Schlüsselwörter
Hepatische Amyloidose - Leberversagen - Nierenversagen - Amyloidablagerung - transjuguläre
Leberbiopsie
Keywords
hepatic amyloidosis - liver failure - renal failure - amyloid deposition - transjugular
liver biopsy
Ein 63-jähriger Mann mit anamnestisch moderatem Alkoholkonsum hat eine vergrößerte
Leber, erhöhte Leberwerte und Aszites. Da die Ärzte eine Virushepatitis, Autoimmunhepatitis,
primär biliäre Cholangitis und metabolisch-genetische Lebererkrankung ausschließen
können, stellen sie die Verdachtsdiagnose einer akuten Alkoholhepatitis. Erst die
histopathologische Untersuchung offenbart, woran der Patient leidet. Wenige Tage später
stirbt er.
Seltene Erkrankung | Eine systemische Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, welche durch extrazelluläre
Ablagerungen von unlöslichen Fibrillen gekennzeichnet ist. Dabei unterscheidet man:
-
Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose, primäre Amyloidose)
-
Amyloid-Amyloidose (AA-Amyloidose, sekundäre Amyloidose), sowie seltenere Formen wie
-
β2-Mikroglobulin-assoziierte Form und
-
familiäre Amyloidose-Typen (Transthyretin-Amyloidose)
Amyloidablagerungen findet man am häufigsten in der Niere, dem Herzen, in den peripheren
Nerven sowie in bis zu 70 % der Patienten auch in der Leber [2]. Eine Leberbeteiligung ist klinisch oft inapparent, kann sich aber auch in einem
Leberversagen manifestieren [3], [5], [6].
Kasuistik
Anamnese | Bei einem 63-jährigen Mann tritt erstmals ein Aszites auf. Er wird von seinem Hausarzt
in unser Leberzentrum eingewiesen. Er leidet zudem unter einem leichten Druckschmerz
im rechten oberen Quadranten des Abdomens. Bevor der Aszites auftrat, verlor er ungewollt
4 kg Körpergewicht innerhalb von 3 Wochen. Der Patient beklagt Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit
und einen Leistungsknick. Fieber und weitere Symptome verneint er. Die medizinische
Vorgeschichte ist bis auf eine bestehende benigne Prostatahyperplasie und eine leichte
Hypercholesterinämie unauffällig. Auf Nachfrage liegt ein fraglich moderater Alkoholkonsum
vor. Des Weiteren lässt sich ein Ex-Nikotinabusus (kumulativ 15 pack years) eruieren.
Der Mann gibt an, dass in seiner Familie keine kardiovaskulären, neoplastischen und
gastroenterologisch-hepatologischen Erkrankungen vorliegen.
Körperliche Untersuchung | Der Patient befindet sich in einem reduzierten Allgemein- und normalen Ernährungszustand.
In der klinischen Untersuchung des Abdomens ist die Leber vergrößert tastbar und es
lässt sich Aszites nachweisen. Es zeigen sich zudem leichte periphere Ödeme. Die Untersuchungen
des Herzens, der Lunge und die neurologische Untersuchung ergeben keine pathologischen
Befunde.
Laborbefunde | Die Transaminasen sind mäßig erhöht (AST 142 U / l, ALT 67 U / l), die alkalische
Phosphatase liegt bei 1142 U / l, das Bilirubin bei 4,1 mg / dl mit einem direkten
Anteil von 2,1 mg / dl. Die γ-GT ist erhöht (818 U / l). Es lässt sich eine normale
plasmatische Gerinnung mit einem INR von 1,17 nachweisen. Das Blutbild zeigt einen
Hämoglobinwert von 17,1 g / dl, normwertige Thrombozyten (153 × 109 / µl) und normwertige Leukozyten (6,09 × 109 / µl).
Untersuchung des Aszitespunktats | Es erfolgt eine diagnostische und therapeutische Punktion des Aszites. Darin lassen
sich keine inflammatorischen oder malignen Zellen nachweisen. Insgesamt ist der Serum-Aszites-Albumin-Gradient
niedrig (SAAG < 1,1 g / dl).
Abdomensonografie | Hier zeigt sich ein 4-Quadranten-Aszites. Sichere Hinweise auf eine Leberzirrhose
gibt es nicht. Des Weiteren kann eine intra- und extrahepatische Cholestase ausgeschlossen
werden. Duplexsonografisch ergeben sich keine Hinweise auf eine Pfortaderthrombose
oder ein Budd-Chiari-Syndrom. In weiteren serologischen, virologischen und immunologischen
Untersuchungen können eine Virushepatitis, eine Autoimmunhepatitis, eine primär biliäre
Cholangitis sowie metabolisch-genetische Lebererkrankungen (Hämochromatose, alpha-1-Antitrypsinmangel
und M. Wilson) ausgeschlossen werden. Zusammenfassend ergibt sich bei Ausschluss der
oben genannten Ursachen und bei anamnestisch bestehendem fraglich moderatem Alkoholkonsum
der Verdacht auf eine akute Alkoholhepatitis.
Weiterführende hepatologische Diagnostik | In den folgenden Wochen verschlechtern sich die Leber- und Nierenfunktion rapide
(maximales Bilirubin 34,5 mg / dl, maximale ALT 428 U / l, maximale AST 659 U / l,
maximaler INR 2,81, maximales Serumkreatinin 9,06 mg / dl). Daher entscheiden wir
uns zur Durchführung einer transjugulären Leberbiopsie. Diese wird komplikationslos
durchgeführt, insbesondere ohne postinterventionelle Blutungskomplikationen.
Histopathologische Untersuchung | Das Biopsat enthält homogene, amorphe und eosinophile Ablagerungen im Disse-Raum
(▸ [
Abb. 1A
] und [
B
]), die sich in der Congo-Rot-Färbung anfärben lassen (▸ [
Abb. 1C
]). Die weiteren immunhistochemischen Färbungen zeigen eine positive Färbung für kappa-Leichtketten
(▸ [
Abb. 1D
]), während sich keine lambda-Leichtketten nachweisen lassen (▸ [
Abb. 1E
]). In Zusammenschau dieser Befunde wird die Diagnose einer AL-Amyloidose vom Typ
kappa gestellt.
Abb. 1 Histologische Untersuchung des Leberbiopsates mit einer HE-Färbung (A, B), Kongorotfärbung
(C) sowie eine immunhistochemische Färbung auf kappa- (D) und lambda-Leichtketten
(E). Die Sterne in B zeigen komprimierte und atrophische Hepatozyten. Orginalvergrößerungen:20
× (A), 200 × (B, C, D, E)
Weiterer Verlauf | Als Hinweis auf eine Nierenbeteiligung lässt sich eine Proteinurie nachweisen. In
der durchgeführten echokardiografischen Untersuchung zeigt sich eine diastolische
Dysfunktion als Hinweis auf eine restriktive Kardiomyopathie, was als typische Manifestation
einer kardialen Amyloidose beschrieben ist. Da die Erkrankung schnell fortschreitet,
wird sofort eine Chemotherapie mit Dexamethason, Cyclophosphamid und Bortezomib eingeleitet.
Innerhalb von wenigen Tagen tritt jedoch Fieber auf. Aufgrund einer Streptococcus-pneumoniae-Bakteriämie
muss die Chemotherapie gestoppt werden. Die komplizierende Infektion führt zu einem
zunehmenden Leber- und Nierenversagen, woran der Patient schließlich stirbt.
Diskussion
Selten gestellte Differenzialdiagnose | Eine Ablagerung von Amyloid in der Leber und Milz kommt bei einer systemischen Amyloidose
häufig vor, ohne jedoch Symptome zu verursachen. Wenn sie auftreten, so sind diese
in den meisten Fällen unspezifisch. Daher wird eine Amyloidose selten als mögliche
Differenzialdiagnose berücksichtigt (▸ [
Tab. 1
]). Eine Hepatomegalie findet sich bei 24–33 % der Patienten [7], [8]. Sie ist jedoch nicht pathognomonisch für eine Leberbeteiligung, da in ca. 33 %
der Patienten mit einer primären systemischen Amyloidose eine Hepatomegalie vorliegen
kann, ohne dass eine direkte hepatische Manifestation vorliegt [3], [9], [10]. Ist die Leber beteiligt, lässt sich bei 80–90 % der Patienten auch eine Hepatomegalie
nachweisen [11].
Tab. 1 Symptome und Befunde der klinischen Untersuchung bei Patienten mit einer Leberbeteiligung
bei einer Amyloidose [4].
Symptome
|
Klinische Untersuchung
|
|
-
Hepatomegalie (81 %)
-
Splenomegalie (10 %)
-
Aszites (42 %)
-
Purpura (15 %)
-
Spider naevi (7 %)
-
Ödeme (26 %)
|
Laborparameter oft nicht wegweisend | Pathologische Leberwerte, vor allem erhöhte Werte der alkalischen Phosphatase und
der AST, findet man vor allem bei einer fortgeschrittenen Leberbeteiligung [4]. Ein erhöhtes Bilirubin weist auf einen Progress der Erkrankung mit einer negativen
Prognose hin [4]. Die Einschränkung der Leberfunktion kann jedoch zum einen durch die hepatische
Beteiligung der Amyloidose bedingt sein, zum anderen aber auch durch eine Stauungshepatopathie
bei einer Amyloid-induzierten Herzinsuffizienz [12].
Die Leberwerte sind wenig sensitiv und spezifisch für die Diagnose einer Amyloidose.
Leberbiopsie sichert Diagnose | Aus diesem Grund ist es oft nur mit Hilfe einer Leberbiopsie möglich die Diagnose
zu stellen [13], [14]. Untersuchungen zeigten, dass nur wenige Ärzte eine Amyloidose als Diagnose vermuteten,
bevor eine Leberbiopsie durchgeführt wurde, was sich auch in unserem Fall wiederspiegelt
[4]. Eine Leberbiopsie kann entweder perkutan oder transjugulär durchgeführt werden.
Blutungskomplikationen (insbesondere eine Leberblutung als schwerwiegendste Komplikation)
bei einer perkutanen Punktion sind zwar allgemein selten, jedoch ist das Risiko bei
Patienten mit Gerinnungsanomalitäten, wie man sie unter anderem auch bei der Amyloidose
beobachtet, signifikant erhöht [4]. Eine transjuguläre Leberbiopsie hingegen reduziert das Risiko für Blutungen, da
die Leberkapsel nicht perforiert wird. Zudem stellt das Vorliegen von Aszites eine
Kontraindikation für die Durchführung einer perkutanen Leberbiopsie dar, sodass aufgrund
der Gerinnungsstörung und des vorliegenden Aszites in unserem Fall eine transjuguläre
Biopsie durchgeführt wurde [15].
Therapie | Die Behandlung hängt vom Typ der Amyloidose und von der Organbeteiligung ab. Das
Ziel der Therapie der AL-Amyloidose ist eine Eradikation der monoklonalen Plasmazellen,
die unkontrolliert freie Leichtketten produzieren und somit zu einer Ablagerung in
den Organen führen. Ein weiteres Ziel der Therapie ist aber auch die Organfunktionen
durch eine supportive Therapie zu erhalten [17]. Melphalan, Dexamethason und Cyclophosphamid sowie Prednisolon und seit einigen
Jahren auch Bortezomib sind häufige Substanzen, die in der Therapie der AL-Amyloidose
eingesetzt werden [17-19]. Des Weiteren wurde in selektionierten Patienten der Nutzen
einer Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer peripherer Stammzelltransplantation
untersucht. Hierbei zeigte sich bei ausgewählten Patienten ein verbessertes Überleben
[17]. Jedoch ist die Therapie der Amyloidose oft durch eine verzögerte Diagnosesicherung
und durch eine schnelle Krankheitsprogression limitiert und zudem ist eine aggressive
Therapie aufgrund einer Leber- und Niereninsuffizienz kaum möglich.
Prognose | Aufgrund eines schnellen Fortschreitens der Erkrankung mit einer progredienten Verschlechterung
der Funktion der betroffenen Organe, ist die Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben
von 8,5 Monaten bei einer bestehenden Leberbeteiligung sehr schlecht [4]. Erhöhte Bilirubinwerte, eine bestehende Herzinsuffizienz und erhöhte Thrombozyten
sind negative prognostische Faktoren für das Gesamtüberleben.
Konsequenz für Klinik und Praxis
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Eine hepatische Amyloidose wird meist zu spät diagnostiziert. Da die Erkrankung schnell
fortschreitet, ist die Prognose der Betroffenen schlecht.
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Die klinischen, laborchemischen und bildmorphologischen Veränderungen sind unspezifisch,
weshalb erst über die Leberhistologie die Diagnose gelingt.
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Eine Leberhistologie sollte daher bei allen unklaren akuten und chronischen Hepatopathien
bei sonst unauffälliger Abklärung in der Diagnostik erwogen werden.