Klin Monbl Augenheilkd 2002; 219(12): 876-882
DOI: 10.1055/s-2002-36948
Klinische Studie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Retrobulbäre Bestrahlung bei endokriner Orbitopathie - Erfahrungen im Langzeitverlauf

Retrobulbar Irradiation for Graves' Ophthalmopathy - Long-Term ResultsSusanne  Pitz1 , George  Kahaly2 , Hans-Peter  Rösler3 , Frank  Krummenauer4 , Bernd  Wagner1 , Michael  Stübler1 , Norbert  Pfeiffer1
  • 1Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. N. Pfeiffer)
  • 2I. Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. P. R. Galle
  • 3Abteilung für Strahlentherapie der Radiologischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. M. Thelen)
  • 4Institut für medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (kommissarischer Direktor: Prof. Dr. G. Hommel) der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
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Publication History

Eingegangen: 15. Mai 2002

Angenommen: 6. Dezember 2002

Publication Date:
27 January 2003 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Obwohl seit nahezu einem Jahrhundert in der klinischen Anwendung, ist der Stellenwert der retrobulbären Bestrahlung in der Behandlung der endokrinen Orbitopathie umstritten. Ziel der vorliegenden Studie war es, den Effekt dieses Therapieverfahrens anhand einer standardisierten Nachuntersuchung im Langzeitverlauf zu untersuchen. Patienten und Methoden: 104 Patienten wurden zwischen 1981 und 1997 einer Bestrahlung (10 - 20 Gy) wegen endokriner Orbitopathie unterzogen. Bei 29 von ihnen erfolgte keine andere orbitopathiespezifische Therapie (Nachbeobachtungszeit 57 Monate), während die verbleibenden 75 Patienten (Nachbeobachtungszeit 40 Monate) im Erkrankungsverlauf zusätzlich systemisch mit Steroiden behandelt wurden. Untersucht wurden Exophthalmus, Augeninnendruck, Lidschluss und Lidspaltenweite, Bindehautbefund, Motilität sowie die subjektiven Parameter Doppelbilder und retrobulbäres Schmerzempfinden. Ergebnisse: Während der Exophthalmus unverändert blieb, fand sich für die klinischen Endpunkte Augeninnendruck, Lidschluss, Lidspaltenweite und Chemosis ein statistisch signifikanter Rückgang. Dieser erscheint aber nicht klinisch relevant. Drei Viertel der Patienten gaben am Ende des Beobachtungszeitraumes einen Rückgang des retrobulbären Schmerzgefühls an. Bei einem Viertel der Patienten besserte sich die Motilität, bei 75 % blieb sie unverändert; Verschlechterungen wurden nicht beobachtet. Dieser Therapieeffekt bleibt auch bei einer Nachbeobachtung von bis zu 16 Jahren (mindestens 8, Median 10 Jahre) erhalten. 25 % der Patienten wurden etwa 1 Jahr nach Strahlentherapie einer chirurgischen Intervention unterzogen. Schlussfolgerungen: Aus den vorliegenden Daten ist ein Unterschied im Therapieerfolg zwischen ausschließlich bestrahlten Patienten und solchen, die zusätzlich Steroide erhalten hatten, nicht abzuleiten. Unerwünschte Nebenwirkungen wurden auch im Langzeitverlauf von bis zu 16 Jahren nicht beobachtet. Die Verbesserungen der Motilität belegen besonders im Vergleich zum natürlichen Verlauf der endokrinen Orbitopathie, dass die retrobulbäre Bestrahlung bei entzündlicher Beteiligung der äußeren Augenmuskeln eine wirksame therapeutische Option darstellt, die geeignet ist, den Erkrankungsverlauf und damit die Zeitdauer bis zur Durchführung chirurgisch-rehabilitativer Maßnahmen abzukürzen.

Abstract

Background: Significance of retrobulbar irradiation in patients suffering form Graves' ophthalmopathy, though established since almost one century, is subject of scientific debate. The present study investigated the effect of retrobulbar irradiation using a standardized protocol focussing on long term results. Patients and methods: Between 1981 and 1997, 104 patients treated by retrobulbar irradiation (10 to 20 Gray) due to Graves' disease. Twenty-nine of these underwent irradiation as sole treatment (mean follow-up 57 months), while in the remaining 75, it was combined with a systemic steroid treatment (mean follow-up 40 months). Patients were evaluated regarding proptosis, intraocular pressure, lid signs, motility as well as subjective assessment of double vision and retrobulbar pain. Results: While proptosis remained unchanged, lid signs, chemosis and intraocular pressure showed slight and statistically significant improvement. However, these findings were considered to be clinically insignificant. Retrobulbar pain was improved in 75 % of patients. 25 % of patients showed improved motility, 75 % remained stable, and in none of them was there a deterioration of ductions. Results proved stable even in long-term follow-up. 25 % per cent of patients underwent a surgical procedure one year after radiotherapy. Conclusions: In our series, we could not demonstrate an additional benefit of systemic steroids when combined with retrobulbar irradiation. Up to sixteen years after treatment, no treatment-related adverse reaction was seen. We found a remarkable improvement in ocular motility. This holds even more true in comparison to the natural course of the condition. Retrobulbar irradiation seems to shorten the duration of the disease, thus allowing earlier performance of eventual rehabilitative surgery.

Literatur

Dr. Susanne Pitz

Universitäts-Augenklinik · Johannes Gutenberg-Universität

Langenbeckstraße 1

55101 Mainz