Ernährung & Medizin 2003; 18(1): 3
DOI: 10.1055/s-2003-42200
Gasteditorial

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Gründung des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit

Klaus Pietrzik
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Publication Date:
04 December 2006 (online)

Die Einzelaktivitäten im Sinne einer optimalen Folsäure-Versorgung bündeln!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Folsäure führte lange ein Aschenputteldasein in der Vitaminforschung - bis vor etwa 10 Jahren ihr aussichtsreiches präventiv-medizinisches Potential von sich reden machte. Seitdem steht das B-Vitamin, dessen Name sich vom lat. folium = Blatt herleitet, im hellsten Rampenlicht seit seiner Entdeckung und Isolierung aus Spinat im Jahr 1941. Vielfältige Initiativen wollen seither die gewonnene Erkenntnis von den gesundheitsschützenden Effekten einer optimalen Folsäureversorgung in das praktische Ernährungs- und Supplementierungsverhalten der Bundesbürger implementieren. Die Bemühungen um Supplementierung gelten in erster Linie den Frauen, die schwanger werden wollen oder können, seit feststeht, dass eine tägliche Zufuhr von 400 μg Folsäure (beginnend spätestens vier Wochen vor der Konzeption) das heranreifende Kind vor Neuralrohrdefekten und Anenzephalien zu schützen vermag. Bei Frauen, die bereits ein Kind mit einer solchen Fehlbildung zur Welt gebracht haben und wieder schwanger werden möchten, sind entsprechend rechtzeitig 4 mg Folsäure pro Tag in Arzneiform erforderlich.

Unbeschadet der Tatsache, dass nicht nur in einem zivilisierten Land jeder Fall von Neuralrohrdefekt einer zu viel ist, hat sich seit Jahrzehnten an dem beklagenswerten Zustand einer mittelschweren Unterversorgung der Deutschen mit Folat wenig geändert. Wir sind noch längst nicht alle eifrige Grüngemüse-Esser à la Seemann Popeye - und werden es trotz aller five-a-day-Kampagnen offensichtlich in absehbarer Zeit auch nicht werden. Dabei ist mittlerweile gut belegt, dass auch die Allgemeinbevölkerung von einer zusätzlichen Folsäure-Zufuhr mit 400 μg pro Tag präventivmedizinisch profitieren kann: Das B-Vitamin senkt den Spiegel der Aminosäure Homocystein im Blut. Ein überhöhter Homocysteinspiegel gilt mittlerweile als ähnlich bedeutsamer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten wie ein zu hoher Cholesterinspiegel. In den USA hat sich die obligatorische Anreicherung von Mehl mit Folsäure nicht nur im Hinblick auf die Reduktion von Neuralrohrdefekten positiv ausgewirkt (-19 %), sondern es wurde eine Reduzierung der Todesfälle an Herzkreislauf-Erkrankungen um 25000 (-3 %) bereits im ersten Jahr der Anreicherung erzielt. In Deutschland ist die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln ebenfalls von allen Experten erwünscht, wird jedoch aufgrund der Gesetzgebung wahrscheinlich fakultativ bleiben.

Höchste Zeit also, die vielen dankenswerten Aktivitäten einzelner Institutionen und Organisationen zur Erlangung einer optimalen Folsäure-Versorgung in Deutschland zu bündeln und synergistisch auszurichten. Das gewährleistet nun der neu gegründete Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit, ein hochkarätiges Gremium aus Vertretern von Behörden und Fachgesellschaften. Es will breitenwirksam erreichen, dass die vorliegenden Erkenntnisse über die positiven Eigenschaften von Folsäure unbedingt in aktive Gesundheitsvorsorge umgesetzt werden. Als Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit habe ich die geplanten Aktivitäten im November 2002 erstmals beim Symposium der Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung e.V. (GVF) in Bonn der Presse vorgestellt. Die Resonanz war überwältigend und ermutigend. Als nächsten Schritt werden wir ein Konsensuspapier zur gesundheitlichen Bedeutung einer optimalen Folat/-Folsäurezufuhr herausbringen. Damit und mit weiteren Aktivitäten möchten wir dazu beitragen, die Folat-Versorgung der Bevölkerung zu verbessern.

Übrigens: Erste praktische Konsequenzen zeichnen sich ab. Ein mit Folsäure angereichertes Salz ist bereits im Handel. Die Markteinführung einer ebenso angereicherten Mehlsorte steht kurz bevor. Damit stehen angereicherte Grundnahrungsmittel zur Verfügung, die einerseits eine regelmäßige und reglementierte (begrenzte Aufnahmemenge) Zufuhr gewährleisten und hoffentlich mittelfristig auch bei uns dazu beitragen, die Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern.

Wenn Sie liebe Leserinnen und Leser als Multiplikatoren uns dabei unterstützen, die Menschen zu einer folatbetonten Ernährung und die Frauen im gebärfähigen Alter gegebenenfalls zu einer Supplementierung mit Folsäure zu motivieren sowie die Folsäureforschung voran zu treiben, dann sehe ich in Sachen Prävention mit Folsäure hierzulande ein Licht am Ende des Tunnels.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich

Klaus Pietrzik

Sprecher Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit

Geschäftsstelle: Rembrandtstr. 13, 60596 Frankfurt am Main

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