Keywords
outcomes - quality of life - health economics - quality assurance - cardiac surgery
- patient care - heart team
Präambel
Bereits in den Jahren 1976,[1] bzw. 1993[2] und 2013[3] haben sich Kommissionen der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
(DGTHG) mit verschiedenen Fragen zu „Voraussetzungen zum Betrieb leistungsfähiger
Kliniken“ bzw. zu „Qualitätsstandards in der Herzchirurgie“ und „Basisstandards einer
Fachabteilung für Herzchirurgie“ eingehend befasst. Die zwischenzeitlichen Veränderungen
im deutschen Gesundheitswesen, die kontinuierliche Entwicklung von Qualitätsmanagementsystemen,
die Zentrumsbildung und nicht zuletzt auch die rasante Entwicklung der Herzmedizin
machen es erforderlich, sich mit den Grundlagen der Patientenversorgung im Bereich
der Herzmedizin erneut zu befassen und die Basisstandards einer Fachabteilung für
Herzchirurgie aktuell zu definieren.
Eine wesentliche Datengrundlage stellt in diesem Zusammenhang die bereits seit Jahrzehnten
etablierte DGTHG-Leistungsstatistik dar, die eine jährlich aktualisierte Übersicht
zu allen herzchirurgischen Leistungen in Deutschland liefert. Diese zeigt für das
Jahr 2020, dass 92.809 Operationen am Herzen und den herznahen Gefäßen durchgeführt
wurden. Hierbei handelte es sich um 37.984 koronarchirurgische Operationen, 35.469
Herzklappen-Eingriffe, 20.244 Herzschrittmacher- oder ICD-Operationen, 7.832 Aorten-Eingriffe,
5.569 Operationen bei angeborenen Herzfehlern, 3.031 Operationen wegen Herzunterstützungssystemen,
2.529 andere herzchirurgische Eingriffe, 340 Herz-, 291 Lungen- und 1 Herz-Lungen-Transplantationen.[4]
Die Gesamtzahl der Herzoperationen ist bei unveränderter Anzahl der Fachabteilungen
für Herzchirurgie seit geraumer Zeit rückläufig. Die Wartezeit für Patient*innen,
die einen elektiven herzchirurgischen Eingriff benötigen, beträgt deutschlandweit
weniger als 4 Wochen. Aktuell ist daher von einer ausreichenden und flächendeckenden
herzchirurgischen Versorgung in Deutschland auszugehen. Der zukünftige Bedarf herzchirurgischer
Eingriffe wird aus gegenwärtiger Perspektive eher weiter abnehmen - eine Entwicklung,
die der Zunahme interventioneller Verfahren, insbesondere im Bereich der strukturellen
Klappenerkrankungen und der koronaren Herzerkrankung, aber auch der Zulassung neuer
Pharmakotherapien, z.B. zur Behandlung der Herzinsuffizienz, und einer besseren Prävention
geschuldet ist. Die genannten Faktoren werden zukünftig einen Einfluss auf die Größe
und die Anzahl herzchirurgischer Fachabteilungen haben.
Die Etablierung perioperativer Qualitätsstandards, die Weiterentwicklung bewährter
Operationstechniken und die Einführung innovativer Verfahren erfordern die Evaluation
und Novellierung geltender Vorgaben mit dem Ziel, die Qualität herzchirurgischer Fachabteilungen
in Deutschland sowohl in Bezug auf die Krankenversorgung als auch auf die Facharzt-Weiterbildung
durch eine Definition obligater Qualitätskriterien weiterhin sicherzustellen.
Die vorliegende Publikation der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
(DGTHG) definiert „grundlegende Anforderungen“ im Hinblick auf Infrastruktur, Personal
und Prozesse für eine angemessene Versorgung herzkranker Patient*innen, bei denen
Operationen/Eingriffe am Herzen, den herznahen Gefäßen oder thorakale Organtransplantationen
durchgeführt werden.
Methodik
Die Erstellung der Aktualisierung dieses Positionspapiers erfolgte formal als nominaler
Gruppenprozess. Im Vorfeld wurden die Ziele, die Vorgehensweise und auch das Abstimmungsverfahren
festgelegt. Ferner wurden allen an der Konsentierung Beteiligten die zu konsentierenden
Aussagen bzw. Empfehlungen zur Verfügung gestellt mit der Möglichkeit, diese zu kommentieren,
zu ergänzen oder auch Alternativvorschläge zu unterbreiten. Die im Umlaufverfahren
registrierten Stellungnahmen und Kommentare wurden zusammengefasst und in einer weiteren
Diskussion debattiert und somit zu einer endgültigen Abstimmung gebracht. Hierbei
erfolgte eine Abstimmung zu jeder einzelnen Aussage/Empfehlung.
Infrastruktur
Ein Krankenhaus sollte mit einem geeigneten Organisationsmodell differenziert gegliedert
werden, um die komplexen Anforderungen der modernen Krankenversorgung erfüllen zu
können. Als Grundlage für dieses spezielle Konstrukt wurde im Jahr 2003 eine Deutsche
Industrienorm (DIN) veröffentlicht, die konkrete Empfehlungen gibt, und als DIN 13080
die „Gliederung des Krankenhauses in Funktionsbereiche und Funktionsstellen“[5] vorsieht.
Betrachtet man die Funktionsbereiche näher, gelangt man zu dem Begriff „Fachabteilung“,
der in verschiedenen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen, in Konsensus-
und Positionspapieren sowie in Leitlinien und Empfehlungen verbindlich genutzt wird.
So ist gemäß den Grunddaten der deutschen Krankenhausstatistik[6] ein Krankenhaus in Einheiten organisiert, die unter anderem aus konkret ausgewiesenen
Fachabteilungen bestehen. Der Begriff Fachabteilung (FA) wird als „organisatorisch
abgegrenzte, von Ärztinnen/Ärzten mit Gebiets- und Schwerpunktbezeichnung ständig
verantwortlich geleitete Abteilung mit besonderen Behandlungseinrichtungen“ definiert.[5] Hierbei orientiert sich die Fachabteilungsgliederung (bis auf wenige Ausnahmen)
seit dem Jahr 2002 an den fachärztlichen Gebiets- bzw. Schwerpunktbezeichnungen der
Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer. Seit diesem Zeitpunkt wird die
im Folgenden näher zu betrachtende Fachabteilung für Herzchirurgie in der Liste der bettenführenden Kategorisierungen gemäß Anhang 1 der Bundespflegesatzverordnung
(BPflV) explizit ausgewiesen und findet sich auch in unterschiedlichen Kombinationen
bei den bettenführenden Fachabteilungen mit Differenzierung nach Schwerpunkten (Anlage
2 zur § 301-Vereinbarung n. SGB V). Ergänzend wird bei der Fachabteilungsgliederung
darauf hingewiesen, dass es sich um Abteilungen handelt, „die von einem fachlich nicht
weisungsgebundenen Arzt mit entsprechender Fachgebietsbezeichnung geleitet und die
für dieses Fachgebiet überwiegend genutzt werden.“[5]. Die ärztliche Leitung einer Fachabteilung für Herzchirurgie kann nur durch eine/n
Fachärzt*in für Herzchirurgie erfolgen.
Einer Fachabteilung für Herzchirurgie müssen ausreichende Ressourcen in allen relevanten
Bereichen zugeordnet sein, um herzchirurgische Leistungen mit der gebotenen Sicherheit
und Qualität erbringen zu können. Eine Notfallversorgung muss jederzeit gewährleistet
werden können.[7]
Die entsprechenden Mindestanforderungen werden in den einzelnen Kapiteln aufgeführt.
Die Ausweisung von kardiochirurgischen Betten in Kliniken kann nur dann erfolgen,
wenn die Basis-Anforderungen einer Fachabteilung für Herzchirurgie erfüllt werden.
Kooperierende, bzw. räumlich getrennte Standorte, umgangssprachlich häufig als „Dependancen“
bezeichnet, die nicht vollumfänglich die nachfolgend dargestellten Anforderungen erfüllen,
sind wegen einer möglichen Gefährdung der Patient*innen ausdrücklich abzulehnen. Grundsätzlich
ist für jede Fachabteilung für Herzchirurgie zu fordern, dass ein differenziert strukturiertes,
internes Qualitätsmanagement etabliert ist. Dazu zählen z.B. ein internes QM-Handbuch,
regelmäßige M&M Konferenzen und SOPs für die Prozesse der Fachabteilung. Dieses Qualitätsmanagement
muss es mit geeigneten Instrumenten und Maßnahmen ermöglichen, die Behandlungsqualität
kontinuierlich zu analysieren, um potentielle Verbesserungspotentiale implementieren
zu können.
Ambulante Versorgung
Um Patient*innen sektorenübergreifend vor und nach einem operativen oder interventionellen
Eingriff am Herzen individuell beraten, adäquat untersuchen, umfassend informieren
und über mögliche Therapieoptionen aufklären zu können, ist eine der Fachabteilung
Herzchirurgie zugehörige Ambulanz mit angemessenen Räumlichkeiten und medizinisch-technischer
Ausstattung erforderlich. Neben der vollstationären Behandlung gehören zur herzchirurgischen
Versorgung auch die mittel- und langfristige Nachverfolgung sowie die ambulante Betreuung
mit fachgebietsspezifischer Expertise nach Herzoperationen/-interventionen - dies
sowohl im Hinblick auf operationsassoziierte Besonderheiten (z.B. Wundheilung, Nachuntersuchungen),
als auch bezüglich der kontinuierlichen Weiterbehandlung bspw. chronisch herzinsuffizienter
Patient*innen (z.B. CIED, VAD, HTX, Hybridverfahren). Die aktuellen EACTS-/ESC Leitlinien
zum Management von Herzklappen-Erkrankungen weisen auf eine zwingend notwendige Nachsorge
der Patient*innen wie oben beschrieben nachdrücklich hin.[8] Spezialsprechstunden (z.B. für Koronare Herzerkrankung, Aortenerkrankungen, Herzklappenerkrankungen,
Herzinsuffizienz), die Beratung von Patienten zur Einholung einer Zweitmeinung und
telemedizinische Angebote (Videosprechstunde) gehören ebenfalls zur herzchirurgischen
ambulanten Versorgung. Die präoperative Optimierung (Prähabilitation) und Abklärungen
im Rahmen von „Same Day Surgery“ Programmen können über die ambulanten Strukturen
der Herzchirurgie erbracht werden.
Herzchirurgische Normalstation (Standard Care)
Herzchirurgische Normalstation (Standard Care)
Eine Fachabteilung für Herzchirurgie verfügt über mindestens eine organisatorisch
abgegrenzte Normal-Pflegestation mit 28 - 30 Betten, um herzkranke Patient*innen in
allen Phasen des prä- und postoperativen Behandlungsverlaufs adäquat therapieren zu
können. Alle Bettplätze der peripheren Pflegestation verfügen über ein bettseitiges
Monitoring mit EKG-, Blutdruck-, und O2-Sättigungs-Überwachungsmöglichkeit. Diese Erfordernisse ergeben sich aus der perioperativen
Überwachungsnotwendigkeit nach einer Herzoperation.
Herzchirurgische Intermediate Care Station (IMC)
Herzchirurgische Intermediate Care Station (IMC)
Eine Fachabteilung für Herzchirurgie sollte über eine herzchirurgisch geführte Intermediate
Care Station/Einheit (IMC) verfügen, sofern die postoperative Versorgung ein Intensivstations-/IMC-Konzept
vorsieht. Diesbezügliche Empfehlungen zur personellen, infrastrukturellen und apparativen
Ausstattung einer herzchirurgischen IMC wurden von der DGTHG bereits im Jahre 2012
publiziert. Eine IMC muss 24h/7 Tage betrieben werden, und je nach Aufgabe ist zumindest
eine ständige Verfügbarkeit eines Arztes in <5 Minuten zu gewährleisten. Bei Fast-track
Konzepten ist die ständige Anwesenheit eines Arztes erforderlich. Weitere Vorgaben
sind der entsprechenden Publikation zu entnehmen.[9] Ergänzend sei zudem noch auf die im Jahr 2017 publizierten Empfehlungen der DIVI
zur Ausstattung und Struktur von Intermediate Care Stationen (Stand 17.3.2017) hingewiesen.
Diese beinhalten neben Definition, Ein-/Ausschlusskriterien und Organization auch
Empfehlungen zu Aufnahmekriterien, Personalausstattung, apparativer Ausstattung und
räumlicher Struktur.[10] Als wesentliche Notwendigkeiten für die Einrichtung einer IMC werden die bereits
präoperativ intensive Behandlungsbedürftigkeit einiger Patienten, die Reduktion der
Aufenthalte auf der Intensivstation sowie die Minimierung potentieller Rückverlegungen
auf die Intensivstation gesehen.[10]
Intensivtherapiestation (Intensive Care)
Intensivtherapiestation (Intensive Care)
Eine Fachabteilung für Herzchirurgie muss über eine herzchirurgisch oder interdisziplinär
geführte Intensivtherapiestation verfügen. Die Zahl der für einen herzchirurgischen
Routinebetrieb notwendigen Intensivbetten beträgt erfahrungsgemäß 1 Bett für 100 geplante
herzchirurgische Operationen pro Jahr. Die zuletzt im Jahr 2018 durchgeführte Umfrage
zur Struktur herzchirurgischer Intensivstationen zeigt, dass die Fachabteilungen für
Herzchirurgie im Vergleich zu anderen Fachabteilungen weiterhin den höchsten Bedarf
an Intensivstationsbetten benötigen, und fast 30% der Betten in chirurgischen Fachabteilungen
der Herzchirurgie zugeordnet sind.[11]
Hinsichtlich der vorzuhaltenden Struktur und Ausstattung hat die Deutsche Interdisziplinäre
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bereits im Jahr 2010 „Empfehlungen
zur Struktur und Ausstattung von Intensivtherapiestationen“ publiziert, die auch als
Mindeststandard für die Behandlung herzchirurgischer Intensivpatienten angesehen werden
können.[12] Ferner gilt es, die Empfehlungen der S3-Leitlinien “Intensivmedizinische Versorgung
herzchirurgischer Patienten - Hämodynamisches Monitoring und Herz-Kreislauf-Therapie”
(Registernummer 001–016) und „Einsatz der extrakorporalen Zirkulation (ECLS/ECMO)
bei Herz- und Kreislaufversagen“[13]
[14] zu beachten und in einer den jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepassten, praxisorientierten
SOP festzulegen. Hinsichtlich der ärztlichen Versorgung ist eine permanente Arztpräsenz
(24/7/365) zu gewährleisten.
Diverse Leitlinien-Empfehlungen haben im Jahre 2017 auch Einzug in das deutsche Vergütungssystem
erfahren. Bei der jährlichen Anpassung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS)
wurden kurzfristig für die OPS-Version 2018 Mindest- und Strukturmerkmale für Komplexbehandlungen
(OPS 8–97…8–98) festgelegt. Dies betrifft somit auch die aufwendigen intensivmedizinischen
Komplexbehandlungen in der Herzmedizin. Diese differenzierten inhaltlichen Anforderungen
haben erhebliche strukturelle, personelle und auch ökonomische Implikationen für die
Leistungserbringung in deutschen Krankenhäusern. So müssen die Behandlungsleitung
durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin erfolgen, eine ständige
ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation gewährleistet, und für diverse diagnostische
bzw. therapeutische Verfahren eine 24-stündige Verfügbarkeit gegeben sein. Weitere
Einzelheiten können der jeweils geltenden OPS-Version entnommen werden.
Operationseinheit
Eine Fachabteilung für Herzchirurgie verfügt über mindestens 2 Operationssäle einschließlich
geeigneter Räumlichkeiten zur Durchführung der anästhesiologischen Vorbereitung und
Nachbetreuung.
Die Operationssäle müssen eine dem Stand der Technik entsprechende Grundausstattung
haben, jederzeit verfügbar sein und obligat die Voraussetzungen zum Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen,
extrakorporalen Herz-Kreislauf-Unterstützungs-Systemen (ECLS), transösophagealen Echokardiographien
(TEE), Nierenersatzverfahren sowie Röntgen-/Durchleuchtungs- und Bronchoskopiegeräten
erfüllen.
Hinsichtlich der hygienischen und infektionspräventiven Maßnahmen sind neben dem Infektionsschutzgesetz
(IfSG)[15] und dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes[16] auch die entsprechenden Vorgaben für den Operationsbereich der Richtlinie für Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention des Robert-Koch-Instituts[17] umzusetzen. Heater/Cooler Units sind außerhalb des OP-Saales unterzubringen.
Hybrid-Operationssäle sind eine wichtige infrastrukturelle Voraussetzung für die qualifizierte
interdisziplinäre Durchführung bestimmter konventioneller Operationen und katheterbasierter
Prozeduren bei Patient*innen, die durch Kooperation von Herzchirurg*innen und Kardiolog*innen/Kinderkardiolog*innen
im sogenannten „Herzteam“ behandelt werden. Die transthorakale/-ösophageale Echokardiographie
muss durchgängig peri- und intraoperativ in allen Bereichen der Fachabteilung für
Herzchirurgie zur Verfügung stehen.
Bereich Perfusionstechnik
Bereich Perfusionstechnik
Diese Organisationseinheit muss in unmittelbarer Nähe zur Operationseinheit liegen
und über geeignete Räumlichkeiten verfügen, in denen jederzeit hygienisch und medizintechnisch
einwandfrei Vor- und Nachbereitungen der Einsätze von Herz-Lungen-Maschinen (HLM:
Lagerung, Aufrüstung, Entsorgung, Wartung etc.), Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen
(z.B. IABP, ECMO/ECLS) und Organersatzequipment (Hämodialysegerät) vorgenommen werden
können. Zudem sind Lagerräume mit angemessener Kapazität und Ausstattung vorzuhalten.
Die im Jahr 2019 veröffentlichte europäische Leitlinie zum kardiopulmonalen Bypass
in der Erwachsenenherzchirurgie gibt evidenzbasierte Empfehlungen zur Personalqualifikation,
der HLM-Hardware nebst Equipment, dem Monitoring im Rahmen des HLM-Einsatzes und auch
zur Entwöhnung. Ein sofort einsatzbereites HLM-Backup muss aufgrund der vitalen Implikationen
für die Patient*innen in der OP-Abteilung jederzeit vorgehalten werden.[18]
Personal und Qualifikation
Personal und Qualifikation
Eine Fachabteilung für Herzchirurgie muss von eine(r)m Fachärzt*in für Herzchirurgie
geleitet werden. Daneben müssen weitere Fachärzt*innen für Herzchirurgie, die auch
in der intensivmedizinischen Behandlung der herzoperierten Patienten verantwortlich
eingebunden sind, mit einer zeitlichen Arbeitsleistung von mindestens 4 Vollzeitäquivalenten
(VZÄ) zur Verfügung stehen. Mindestens eine(r) der Fachärzt*innen muss die Zusatz-Weiterbildung
(MWBO 2018) Chirurgische Intensivmedizin erfolgreich abgeschlossen haben. Mindestens
ein fachärztlicher Rufbereitschaftsdienst (RD) muss durchgängig zur Verfügung stehen.
Neben den 4 fachärztlichen VZÄ müssen weitere Ärzt*innen mit mindestens 5 VZÄ, die
in der Fachabteilung für Herzchirurgie durchgängig angestellt sind und sich gegebenenfalls
in der Facharztweiterbildung für Herzchirurgie befinden, vorhanden sein.
Die Anzahl ärztlicher Mitarbeiter*innen der Fachabteilung für Herzchirurgie muss,
unter Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben, einen fachgebietsgebundenen Bereitschafts-Anwesenheitsdienst
24/7/365 ermöglichen. Da herzchirurgische Patient*innen aufgrund der Schwere ihrer
Grunderkrankung, der Comorbiditäten und therapieassoziierten Komplikationsgefahren
zu jeder Zeit von Ärzt*innen des Fachgebiets versorgt werden müssen, ist ein fachgebietsübergreifender
Bereitschaftsdienst ausgeschlossen - dies insbesondere auch vor dem Hintergrund weiterbildungs-,
berufs-, zivil- und strafrechtlicher Implikationen.
Sofern durch die Ärzt*innen der Fachabteilung für Herzchirurgie weitere Aufgaben,
die eine spezielle Kompetenz/Expertise erfordern, wahrgenommen werden (TEE, IMC-/intensivmedizinische
Therapie, Chirurgie angeborener Herzfehler,[19] ECLS/VAD, thorakale Organtransplantationen etc.), sind weitere VZÄ zwingend erforderlich
und gegebenenfalls gesonderte Bereitschaftsdienstregelungen (BD/RD) zu treffen.
Darüber hinausgehender Personalbedarf ergibt sich vor allem auch durch das Arbeitszeitgesetz
und das fachabteilungsbezogene Dienstzeitmodell.
Facharzt-Weiterbildung Herzchirurgie
Facharzt-Weiterbildung Herzchirurgie
Die Weiterbildung zum Facharzt für Herzchirurgie ist eine wesentliche Aufgabe einer
FA für Herzchirurgie. Die Anzahl der Ärzt*innen in der FA-Weiterbildung sollte sich
an den jährlichen Leistungszahlen der Fachabteilung, bzw. den daraus zu erwartenden
Operationen, die für die Weiterbildung geeignet sind, orientieren. Die Inhalte der
Facharztweiterbildung sind in den entsprechenden Weiterbildungsordnungen der LÄK hinterlegt.
Das Weiterbildungs-Curriculum der DGTHG enthält darüber hinaus Angaben zu inhaltlichen
Empfehlungen und Modulen. FÄ in Weiterbildung sollen den Stand ihrer Weiterbildung
gemäß den Vorgaben der jeweiligen Landesärztekammern und dem Logbuch der DGTHG dokumentieren.
Pflegefachkräfte (nach Krankenpflege-/Pflegeberufegesetz)
Pflegefachkräfte (nach Krankenpflege-/Pflegeberufegesetz)
Gemäß § 137i SGB V sowie der zugehörigen Pflegepersonal-Untergrenzen-Verordnung PpUGV
(Fassung v. 29.10.2019) wurden durch das Bundesministerium für Gesundheit u.a. für
den pflegesensitiven Bereich Herzchirurgie Pflegepersonaluntergrenzen (als Verhältnis
Patient*innen zu einer Pflegekraft) festgelegt.[20]
Gegenwärtig sind für eine periphere herzchirurgische Station als unterer Grenzwert
tagsüber eine Pflegekraft für 7 Patienten und nachts eine Pflegekraft für 15 Patienten
gesetzlich festgelegt, der dritthöchste Pflegepersonalschlüssel der PpUGV für diesen
Bereich.
Für die Intensivtherapiestation müssen mindestens 25% der Mitarbeiter*innen des Pflegedienstes
eine Fachweiterbildung zum Fachgesundheits- und Krankenpfleger*in für Intensivpflege
und Anästhesie bzw. Fachgesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in für Intensivpflege
und Anästhesie, absolviert haben. In mindestens einer Schicht pro Tag muss auf der
Intensivtherapiestation eine Pflegefachkraft mit abgeschlossener Fachweiterbildung
anwesend sein. Die PpUGV legt gegenwärtig gesetzlich einen Personalschlüssel von 1
Pflegekraft für 2 Patient*innen (Früh- und Spätschicht) und von 1 Pflegekraft für
3 Patient*innen (Nachtschicht) als Mindestanforderung fest. Für eine herzchirurgische
Intensivstation ist, vor dem Hintergrund des Pflegeaufwandes der zu behandelnden Patient*innen,
ein durchgängiger Pflegeschlüssel von 1 Pflegekraft für 2 Patient*innen zu fordern.
Der Pflegedienst der Operationseinheit muss von Gesundheits- und Krankenpfleger*innen
oder operationstechnischen Assistent*innen besetzt sein, die über mehrjährige Erfahrungen
im Bereich der Herzchirurgie verfügen. Mindestens 20% dieser erfahrenen Mitarbeiter*innen
müssen eine Weiterbildung zur Fachgesundheits- und Krankenpfleger*in im Operationsdienst
abgeschlossen haben. Für die Fachabteilung für Herzchirurgie muss im Pflegedienst
der Operationseinheit eine 24/7/365 Präsenz, inkl. Bereitschaftsdienst, sichergestellt
sein.
Das Anästhesiepflegepersonal muss von Gesundheits- und Krankenpfleger*innen besetzt
sein, die über Erfahrungen im Bereich der Herzchirurgie verfügen. Mindestens 20% dieser
erfahrenen Mitarbeiter*innen müssen eine Weiterbildung zur Fachgesundheits- und Krankenpfleger*in
für Intensivpflege und Anästhesie, bzw. Fachgesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in
für Intensivpflege und Anästhesie, abgeschlossen haben. Für die Fachabteilung für
Herzchirurgie muss Anästhesiepflegepersonal durchgängig in 24/7/365 Präsenz, inkl.
Bereitschaftsdienst, verfügbar sein.
Perfusionist*in
Alle Kardiotechniker*innen bzw. „Klinische Perfusionist*innen Kardiotechnik“ verfügen
über eine nachweisliche Qualifikation (z.B. European Certificate in Cardiovascular
Perfusion – ECCP;
www.ebcp.eu/
) mit einer Arbeitsleistung von mindestens 4 VZÄ. Zusätzliche VZÄ können zwecks Einhaltung
des Arbeitszeitgesetzes notwendig werden. Ein Rufbereitschaftsdienst muss durchgängig
zur Verfügung stehen. Diese Basisstandards sind im Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft
für Kardiotechnik (DGfK) 2020 publiziert worden.[21] Beim Einsatz der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) muss grundsätzlich ein Backup
durch eine(n) qualifizierte(n) Perfusionist*innen sichergestellt sein. Als Mindestanforderung
ergibt sich somit für die Anzahl der zeitgleich anwesenden Perfusionist*innen bei
n laufenden EKZ-Perfusionen n + 1.[18]
Prozesse
Die Mitarbeiter*innen der Fachabteilung für Herzchirurgie sind eingebunden in ein
interdisziplinäres, multiprofessionelles Team, das die qualitativ hochwertige Patientenversorgung
unter Beachtung relevanter medizinischer Leitlinien in enger Kooperation gewährleistet.
Die Mindestanforderung an das ärztliche Herz-Team ist die nachvollziehbar strukturierte
Abstimmung zwischen Fachärzt*innen für Herzchirurgie und Kardiologie oder pädiatrische
Kardiologie, ggf. unter Einbindung von Fachärzt*innen für Anästhesie mit kardioanästhesiologischer
Kompetenz. Periodik, Struktur und Dokumentation von Herz-Team-Sitzungen sind obligat
festzulegen.
Neben den bereits bei den personellen Anforderungen genannten Fachkräften sind folgende
qualifizierte Personengruppen obligat einzubeziehen:
In Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Herzerkrankung, der notwendigen Diagnostik
und den Comorbiditäten der Patient*innen inkl. Risikobewertung ist die Erweiterung
von Herzteams notwendig, bzw. nachfolgende Fachbereiche/Konsiliardienste zur potentiellen
Mitbehandlung der Patient*innen müssen zur Verfügung stehen:
-
Anästhesiologie.
-
Labor-/Transfusionsmedizin.
-
Radiologie (inkl. digitaler Bilddatenübertragung).
-
Neurologie.
-
Gastroenterologie.
-
Angiologie/Gefäßchirurgie.
-
Thoraxchirurgie.
-
Allgemein-/Viszeralchirurgie.
-
Neurochirurgie.
-
Urologie.
-
Dermatologie.
Im Hinblick auf das Qualitätsmanagement einschließlich der Qualitätssicherung hat
eine Fachabteilung für Herzchirurgie vielfältige Aufgaben strukturiert zu erfüllen
und muss unter anderem die umfänglichen, für das Fachgebiet gesetzlich verpflichtenden
Dokumentationen (§136ff SGB V) vornehmen, wofür qualifiziertes Personal zwingend notwendig
ist.
Zusammenfassung
Eine qualitativ hochwertige Versorgung herzchirurgischer Patient*innen kann nur mit
Einsatz qualifizierten Personals sowie unter der Voraussetzung geeigneter Infrastrukturen
mit differenziert strukturierten Prozessen erbracht werden. Daher legt die vorliegende
Publikation Basis-Anforderungen fest, deren Erfüllung zwar keine Garantie, jedoch
eine nachvollziehbare Grundlage für eine qualitativ angemessene Versorgung herzchirurgischer
Patient*innen und deren Sicherheit darstellt. Abschließend sei nochmals explizit angemerkt,
dass die dargelegten Anforderungen als Mindestvoraussetzungen zu verstehen sind, und
dass für spezielle Bereiche des Fachgebietes Herzchirurgie (z.B. Organtransplantation,
mechanische Kreislaufunterstützung, Chirurgie angeborener Herzfehler etc.) zusätzliche
Voraussetzungen zu Infrastruktur, Personal und Prozessen obligat zu erfüllen sind.
Danksagung
Die Autoren (Geschäftsführender Vorstand der DGTHG und Adrian Bauer) bedanken sich
bei den Beisitzern des Vorstandes für die aktive Mithilfe bei der Erstellung dieses
Manuskriptes.