer Thymus-Operation bei Myasthenia gravis (s. u.). Das entnommene Schilddrüsengewebe war mit lymphatischem Gewebe durchsetzt.

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Myasthenia gravis

Vor 27 Jahren bemerkte die Patientin zunehmende belastungsabhängige Muskelschwäche und intermittierend auftretende Doppelbilder. Durch einen positiven Ausfall eines Tensilon- (Cholinesterase-Hemmer)-Tests und durch erhöhte Antikörper gegen den Acetylcholin-Rezeptor wurde eine Myasthenia gravis nachgewiesen. Ein Thymom bzw. Skelettmuskel-Antikörper waren nicht nachweisbar. Allerdings fand sich bei der Operation mit Entfernung von Thymusrestgewebe ein für das Alter relativ großer Thymusrest. Die Myasthenia ist behandlungsbedürftig, die Patientin nimmt regelmäßig Pyridostigmin ein.

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Morbus Werlhof

Gleichzeitig mit der Hashimoto-Thyreoiditis wurde eine Thrombozytopenie bemerkt, nachdem eine Makrohämaturie eingetreten war. Auch wurde häufigeres Nasenbluten beobachtet. Der Rumpel-Leede-Test war deutlich positiv. Die Thrombozytenzahl lag zwischen 20 000 und 30 000/µl. Die Annahme eines Autoimmunprozesses (M. Werlhof) wurde durch eine vermehrte Megakaryopoese im Knochenmark sowie eine deutlich vermehrte IgG-Beladung der autologen Thrombozyten und durch einen deutlichen Thrombozytenanstieg unter einer Glukokortikoidtherapie gesichert. Der Morbus Werlhof hat über mehr als 25 Jahre nicht zu schwerwiegenderen Komplikationen geführt. Die Patientin hat einen gesunden Sohn, der jetzt 16 Jahre alt ist.

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Antikörper gegen die Parietalzellen des Magens

Schließlich wurden auch Antikörper gegen die Parietalzellen des Magens nachgewiesen, es fanden sich auch massiv erhöhte Gastrinspiegel sowie eine Anazidität in der Magensekretionsanalyse nach Pentagastrinstimulation. Zusätzlich zur Anazidität besteht seit Jahren auch eine perniziöse Anämie, die mit Vitamin B12 substituiert wird. Mehrere Gastroskopien haben einen unauffälligen Befund der Magenschleimhaut ergeben. Zusätzlich fanden sich konstant niedrige Leukozytenwerte zwischen 2000 und 3000/µl mit einer Granulozytopenie von 40-50 rel. %. Im Knochenmark fand sich dagegen kein wesentlicher pathologischer Befund, der Nachweis von Leukozytenantikörpern gelang nicht.

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Fazit

Insgesamt dürfte es sich um eine Polyendokrinopathie Typ II mit allerdings seltenen Kombinationen von organspezifischen Autoimmunerkrankungen handeln [1].

Die Kasuistik dokumentiert die Notwendigkeit, bei Erfassung einer organspezifischen Autoimmunerkrankung nach anderen Autoimmunprozessen zu fahnden. Der Patientin geht es unter der Substitutionstherapie auch 27 Jahre nach der Erstdiagnose dieser Kombination von organspezifischen Autoimmunerkrankungen gut [2]. Ein Typ-1-Diabetes mellitus wurde in dem langjährigen Verlauf nicht nachgewiesen.

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Literatur

  • 1 Eisenbarth G F, Gottlieb P A. Autoimmune polyendocrine syndromes.  N Engl J Med. 2004;  350 2068-2079
  • 2 Müller O A, Horn K, Schramm W, Scriba P C, Thoenes G. Eine seltene Kombination organspezifischer Autoimmunerkrankungen.  Verh Dtsch Ges Inn Med. 1980;  86 1472-1475

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Literatur

  • 1 Eisenbarth G F, Gottlieb P A. Autoimmune polyendocrine syndromes.  N Engl J Med. 2004;  350 2068-2079
  • 2 Müller O A, Horn K, Schramm W, Scriba P C, Thoenes G. Eine seltene Kombination organspezifischer Autoimmunerkrankungen.  Verh Dtsch Ges Inn Med. 1980;  86 1472-1475

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