Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(13): 973-974
DOI: 10.1055/s-0042-109456
Fachwissen
Hätten Sie’s gewusst?
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reisediarrhö

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Publication Date:
30 June 2016 (online)

 

    Zu Ihnen in die Praxis kommt ein Ehepaar, das vor 2 Tagen aus einem 14-tägigen Ägyptenurlaub zurückgekehrt ist. Bereits am Urlaubsort war es bei dem 54-jährigen Mann, der sonst im Wesentlichen gesund ist, zu Durchfällen gekommen: Frequenz 4 – 5 pro Tag, weich bis wässrig, kein Fieber, kein Blutabgang. Wie gehen Sie vor?

    Antwort Zunächst zuwarten, symptomatische Therapie, keine intensivierte Diagnostik.

    Kommentar Vorgehen bei Reisediarrhö nach Tropenaufenthalt:

    unkomplizierter, kurzer Verlauf (<1 Woche):

    • keine weitere Diagnostik,

    • symptomatische Therapie,

    komplizierte Diarrhö:

    • ausgeprägte Allgemeinsymptome: hohes und anhaltendes Fieber, Blutbeimengungen im Stuhl, hohe Durchfallfrequenz ( > 5), ausgeprägte abdominelle Schmerzhaftigkeit:

    • intensivierte Diagnostik,

    Patienten mit eingeschränktem Immunsystem:

    • intensivierte Diagnostik.

    Welches sind die häufigsten Erreger der Reisediarrhö?

    Antwort Die weitaus größte Gruppe bilden bakterielle Erreger, davon besonders häufig: E. coli. Parasiten sind eher seltene Erreger der Reisediarrhö.

    Kommentar Auslöser der Reisediarrhö:

    kein Organismus nachweisbar:

    • 30 – 50 %,

    bakterielle Erreger:

    • 30 – 70 %,

    • häufiger: enterotoxische E. coli, andere E. coli, Shigellen, Salmonellen, Campylobacter,

    • eher selten: Vibrio cholerae, Yersinien.

    Viren:

    • 1 – 8 %,

    • Rotaviren,

    Parasiten:

    • 2 – 5 %,

    • Entamoeba histolytica (Amöbenruhr),

    • Giardia lamblia,

    • Kryptosporidien,

    • Cave: Malaria tropica geht in 20 % der Fälle mit Durchfällen und gastrointestinalen Symptomen einher.

    Welche weiteren Untersuchungen veranlassen Sie bei komplizierten Durchfällen nach Tropenaufenthalten?

    Antwort Untersuchung des Stuhles auf Leukozyten und Erythrozyten, parasitologische Stuhluntersuchung, bakteriologische Stuhlkultur.

    Kommentar Intensivierte Diagnostik bei komplizierter Diarrhö nach Tropenaufenthalt:

    • Nativ-Stuhluntersuchung auf Leukozyten und Erythrozyten (bakterielle Durchfallursache, Invasivität der Erkrankung),

    • Stuhlkultur auf Salmonellen, Shigellen und Campylobacter, nachgeordnet auch auf Yersinien,

    • parasitologische Stuhluntersuchung auf Parasiten: Entamoeba histolytica (mikroskopischer Erregernachweis und weitere Differenzierung durch Antigennachweis oder PCR), Trophozoitennachweis von Giardia lamblia,

    • Untersuchung von Duodenalsekret auf Giardia lamblia,

    • bei immunsupprimierten Patienten: Untersuchung auf Kryptosporidien und Mikrosporidien,

    • die Untersuchung auf enterotoxische E. coli (ETEC) ist aufwändig und speziellen Fragestellungen vorbehalten.

    Sie haben den Verdacht auf das Vorliegen einer Amöbenruhr. Was müssen Sie bei der Stuhluntersuchung beachten?

    Antwort Möglichst sofortige Untersuchung von frischem Stuhl.

    Kommentar Mikroskopischer Erregernachweis bei Amöbenruhr (Entamoeba histolytica):

    • Stuhlprobe aus blutig-schleimigem Stuhl,

    • frischen Stuhl untersuchen,

    • endoskopisch gewonnenen Stuhl untersuchen,

    • Rektalabstrich,

    • diagnostisch verwertbar: Magnaform mit phagozytierten Erythrozyten.

    • im Zweifel: Speziesdifferenzierung durch Antigennachweis oder PCR.

    Sie haben bei einem Patienten eine Amöbenruhr diagnostiziert. Wodurch ist dieser Patient besonders gefährdet?

    Antwort Durch einen fulminanten Verlauf mit toxischem Megakolon, Perforation und Peritonitis sowie durch Abszesse in der Leber, möglicherweise mit Ruptur in die freie Bauchhöhle.

    Kommentar Zwei Verlaufsformen der Amöbiasis:

    intestinale Form:

    • Bild der Amöbenruhr mit blutig-schleimigen Diarrhöen,

    extraintestinale Form:

    • Leberabszesse (Cave: u. U. Ausprägung der Leberabszesse Monate bis Jahre nach Infektion).

    Wie behandeln Sie Durchfälle nach Tropenaufenthalt?

    Antwort Abhängig vom Schweregrad: Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts, symptomatische Behandlung der erhöhten Frequenz wässriger Stühle.

    Kommentar Komplizierte Diarrhöen (s. o.) werden u. U. antibiotisch behandelt.

    Welche symptomatischen Behandlungsformen kennen Sie zur Therapie einer Reisediarrhö?

    Antwort Peristaltikhemmung, Adsorbenzien, Probiotika und Antisekretorika.

    Kommentar Symptomatische Therapie einer Reisediarrhö:

    Peristaltikhemmer:

    • Mittel der Wahl: Loperamid:

    • rasche und signifikante Reduktion des Durchfallvolumens und der Stuhlfrequenz, verlängerte Transitzeit des Darminhalts, bessere Reabsorption von Wasser und Elektrolyten,

    • Cave: Begünstigung von Enteroinvasivität,

    • erprobte Kombination: Loperamid plus Antibiotikum (z. B. Chinolon),

    Adsorbenzien:

    • die Wirkung von Adsorbenzien (Medizinalkohle, Wismut-Subsalicylat) ist nicht in klinischen Studien gesichert,

    Probiotika:

    • auch die Wirkung von Probiotika (Saccharomyces boulardie, Streptococcus faecium, Lactobacillus) ist zwar immer wieder zu beobachten, in klinischen Studien jedoch nicht gesichert,

    Antisekretorika:

    • das Präparat Zaldaride führt zu einer Verkürzung der Durchfallepisoden durch antisekretorische Wirkung,

    • die Darmmotilität wird dabei nicht beeinflusst, die Nebenwirkungsrate ist gering,

    • das Präparat ist in Europa nicht zugelassen und erhältlich.

    Welches Antibiotikum würden Sie bei komplizierter Diarrhö (z. B. hochfieberhaft, Blutbeimengungen) verordnen?

    Antwort Ein Chinolon, bevorzugt Ciprofloxacin, 2 × 250 mg für 3 Tage.

    Kommentar Antibiotische Behandlung der komplizierten Reisediarrhö:

    • Chinolone (Mittel der Wahl): Ciprofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin,

    • Trimethoprim / Sulfamethoxaxol,

    • Doxycyclin,

    • Azithromycin.

    Wissen Sie auch, wie man die Amöbenruhr behandelt?

    Antwort Metronidazol über 10 Tage, anschließend eine Therapie zur Abtötung der Zysten, z. B. Diloxanid.

    Kommentar Therapie der Amöbiasis:

    intestinale Form:

    • Metronidazol für 10 Tage, anschließend Diloxanid für 10 Tage,

    extraintestinale Form:

    • Metronidazol für 10 Tage,

    • anschließend Diloxanid für 10 Tage,

    • keine Abszesspunktion!

    Was raten Sie einem gesunden jungen Mann im Hinblick auf eine Reisedurchfallprophylaxe bei geplanter Reise nach Ägypten?

    Antwort Im Vordergrund steht die Expositionsprophylaxe: „Boil it, cook it, peel it, or forget it“.

    Kommentar Expositionsprophylaxe:

    relativ sichere Speisen:

    • Speisen, die über 60º erhitzt wurden,

    • Speisen mit niedrigem pH-Wert (Zitrusfrüchte),

    • getrocknete Speisen (Brot),

    • sehr hoher Zuckergehalt.

    sehr unsichere Speisen:

    • Milchprodukte,

    • Speiseeis,

    • Salate,

    • Eiswürfel.

    Sie betreuen einen Patienten mit insulinabhängigem Diabetes mellitus. Er plant eine Reise nach Südostasien und berichtet, ein Jahr zuvor dort für 4 Tage erheblich unter Durchfällen gelitten zu haben. Was empfehlen sie dem Mann?

    Antwort Konsequente Einhaltung der Expositionsprophylaxe, Impfung gegen Typhus abdominalis und Antibiotikaprophylaxe mit Ciprofloxacin.

    Kommentar Mögliche Indikationen zur Antibiotikaprophylaxe der Reisediarrhö:

    gravierende vorbestehende Erkrankungen:

    • schwere kardiovaskuläre Erkrankungen,

    • schwere pulmonale Erkrankungen,

    • Diabetes mellitus,

    • Colitis ulcerosa,

    • Z. n. Apoplex,

    • hohes Lebensalter,

    • immundefiziente Patienten (insbesondere HIV-Infektion),

    • verminderte Magensäurebarriere (Notwendigkeit zur Einnahme von PPI, Z. n. Gastrektomie),

    Personen, bei denen eine Reisediarrhö aus anderen Gründen kurzfristig nicht akzeptabel ist:

    • Politiker, Geschäftsleute, bei diesem Personenkreis kann die Möglichkeit einer Antibiotikaprophylaxe angeboten werden.

    Eine 34-jährige Frau berichtet, sie sei vor 2 Wochen aus einem Ägyptenurlaub zurückgekehrt. Bereits während des Urlaubs hätten Durchfälle begonnen, die bis jetzt angehalten hätten. Sie sei bis jetzt nicht zum Arzt gegangen, weil sie sich im Grunde gesund fühle, jedoch gingen die Durchfälle einfach nicht weg. Frequenz 4 – 5 × pro Tag. Konsistenz weich bis wässrig, abends fühle sie sich aufgebläht und „wie im 9. Monat schwanger“. Dabei jedoch keine eigentlichen Schmerzen. Sie veranlassen eine Stuhlprobe und finden Giardia lamblia. Erklärt dieser Befund aus Ihrer Sicht die Beschwerden?

    Antwort Ja.

    Kommentar Lambliasis:

    Erreger:

    • Giardia lamblia,

    Inkubationszeit:

    • wenige Tage,

    Beschwerden:

    • oft gering,

    • Diarrhö, manchmal wässrig,

    • Meteorismus, lebhafte Darmgeräusche,

    • meistens kein Fieber, kein Krankheitsgefühl,

    • keine Blutbeimengungen.

    Diagnose:

    • Nachweis von Zysten und Giardia-Antigen im Stuhl (cave: rasche Untersuchung nötig oder vorherige Stuhlaufbereitung),

    Therapie:

    • Metronidazol.

    Nach:

    Berthold Block,
    Facharztprüfung Innere Medizin,
    3000 kommentierte Prüfungsfragen
    4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011,
    576 S., 106 Abb., kart.
    ISBN: 9783131359544


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