Klin Monbl Augenheilkd 2003; 220(1/2): 13-14
DOI: 10.1055/s-2003-37577
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bulbusrupturen nach stumpfem Trauma

Editorial zu: Wenzel M, Aral H. Gedeckte Bulbusruptur. Klin Monatsbl Augenheilkd 2003Globe Rupture after Blunt Ocular TraumaEditorial to: Wenzel M, Aral H. Indirect Traumatic Rupture of the Globe without Conjunctival InjuryArne  Viestenz1 , Michael  Küchle1
  • 1Augenklinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg, Kopfklinikum, Erlangen (Vorstand: Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. G. O. H. Naumann)
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Eingegangen: 6. Februar 2003

Angenommen: 10. Februar 2003

Publication Date:
03 March 2003 (online)

Augenverletzungen zählen zu den häufigsten Erblindungsursachen in den Industrieländern. Eine besonders schlechte Visusprognose unter den stumpfen Verletzungen haben die Bulbusrupturen [3] [13]. Hier ist ein Doppelgipfel in der Altersverteilung erkennbar: die jüngeren Patienten (bis 40 Jahre) sowie die älteren Patienten (über 60 Jahre), die an internistischen Problemen leiden und sich die Ruptur zumeist im Rahmen von Stürzen zuziehen. Die jüngeren Patienten büßen mehr als die Hälfte ihrer potenziellen Sehjahre ein, den alten Menschen wird oftmals durch die Verletzung eine der Freuden des Alltags - das Lesen - genommen.

Es gibt zwei mögliche Ansätze, dieses Problem anzugehen: Erstens die Prävention! Für die Gruppe der älteren Patienten empfiehlt sich z. B. ein altersgerechtes Interieur der Wohnräume wie Möbel mit abgerundeten Ecken. Jeder Prävention geht die Ursachenerforschung voraus. So konnten im Rahmen epidemiologischer Studien erste Ansätze dafür erbracht werden: United States Eye Injury Registry (USEIR), Hungarian Eye Injury Registry (HEIR) [8]. Auch in Deutschland wird versucht, durch eine systematische Erfassung und Analyse von okulären Traumata (Erlanger Okuläres Contusions-Register) die Grundlagen für eine bessere Prävention zu legen [13]. Die zweite Option besteht in der Optimierung der primären operativen Therapie: Zusätzlich zu einer zeitigen Wundexploration und mikrochirurgischen Wundversorgung sind häufig vitreoretinale Eingriffe erforderlich. Noch im Prävitrektomie-Zeitalter war das operative Ergebnis zumeist sehr bescheiden, so mussten in der Serie von 50 Augen von Cherry noch im Jahre 1978 primär 17 Augen und zeitlich versetzt 14 Augen enukleiert werden [3].

Die vorliegende Studie der Autoren Wenzel und Aral ist besonders hervorzuheben, da sie sich des bisher eher stiefmütterlich behandelten, jedoch diagnostisch herausfordernden Themas der gedeckten Bulbusrupturen annehmen.

Kylstra, Lamkin und Ruyan postulierten, dass mit hoher Sicherheit eine Bulbusruptur rein klinisch, aufgrund gründlicher ophthalmologischer Untersuchung angenommen werden kann, wenn das Auge Lichtschein oder weniger sieht, der intraokulare Druck weniger 6 mm Hg beträgt, die Vorderkammer ungewöhnlich abgeflacht bzw. vertieft ist oder eine Trübung der optischen Medien das Erkennen von Fundusdetails mittels indirekter Ophthalmoskopie verhindert und eine intra- bzw. periokulare Blutung vorhanden ist [9].

Diagnostische Fallstricke können das Fehlen eines Hyphämas und ein gut tonisierter Bulbus sein [3]. Umso wichtiger ist es, an die Rupturmöglichkeit zu denken und im Falle des begründeten Verdachts eine 360°-Peritomie zur Wundexploration durchzuführen. Bereits im Vorfeld sollten intraokulare Fremdkörper ausgeschlossen werden. Andererseits kann auch die bei einer Kontusion auftretende Zyklodialyse Ursache der Hypotonia bulbi sein [4] [7] [11].

Bei schwerer stumpfer Verletzung kommt es bei ca. 5 % der Augen zur Bulbusruptur [13]. Im Gegensatz zu Bulbuskontusionen (stumpfe Verletzungen ohne Bulbuseröffnung) ist bei Bulbusrupturen das Hyphäma signifikant häufiger über œ der Vorderkammerhöhe groß (58 vs. 5 %; EOCR), so dass bei schwerer stumpfer Verletzung mit so großer Vorderkammerblutung die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Bulbusruptur ca. 30 % beträgt.

Die bevorzugte Lokalisation von traumatischen Bulbusrupturen in der oberen Hemisphäre [3], wie von Wenzel und Aral beschrieben, können wir anhand der Daten des EOCR bestätigen: Von 19 Rupturen war 14-mal der nasal obere, 13-mal der temporal obere, 5-mal der nasal untere und 1-mal der temporal untere Quadrant betroffen. 16 % der Rupturen lagen an untypischer Stelle, 84 % verliefen limbusparallel. Gerade das Gebiet des Limbus (mit ca. 0,8 mm Dicke und der Schwächung durch Trabekelwerk und Schlemmkanal) sowie die Region unmittelbar hinter der Insertion der geraden Augenmuskeln (mit ca. 0,2 - 0,3 mm Dicke) sind für Rupturen aufgrund der Verdünnung der Sklera prädisponiert [5]. Der Rupturmechanismus am hinteren Pol wurde bereits von Lister erklärt [10].

Ebenso sind Augen mit bereits vorausgegangenen chirurgischen Eingriffen gefährdet, bei einer stumpfen Verletzung im Bereich der vorbestehenden Wunde zu rupturieren: beispielsweise nach Kataraktoperation [1] [4] [6] oder hornhautchirurgischen Eingriffen [2] [12].

Von den 19 im EOCR erfassten Bulbusrupturen traten bei 7 der 8 kataraktoperierten Augen nach Stürzen (6-mal) oder Holzscheitverletzung (1-mal) Bulbusrupturen im Bereich der alten Starschnittwunde auf. Bei voroperierten Augen war das relative Risiko für eine Bulbusruptur 27-mal höher als bei nicht voroperierten Patienten. Frauen hatten ein 5fach erhöhtes Risiko.

Die Prävention gehört zu den vordringlichsten Aufgaben des Augenarztes. Gerade bei kataraktoperierten und sturzgefährdeten Patienten sollte ein Schutz der Augen durch Spezialbrillen, wie von Paul F. Vinger vorgeschlagen, in Erwägung gezogen werden, um schweren Augenverletzungen vorzubeugen [14].

Literatur

  • 1 Assia E I, Blotnick C A, Powers T P, Legler U FC, Apple D J. Clinicopathologic study of ocular trauma in eyes with intraocular lenses.  Am J Ophthalmol. 1994;  117 30-36
  • 2 Binder P S, Waring G O, Arrowsmith P N, Wang C. Histopathology of traumatic corneal rupture after radial keratotomy.  Arch Ophthalmol. 1988;  106 1584-1590
  • 3 Cherry P MH. Indirect traumatic rupture of the globe.  Arch Ophthalmol. 1978;  96 252-256
  • 4 von Domarus D, Deuble-Bente K, Naumann G OH. Trauma, Operation, Wundheilung des Auges. In: Naumann GOH Pathologie des Auges. Berlin; Springer 1997: 301-377
  • 5 Duke-Elder S. System of Ophthalmology. Part 2. St. Louis; Mosby 1961: 83, 87
  • 6 Kass M, Lahav M, Albert D M. Traumatic rupture of healed cataract wounds.  Am J Ophthalmol. 1976;  81 722-724
  • 7 Küchle M, Naumann G OH. Direct cycloplexy for traumatic cyclodialysis with persisting hypotony. Report in 29 patients.  Ophthalmology. 1995;  102 322-333
  • 8 Kuhn F, Mester V, Berta A, Morris R. Epidemiologie schwerer Augenverletzungen.  Ophthalmologe. 1998;  95 332-343
  • 9 Kylstra J A, Lamkin J C, Runyan D K. Clinical predictors of skleral rupture after blunt ocular trauma.  Am J Ophthalmol. 1993;  115 530-535
  • 10 Lister W. Some concussion changes met within military practice.  Br J Ophthalmol. 1924;  8 305-318
  • 11 Naumann G OH, Völcker H E. Direkte Zyklopexie zur Behandlung des persistierenden Hypotonie-Syndroms infolge traumatischer Zyklodialyse.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 1987;  190 447-449
  • 12 Rohrbach J M, Weidle E G, Steuhl K P, Meilinger S, Pleyer U. Traumatic wound dehiscence after penetrating keratoplasty.  Acta Ophthalmol Scand. 1996;  74 501-505
  • 13 Viestenz A, Küchle M. Eine retrospektive Analyse von 417 Kontusionen und Bulbusrupturen und häufig vermeidbarer Unfallursachen: Das Erlanger Okuläre Contusions-Register (EOCR) 1985 bis 1995.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2001;  218 662-669
  • 14 Vinger P F. Injury to the postsurgical eye. In: Kuhn F, Pieramici DJ Ocular Trauma. Principle and Practice. New York; Thieme 2002: 280-292

Dr. med. Arne Viestenz

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