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DOI: 10.1055/s-2000-7043
Thomas Mann und die Medizin
Ein Versuch zu seinem 125. GeburtstagPublication History
Publication Date:
31 December 2000 (online)

1925 griff Thomas Mann (Abb. [1]) [9] in eine Diskussion ein, die in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift zu lesen war. Ein Tuberkulosearzt [31] hatte behauptet, der 1924 erschienene und in einem Davoser Lungensanatorium spielende Roman Manns »Der Zauberberg« habe dem ärztlichen Stand geschadet. Urteilslose Laien dürften keine Kritik üben. Darauf verteidigte die Ärztin Margarete Levy [8], selbst länger als ein Jahr Patientin in Davos, das Buch. Es sei eine »Mahnung zur Erkenntnis und Einsicht«. Mann hatte in seiner Erwiderung auf die erwähnten Artikel betont, dass er ein Verehrer und Bewunderer der medizinischen Wissenschaft sei. »Medizin und Musik sind die Nachbarsphären meiner Kunstübung.«
Thomas Mann, geboren am 6. Juni 1875 in Lübeck, gestorben am 12. August 1955 im Züricher Kantonsspital, war während des ersten Weltkrieges national-konservativ, doch setzte er sich während der Weimarer Republik aktiv für die Demokratie ein. Wegen der begonnenen Herrschaft des Nationalsozialismus kehrte der Nobelpreisträger des Jahres 1929 nach einer Vortragsreise nicht nach Deutschland zurück. Zum Tode des Schriftstellers Jacob Wassermann schrieb er am 8. Januar 1934 [19] aus der Schweizer Emigration: »Die Todesnachricht war mir ... ein solcher Choc, daß ich mich noch heute nicht davon erholt habe.« Die Zeitung »Berliner Börsencourier« hatte zum Ableben Wassermanns bemerkt, dass er mit der deutschen Literatur als Jude so gut wie nichts zu schaffen habe. »Soll einen diese stinkende Idiotie«, fährt er in seinem Brief fort, »nicht unter die Erde bringen? Sehen Sie es sich an: Es ist der deutsche Nekrolog für uns Alle.« 1936 erfährt Mann in Küsnacht seine deutsche Ausbürgerung, im gleichen Jahr wurde ihm der Ehrendoktor der philosophischen Fakultät Bonn aberkannt. Zwei Jahre später übersiedelte er in die Vereinigten Staaten. Erst 1952 kehrte er nach Europa zurück.
Abb.1 Thomas Mann
Am Ende seiner oben zitierten Entgegnung in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift [9] hoffte er trotz aller Anfeindung irgendwann auf den Doctor medicinae honoris causa: »Und ob ich eines Tages, mit siebzig oder achtzig, den medizinischen Ehrendoktor in die Stirn drücken darf, das ist meine Herren, keine Frage der Würdigkeit, sondern nur eine solche vitaler Ausdauer.« Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Obwohl die medizinische Fakultät der Jenaer »Friedrich-Schiller-Universität« am 29. März 1955 [25] einstimmig beschloss, Mann wegen der literarisch-medizinischen Symbiose seines Gesamtwerks den medizinischen Doktortitel zu verleichen, scheiterte dies am Widerspruch der Ostberliner Regierung, die den philosophischen Doktor honoris causa durchsetzte. So war unter den 15 Ehrendoktoraten, die Mann 1919 bis 1955 erhielt, kein medizinisches [7].
Literatur
- 1 Bräutigam W, Christian P, Rad v M. Psychosomatische Medizin. Thieme Stuttgart; 1992
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- 7 Kurzke H, Stachorski S. Kommentar zu: Vom Geist der Medizin 1919- 1925. In: Mann T. Essays Frankfurt a.M; Fischer 1992: 393
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- 11 Mann T. Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Fischer Frankfurt a.M; 1957: 259f
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- 13 Mann T. Der Zauberberg. Fischer Frankfurt a.M; 1960: 159, 201f, 244ff, 275, 336
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- 15 Mann T. Die Betrogene. In: Sämtliche Erzählungen Frankfurt a.M; Fischer 1963: 731ff
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- 17 Mann T. Joseph und seine Brüder. Fischer Frankfurt a.M; 1964: 734ff
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Prof. Dr. med Karlheinz Engelhardt
Jaeger-Allee 7
24 159 Kiel