Anamnese und klinischer Befund: Ein 80-jähriger Patient wurde wegen eines seit etwa 3 Wochen bestehenden schmerzlosen
Ikterus stationär aufgenommen. Der Mann klagte über Inappetenz, Juckreiz und einen
Gewichtsverlust von 3 kg innerhalb der letzten 14 Tage. Der Stuhl war entfärbt, der
Urin dunkel. Bis auf eine chronische Bronchitis nach langjährigem Nikotinabusus bestanden
keine Vorerkrankungen.
Bei der körperlichen Untersuchung zeigten sich ein deutlicher Haut- und Sklerenikterus
sowie Kratzeffloreszenzen an Stamm und Extremitäten. Die Bauchdecken waren weich und
die Peristaltik regelrecht. Bei der Palpation des Abdomens bestand kein Druckschmerz,
die rektal gemessene Körpertemperatur betrug 36,5° C.
Untersuchungen: Laborchemisch standen die Erhöhung von γ-GT (456 U/l) und alkalischer Phosphatase
(972 U/l) sowie eine Hyperbilirubinämie (12,3 mg/dl) im Vordergrund. Die Leukozytenzahlen
im peripheren Blutbild sowie das C-reaktive Protein waren normal.
Sonographisch war eine Cholezystolithiasis mit 2 Konkrementen von 12 mm, bzw. 19 mm
bei normaler Gallenblasenwand nachweisbar. Der extrahepatische Gallengang (DHC) war
dilatiert auf einen Durchmesser von 13 mm. Im Gallengang war präpapillär eine echoreiche
Formation ohne Schallschatten darstellbar, hilusnah eine steinverdächtige Struktur
mit einem Durchmesser von 20 mm mit angedeutetem Schallschatten.
Therapie und Verlauf: Unter dem Verdacht »Verschlussikterus bei Choledocholithiasis« wurde eine endoskopische
retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) durchgeführt. Die Papille war sehr
prominent im Sinne einer sogenannten Steinpapille bei präpapillär inkarzeriertem Stein.
Die primäre Intubation des Gallengangs mit dem Kontrastmittelkatheter gelang nicht.
Nach precut-Papillotomie der Papille mit dem Nadelmesser konnte der DHC selektiv kanüliert
werden. Die Papillotomie wurde mit einem Standardpapillotom maximal erweitert. Danach
entleerte sich bereits spontan ein Stein von etwa 8 mm Durchmesser in das Duodenum.
Bei der Anfärbung des Gallenganges über einen Ballonkatheter war ein weiteres großes
Konkrement im proximalen DHC nachweisbar, das primär nicht zu mobilisieren und daher
nicht mit dem Lithotripterkorb einzufangen war. Mittels fluoroskopisch gesteuerter
Laserlithotripsie wurde der komplizierte Gallengangsstein weitgehend fragmentiert
und die Fragmente anschließend komplett extrahiert. Eine Cholezystektomie wurde abgelehnt.
Der heute 82-jährige Patient ist seit 2 Jahren beschwerdefrei und ohne Anhalt für
eine Rezidivcholedocholithiasis bei weiterhin nachweisbarer asymptomatischer Cholezystolithiasis.