Anamnese
Anamnese
Wegen einer seit 7 Tagen bestehenden fieberhaften Erkrankung wurde
ein 37-jähriger Bauingenieur vom Hausarzt ins örtliche Krankenhaus
eingewiesen. Seit 4 Tagen bestanden wässrige Durchfälle ohne
sichtbare Blutbeimengung. Einweisungsgrund war eine erstmalig am Aufnahmetag
aufgefallene Benommenheit. Der Patient war 8 Tage vor Erkrankungsbeginn von
einem 4-wöchigen beruflichen Aufenthalt in Nigeria zurückgekehrt. Er
hatte dort konsequent eine Malaria-Chemoprophylaxe mit Chloroquin
(Resochin®) und Proguanil (Paludrine®) eingenommen und diese nach
seiner Rückkehr bis zur Aufnahme fortgeführt. Unter der Diagnose
einer möglicherweise bakteriell bedingten Reisediarrhoe erfolgte seit 3
Tagen eine Behandlung mit Ciprofloxacin 2-mal 500 mg pro Tag oral,
Loperamid nach Bedarf und eine orale Rehydratation mit einem
Elektrolytpräparat. Eine bakteriologische Stuhluntersuchung war ohne
pathologischen Befund, ein am 2. Krankheitstag durchgeführter
Malaria-Schnelltest war negativ gewesen. Vor der Ausreise war gegen Gelbfieber
und Typhus abdominalis geimpft worden. Aktueller Impfschutz bestand gegen
Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis und Hepatitis A. Es waren keine relevanten
Vorerkrankungen bekannt.
Aufnahmebefund
Aufnahmebefund
Der Allgemeinzustand des Patienten (183 cm, 79 kg) war
deutlich reduziert. Er wirkte schläfrig, war zur Person, jedoch nicht
zeitlich und örtlich orientiert. Der Blutdruck war erniedrigt
(90/60 mmHg), der Puls regelmäßig, aber beschleunigt
(104/min), die Körpertemperatur betrug 36,8 °C rektal. Die
Leber war tastbar vergrößert (14 cm in MCL) und
mäßiggradig druckdolent. Die neurologische Untersuchung war
unauffällig. Das Blutbild zeigte eine Thrombozytopenie
(36 000/µl). Laborchemisch fielen eine Erhöhung der
Transaminasen (SGOT 68 U/l, SGPT 53 U/l), des Bilirubins
(1,9 mg/dl), der Laktatdehydrogenase (316 U/l) und des
Serumkreatinins (1,6 mg/dl) auf. Die sonstigen
Routineparameter lagen im Normbereich. Leber
(12 × 14 cm) und Milz
(11 × 10 cm) waren bei unauffälliger
Organbinnenstruktur sonographisch mäßiggradig vergrößert.
Wegen eines ausgeprägten Schüttelfrostes bei der Aufnahme wurden in
kurzem Abstand zwei Blutkultur-Sets abgenommen, die nach Bebrütung steril
blieben. Mehrfache bakteriologische und parasitologische Stuhluntersuchungen
waren ebenfalls negativ.
Weitere Untersuchungen und Diagnose
Weitere Untersuchungen und Diagnose
Aufgrund der Reise-anamnese wurde umgehend eine parasitologische
Blutuntersuchung mit nach Giemsa gefärbtem Blutausstrich und Dickem
Tropfen durchgeführt. Dabei zeigte sich ein Befall mit Plasmodium falciparum bei einer Parasitämie von ca.
18 %. Damit war die Diagnose einer komplizierten Malaria tropica
gesichert.
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Zur antiparasitären Therapie wurde zunächst Mefloquin oral
1000 mg (4 Tabletten Lariam®) verabreicht. Nach ca. 30 Minuten
kam es zu mehrfachem Erbrechen; im Erbrochenen waren Tablettenreste sichtbar.
Etwa 2 Stunden nach Aufnahme war der Patient nicht mehr ansprechbar bei
erhaltener Reaktion auf Schmerzreize. Nach telefonischer Rücksprache
erfolgte 3 Stunden nach Aufnahme die Verlegung mit dem Rettungshubschrauber.
Bei Übernahme auf der Intensivstation war der Patient komatös ohne
Paresen oder Störungen der Pupillomotorik (Glasgow-Koma-Index: 9 Punkte).
Es bestand eine Hypotonie (80/50 mmHg) und eine Tachypnoe (36/min). Die
arterielle Blutgasanalyse zeigte eine akute respiratorische Partialinsuffizienz
(pO2: 52 mmHg, pCO2: 48 mmHg). Nach Intubation und Beginn
einer kontrollierten Beatmung wurde eine antiparasitäre Therapie mit
Chinin-HCl per infusionem in einer Dosierung von 30 mg/kg pro 24
Stunden (Reduktion auf 20 mg/kg/d ab dem 3. Behandlungstag) in
Kombination mit Doxycyclin 200 mg i. v. pro Tag begonnen. Nach 36
Stunden war die Parasitämie unter 1 % gesunken, nach 4 Tagen
waren im Dicken Tropfen keine Parasiten mehr nachweisbar. Im weiteren Verlauf
entwickelte sich ein ARDS mit bilateralen diffusen Infiltraten bei normalem
pulmonalkapillärem Verschlussdruck. Eine druckgesteuerte Beatmung (PEEP
bis max. 20 cm H2O, FiO2 bis max. 0,5) war
über 12 Tage erforderlich. Zudem entwickelte sich ein oligurisches
Nierenversagen (Urinausscheidung minimal 120 ml/d, Serum-Kreatinin
max. 3,2 mg/dl), das fünf Dialysebehandlungen notwendig machte.
Nach 18 Tagen konnte der Patient auf Normalstation verlegt und nach 26 Tagen
aus stationärer Behandlung entlassen werden. Die Nachuntersuchungen
ergaben eine normale Lungen- und Nierenfunktion und keinen Hinweis für
neurologische Schädigungen.