Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(22): 1256-1259
DOI: 10.1055/s-2004-826860
CME
Chirurgie/Kardiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Präoperative kardiovaskuläre Risikoeinschätzung - Diagnostik

Preoperative cardiovascular risk evaluation - diagnosticsB. Cremers1 , C. Maack1 , M. Böhm1
  • 1Klinik für Innere Medizin III (Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin), Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
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Dr. med. Bodo Cremers

Klinik für Innere Medizin III, (Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin), Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg/Saar

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Fax: 06841/1623369

Email: cremers@med-in.uni-sb.de

Publication History

eingereicht: 28.4.2004

akzeptiert: 17.5.2004

Publication Date:
21 July 2004 (online)

Table of Contents

Die präoperative Risikoeinschätzung und Diagnostik hat nicht das primäre Ziel, einen Patienten als „operabel” oder „nicht operabel” zu klassifizieren, sondern die perioperative Morbidität und Sterblichkeit zu senken. Die wichtigsten perioperativen Risikofaktoren sind Herz-Kreislauferkrankungen. Diese sind präoperativ oft in einem vertretbaren Zeitraum zu diagnostizieren und zu behandeln.

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Erkennen des Risikopatienten

Das perioperative Risiko wird durch vorbestehende Erkrankungen des Patienten sowie die Art des operativen Eingriffes bestimmt. Man spricht daher von patienten- bzw. operationsspezifischen Faktoren.

Tab. 1 Risikogruppen der American Society of Anesthesiology (ASA).

I

gesund, keine Medikamenteneinnahme

II

geringe Gesundheitsstörung ohne Einschränkung und Medikamentenpflichtigkeit

III

medikamentenpflichtige Gesundheitsstörung, geringe Einschränkung der Aktivität

IV

schwere Gesundheitsstörung, dauerhafte schwere Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit

V

moribund, Lebenserwartung < 24 h

VI

Notfalleingriffe unabhängig von I-V

Modifiziert nach American Society of Anesthesiology (ASA)

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Risikogruppen

Um eine rasche klinische Klassifikation von Risikogruppen vorzunehmen, hat sich die Einteilung von Grad I bis VI der American Society of Anesthesiology bewährt (Tab. [1]). Ihr liegt die klinische Ausprägung möglicherweise vorliegender Gesundheitsstörungen zugrunde. Da mit dem Lebensalter die Inzidenz von Herz-Kreislauferkrankungen steigt, hat das American College of Cardiology in Zusammenarbeit mit der American Heart Association (ACC/AHA) Leitlinien für die perioperative Risikoevaluation entwickelt. Hier werden kardiale Risikofaktoren basierend auf systematischen Evaluierungen in großen Patientenkollektiven in drei Risikoklassen einteilt [1] [2] (Tab. [2]).

Tab. 2 Patientenspezifisches Risiko (modifiziert nach [1] [2]).

geringes Risiko

mäßiges Risiko

hohes Risiko

fortgeschrittenes Alter

milde Angina Pectoris

instabiles Koronarsyndrom

EKG-Abnormalitäten

vorheriger Myokardinfarkt

dekompensierte Herzinsuffizienz

andere Rhythmen außer Sinusrhythmus

kompensierte oder frühere Herzinsuffizienz

schwerwiegende Arrhythmien

geringe Funktionelle Kapazität

Diabetes mellitus

Schlaganfall in der Anamnese

schlecht eingestellte arterielle Hypertonie

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Operationsspezifisches Risiko

Mit dem Lebensalter steigt nicht nur die Inzidenz von Herz-Kreislauferkrankungen, sondern auch die Häufigkeit eines operativen Eingriffes. Zusätzlich zu den patientenabhängigen Faktoren bestimmen Invasivität und Dauer des operativen Eingriffes das Auftreten perioperativer Komplikationen [3] [4]. ACC und AHA haben unter Berücksichtigung der gesamten vorliegenden Literatur chirurgische Eingriffe hinsichtlich ihres Risikos analysiert und eine operationsspezifische Risikoeinteilung entwickelt [1] [2] (Tab. [3]). Es hat sich gezeigt, dass sowohl große vaskuläre Eingriffe als auch Operationen von langer Dauer oder mit ausgeprägten Flüssigkeitsverschiebungen das höchste kardiovaskuläre Risiko bergen.

Tab. 3 Operationsspezifisches Risiko (modifiziert nach [1] [2]).

geringes Risiko

mäßiges Risiko

hohes Risiko

endoskopische und oberflächliche Eingriffe

Carotis-Endarterektomie

Eingriffe an Aorta, andere große Gefäßoperationen sowie an peripheren Gefäßen

Katarakt-OP

Kopf- und Halschirurgie

langanhaltende Operationen mit großem „Volumenshift” und/oder Blutverlust

Brust-Chirurgie

intraperitoneale, intrathorakale und orthopädische Eingriffe sowie Prostatachirurgie

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Punktesysteme zur Risikoeinschätzung

In den letzten 20 Jahren wurden unter Zuhilfenahme der verfügbaren Literatur und von mathematisch statistischen Berechnungsverfahren (Wahrscheinlichkeitstheorie) zahlreiche Klassifizierungen des perioperativen Risikos nach Punktesystemen eingeführt und kontinuierlich weiterentwickelt [5-11]. Symptome oder Befunde, die statistisch mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden sind, erzielen einen hohen Punktewert. Einer der ersten kardialen Risikoindices ist der von Goldman et al. 1977 entwickelte, welcher in den folgenden Jahren mehrfach reevaluiert und modifiziert wurde [6-10] (Abb. [1]A). Aus diesem Punktesystem geht z. B. hervor, dass die koronare Herzerkrankung das perioperative Risiko besonders stark beeinflusst. Neben spezifischen Vorerkrankungen gehen aber auch Faktoren wie schlechter Allgemeinzustand, Alter und die Tatsache, ob es sich um eine Notfalloperation handelt, in die Bewertung mit ein. Die Operationsletalität bei 0 - 5 Punkten beträgt etwa 1 % bei Patienten über 40 Jahre. Bei 6 - 12 Punkten ist mit einer 3 %igen Letalität zu rechnen, bei 13 - 15 Punkten mit 15 % und bei über 26 Punkten mit ca. 30 % [6]. Lee et al. 1999 vereinfachten den von Goldman erstellten Risikoindex. Es zeigte sich, dass durch die anamnestische bzw. laborchemische Erhebung der in Abb. [1]B aufgelisteten Risikofaktoren ein einfaches 6-Punkte System ausreicht, um das perioperative Risiko eines Patienten adäquat abzuschätzen [11]. Patienten mit 0, 1, 2 oder 3 Risikofaktoren haben demnach ein geschätztes perioperatives Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen von 0,4, 0,9, 6,6 bzw. 11,0 %.

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Abb. 1 A) Goldman-Klassifikation der präoperativen Risikobeurteilung. VES = ventrikuläre Extrasystolen (modifiziert nach Goldman et al., 1977, 1978, 1988, 1994). B) Unabhängige Prädiktoren eines erhöhten perioperativen Risikos (modifiziert nach Lee et al., 1999).

Obwohl das individuelle Risiko sich natürlich von diesen statistischen Abschätzungen deutlich unterscheiden kann, ist festzuhalten, dass die koronare Herzkrankheit, eine manifeste Herzinsuffizienz und die Aortenstenose zu den wichtigsten Risikofaktoren für perioperative Komplikationen zählen.


kurzgefasst: Für die präoperative Risikoeinschätzung gibt es klinische Prädiktoren und operationsspezifische Risiken. Deren Zuordnung lässt sich anhand von Leitlinien entsprechender Fachgesellschaften treffen.

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Spezifische perioperative Risiken kardiovaskulärer Erkrankungen

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Koronare Herzkrankheit

Die koronare Herzkrankheit ist eine Hauptursache perioperativer Komplikationen. Das perioperative Risiko für Komplikationen steigt bei Patienten, die bereits einen Myokardinfarkt erlitten haben um 10 - 50 % an [12]. Manche Autoren berichten von einer Letalität des perioperativen Reinfarktes von 23 - 50 % [4]. Charakteristisch für den perioperativen Reinfarkt ist, dass das Risiko des Auftretens und die Letalität um so höher ist, je kürzer der Myokardinfarkt zurückliegt. Typischerweise treten mehr als 90 % der Reinfarkte innerhalb der ohnehin kritischen ersten 48 h postoperativ auf [13]. Zur Pathogenese perioperativer Myokardischämien tragen Sympathikusstimulation mit erhöhter Herzfrequenz durch Schmerzreize sowie Blutdruckschwankungen bei größeren abdominellen oder thorakalen Eingriffen bei. Auch die perioperativ veränderte Hämostase mit erhöhter Thrombozytenaggregation oder Vasospasmen durch Aktivierung humoraler Substanzen und Mediatoren spielen eine Rolle. Die Anästhesieverfahren selbst haben wohl eher einen geringen Einfluss [13]. Neben Patienten mit einer manifesten koronaren Herzerkrankung sollen auch Patienten, die ein erhöhtes Risiko tragen und bei denen eine KHK bisher klinisch stumm verlaufen ist (Diabetiker!), erkannt werden. Bei der präoperativen Anamnese ist daher neben der Frage nach Angina pectoris-Beschwerden insbesondere auf die bekannten Risikokonstellationen wie Zigarettenrauchen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Adipositas sowie eine positive Familien-anamnese zu achten. Ergibt sich hieraus der Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung, empfiehlt sich eine weitergehende Diagnostik.

Bei älteren Patienten gehört das Ruhe-EKG zur Diagnostik. Bei beschwerdefreien Patienten unter 40 Jahren ohne Risikofaktoren ist es verzichtbar. Ist die Beschwerdesymptomatik nicht eindeutig und liegen Risikofaktoren vor, sollte auch bei jüngeren Patienten vor einer Vollnarkose ein EKG angefertigt werden. Die ACC/AHA Leitlinien [1] [2] empfehlen ein EKG bei asymptomatischen Männern mit ³2 kardiovaskulären Risikofaktoren bereits ab 45 Jahren, bei Frauen erst ab einem Alter von 55 Jahren. Das Röntgenbild des Thorax ist wichtig zur Beurteilung der kardiopulmonalen Verhältnisse im Rahmen einer Herzinsuffizienz (Lungenstauung, Herzgröße) oder bei pulmonalen Erkrankungen. Es ist ungeeignet zur Identifizierung einer koronaren Herzerkrankung.

Bei den meisten Patienten mit dem Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung ist das Belastungs-EKG das Verfahren der Wahl. Es erlaubt durch Veränderungen des EKG und der Hämodynamik sowie die unter Belastung auftretenden Beschwerden eine Identifizierung von myokardialen Ischämien und die Beurteilung der funktionellen Kapazität des Patienten. Wenn bei Patienten aufgrund orthopädischer Behinderungen, einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder Nicht-Verwertbarkeit des EKGs (z.B. Schenkelblockbilder, Hypokaliämie, Herzglykosidtherapie oder ausgeprägte Myokardhypertrophie) eine Ergometrie nicht sinnvoll ist, sollte eine pharmakologische Stress-Testung durchgeführt werden. Die beiden häufigsten Methoden zur nicht-invasiven Ischämiediagnostik sind Dobutamin-Stressechokardiographie (DSE) und Dipyridamol-Thallium-Myokardszintigraphie. Pharmakologische Belastungstests beruhen auf der Induktion von koronaren Steal-Syndromen (z. B. Dipyridamol, Adenosin) oder auf einer Steigerung des Sauerstoffverbrauches durch positiv inotrope Substanzen (z. B. Dobutamin).

Ergibt sich aus den nicht-invasiven diagnostischen Maßnahmen der dringende Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung, ist eine invasive Koronarangiographie indiziert. Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Postinfarktangina sollten ohne vorherige nicht-invasive (Belastungs-)maßnahmen der Angiographie zugeführt werden. Grundsätzlich entsprechen die Indikationen für eine präoperative Koronarangiographie denen für die Angiographie ohne nachfolgende Operation. Eine Ausnahme ist ein kürzlich durchgemachter Infarkt. Da innerhalb der ersten 3 Monate nach einem Infarkt das perioperative Reinfarktrisiko besonders hoch ist, ist bei solchen Patienten die Indikation zur Angiographie großzügiger zu stellen.

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Arterielle Hypertonie

Das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie ist von großer Bedeutung: Zum einen ist eine arterielle Hypertonie eng mit dem Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung verknüpft. Zum anderen prädisponieren perioperative hypertensive Phasen zu myokardialen Ischämien. Da perioperative Ischämien ein Prädiktor für kardiovaskuläre Komplikationen sind, ist die effektive Behandlung einer Hypertonie zur perioperativen Risikoreduktion essentiell. Eine nicht effiziente Analgesie und die Unterbrechung oder Verminderung einer präoperativ bestehenden antihypertensiven Therapie sind häufige Ursachen für krisenhafte Blutdruckanstiege in der perioperativen Phase.

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Herzinsuffizienz

Nur ein geringer Prozentsatz von Patienten mit Herzinsuffizienz wird von Kardiologen oder Internisten/Allgemeinärzten betreut. Ein größerer Anteil leidet unter einer nicht diagnostizierten oder nicht ausreichend behandelten Herzinsuffizienz; man spricht vom so genannten „Eisbergphänomen” [14]. Dies ist ein Problem, da die Prävalenz dieses Syndroms, aber auch die Häufigkeit und die Invasivität von Operationen, mit dem Alter deutlich zunehmen. Neben der koronaren Herzkrankheit ist die Herzinsuffizienz ein wichtiger Risikofaktor für perioperative Komplikationen. Patienten mit Zeichen der manifesten Herzinsuffizienz (Ödeme, dritter Herzton, Halsvenenstauung, verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (<35 %), verminderte Belastungstoleranz) haben eine bis zu 20 %ige Letalität bei größeren nicht-kardialen Eingriffen. Insbesondere drei perioperative Faktoren gefährden herzinsuffiziente Patienten. Zum einen führt die Narkose durch die verabreichten Anästhetika oft zu negativ inotropen Effekten mit der Folge bedrohlicher Blutdruckabfälle. Bei ausreichender Narkosetiefe kann der Blutdruck nicht aufrecht erhalten werden. Zum anderen birgt die dann oft notwendige intravenöse Volumengabe zur Aufrechterhaltung der Nierenfunktion die Gefahr eines Lungenödems. Der dritte wesentliche Faktor ist die perioperative Aktivierung des sympathischen Nervensystems durch Schmerzreize: Das Herzfrequenzspektrum verschiebt sich hin zu höheren Frequenzen - es drohen Pumpversagen und Lungenödem. Bedrohliche tachykarde Rhythmusstörungen (anhaltende oder nicht-anhaltende Kammertachykardien) und Myokardinfarkte sind v.a. in der frühen postoperativen Phase eng mit einer höheren Herzfrequenz assoziiert [8].

Die Anamnese hat in der Diagnostik der Herzinsuffizienz eine besondere Bedeutung. Eine Belastungseinschränkung wird nach Grad I-IV der NYHA( = New York Heart Association)-Klassifikation eingeteilt. Bei der körperlichen Untersuchung sind pulmonale Rasselgeräusche und periphere Ödeme wegweisend. Das EKG zeigt bei der chronischen Herzinsuffizienz keine spezifischen Zeichen. Blockbilder, Extrasystolen, Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie sowie Hinweise für abgelaufene Myokardinfarkte können jedoch auf eine kardiale Grunderkrankung mit der möglichen Folge einer Herzinsuffizienz hinweisen. Die Sensitivität einer Röntgen-Thoraxuntersuchung zur Diagnose einer Herzinsuffizienz ist relativ gering und sollte nur bei klinischem Verdacht auf einen die Therapie beeinflussenden Befund durchgeführt werden. Eine Routine-„Thoraxuntersuchung” ist obsolet. Die Echokardiographie hingegen ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem mit besonders hoher Sensitivität und Spezifität Pumpfunktionsstörungen und Klappenerkrankungen (s. u.) diagnostiziert werden können [15].

Seit kurzer Zeit steht mit der (mittlerweile auch als Serum-Schnelltest verfügbaren) Bestimmung des natriuretischen Peptids NT-proBNP (N-terminal pro-brain natriuretic peptide) ein diagnostischer Marker für die Herzinsuffizienz zur Verfügung. Dies wird auch in den aktuellen Leitlinien der europäischen und amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaften erstmals erwähnt [16] [17]. NT-proBNP zeichnet sich besonders durch eine hohe Sensitivität und einen hervorragenden negativ prädiktiven Wert bei Feststellung einer Herzinsuffizienz aus. Bei Werten im Referenzbereich kann somit eine Herzinsuffizienz mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden. Da nicht überall die Möglichkeit zur Echokardiographie gegeben ist (viele Notfallambulanzen), kann die Bestimmung des NT-proBNP zur ersten Unterscheidung zwischen kardial und nicht-kardial bedingter Luftnot in Erwägung gezogen werden [18]. Bei deutlich erhöhten Plasmawerten (z.B. >100 pg/ml) sollte der Patient einer weiterführenden kardialen Diagnostik zugeführt werden. Der Stellenwert dieses neuen diagnostischen Verfahrens in der präoperativen Routinediagnostik ist jedoch noch Gegenstand von Studien und sollte aufgrund der bisher erst geringen Erfahrung im Umgang mit diesem Surrogatparameter der Herzinsuffizienz bis zum Vorliegen der Ergebnisse nicht überbewertet werden.

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Klappenerkrankungen

Die Risikobeurteilung von Patienten mit Herzklappenfehlern ist von Typ und Schweregrad der Klappenerkrankung abhängig. Die symptomatischen Herzklappenstenosen sind mit einem besonders hohen perioperativen Risiko assoziiert.

Unter den Herzklappenerkrankungen trägt die Aortenstenose am meisten zur Erhöhung des perioperativen Risikos bei. Die Aortenklappenstenose ist - in der westlichen Welt - die häufigste Herzklappenerkrankung und liegt bei 2 -9 % aller Erwachsenen über 65 Jahren vor. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter und ist bei Männern höher als bei Frauen [19]. Eine Aortenklappenstenose allein birgt ein 5fach erhöhtes Risiko für perioperative Komplikationen, der Schweregrad der Aortenklappenstenose korreliert mit dem perioperativen Risiko [20]. So erhöht sich bei einer gesicherten symptomatischen Aortenstenose mit einem relevanten Druckgradienten die perioperative Letalität um das 14fache [6] [7]. Klinische Leitsymptome sind Belastungsdyspnoe, Linksherzinsuffizienz, Angina pectoris und Synkopen. Treten Symptome auf, ist die Lebenserwartung bei Aortenstenose bereits deutlich reduziert.

Die größte Bedeutung in der präoperativen Diagnostik von Klappenerkrankungen hat die Echokardiographie. Mit ihr wird der Schweregrad des Vitiums erkannt. Außerdem können Folgen eines chronisch bestehenden Herzklappenfehlers, wie z. B. eingeschränkte Pumpfunktion, Myokardhypertrophie, linksatriale und linksventrikuläre Dilatation und pulmonale Hypertonie erkannt werden. Die Dopplerechokardiographie erlaubt zudem die nichtinvasive Bestimmung der Klappenöffnungsfläche sowie die Quantifizierung von Klappeninsuffizienzen.

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Herzrhythmusstörungen

Das Auftreten von Herzrhythmusstörungen in der perioperativen Phase weist auf eine kardiopulmonale Grunderkrankung, Elektrolytstörungen oder Medikamentennebenwirkungen hin und ist ein zusätzlicher Indikator für ein erhöhtes perioperatives Risiko [7] [21]. Ätiologisch müssen daher bei der Diagnostik von Rhythmusstörungen insbesondere Myokardinsuffizienz, KHK, Klappenerkrankungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Alkoholanamnese, Hypokaliämie, Hyperkaliämie, andere Elektrolytstörungen und evtl. auslösende Medikamente (Herzglykoside, Katecholamine, Inodilatatoren, trizyklische Antidepressiva, Lithium, Antiarrhythmika, Neuroleptika, β-Blocker, Kalziumantagonisten und andere Antihypertensiva) berücksichtigt werden. Letztlich können Rhythmusstörungen über eine Bradykardie oder Tachykardie hämodynamisch wirksam werden und somit selbst das perioperative Risiko erhöhen. Bei Tachykardien erhöht sich zum einen durch die vermehrte Herzarbeit der myokardiale Sauerstoffbedarf, während zum anderen durch die Verminderung der diastolischen Füllungszeit die koronare Durchblutung abnimmt. In gleicher Weise kann die Abnahme des Blutdrucks durch Bradykardien zu einer Verminderung der Koronardurchblutung führen.


kurzgefasst: Erst nach sorgfältiger Anamnese und körperlicher Untersuchung treten technische Untersuchungen hinzu. Ein EKG ist bei älteren Patienten und Vorliegen von Risikofaktoren sinnvoll. Bei Risikogruppen und bei Patienten mit Symptomen ist die Indikation zur Ergometrie großzügig zu stellen. Eine Röntgen-Thoraxuntersuchung ist als „Routineverfahren” nicht wegweisend. Die Echokardiographie ist ein hervorragendes Diagnoseverfahren zur Erkennung von Klappenerkrankungen und eingeschränkter Pumpfunktion. Langzeit-EKG und Langzeit-RR eignen sich im Einzelfall Analyse vorbestehender Herzrhythmusstörungen bzw. Blutdruckerhöhungen. Eine Koronarangiographie sollte nur durchgeführt werden, wenn die üblichen Indikationen erfüllt sind und sich mögliche therapeutische Konsequenzen hieraus ergeben. Die Beurteilung der „OP-Fähigkeit“ reicht als Indikation nicht aus!

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Ökonomische Gesichtspunkte

Bei der Veranlassung von invasiven und nicht-invasiven diagnostischen Maßnahmen sind zunehmend auch ökonomische Gesichtspunkte von Bedeutung. Es sollte daher auf eine rational begründete und mit kostengünstigen Untersuchungen beginnende Diagnostik gesteigerter Wert gelegt werden. Grundsätzlich sollten keine Untersuchungen angeordnet werden, die keine therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen.


kurzgefasst: Da die präoperative Diagnostik in zunehmendem Maße auch ökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat, sollten nur Maßnahmen ergriffen werden, die eine therapeutische Konsequenz nach sich ziehen.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

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Literatur

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Dr. med. Bodo Cremers

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Dr. med. Bodo Cremers

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Abb. 1 A) Goldman-Klassifikation der präoperativen Risikobeurteilung. VES = ventrikuläre Extrasystolen (modifiziert nach Goldman et al., 1977, 1978, 1988, 1994). B) Unabhängige Prädiktoren eines erhöhten perioperativen Risikos (modifiziert nach Lee et al., 1999).