Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(21): 1530
DOI: 10.1055/s-0042-108693
Dossier
Elektrolytstörungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erkennen und richtig einschätzen

Mark Dominik Alscher
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Publication Date:
17 October 2016 (online)

Entwicklungsgeschichtlich bedingt sind die Zellfunktionen des menschlichen Organismus an eine optimale Zusammensetzung der intra- und extrazellulären Elektrolyte gebunden. Die Elektrolytzusammensetzung des Extrazellulärraumes entspricht der des Ur-Ozeanes (Panthalassa), aus dem die Zellen evolutionär stammen. Einzelne Physiologen prägten folglich den Ausdruck, dass der Mensch heute noch die Zusammensetzung des Ur-Ozeanes in seinem Extrazellulärraum trägt.

Über die Membran werden die Konzentrationsgradienten der einzelnen Elektrolyte durch verschiedene Mechanismen aufrecht erhalten. Dies ist essenziell dafür, dass die Erregungsleitung, Transporter und Organellen funktionieren können. Das Gleichgewicht des Elektrolythaushalts muss deshalb gewährleistet sein. Zahlreiche Erkrankungen, Überbeanspruchung von Regelmechanismen und zunehmend auch medikamentöse Interaktionen greifen in die Balancen ein. Je nachdem, wie groß die Ausprägung einer Störung ist, ist sie nicht mit dem Leben vereinbar. Dies ist unter anderem bei Störungen des Säure-Basen-Haushaltes der Fall. Wie wichtig es ist, hier die Ursachen zu diagnostizieren, erfahren Sie im Beitrag von Kimmel et al.. Aber auch Abweichungen des Kaliumhaushaltes beidseits der Norm können schwerwiegende Auswirkungen auf Herz- und Atemfunktion haben, wie der Beitrag zu „Hyper- und Hypokaliämien“ zeigt.

Über einfache und günstige Messverfahren zur Elektrolytbestimmung erhält man sehr schnell einen Überblick über vorliegende Störungen. Darauf kann ebenso schnell reagiert werden: Elektrolytstörungen sind häufig rasch korrigierbar, sie sind mit die dankbarsten Erkrankungen der Inneren Medizin. Das Hauptproblem ist, dass sie häufig nicht erkannt und aufgrund fehlender Kenntnisse über die Pathophysiologie nicht richtig eingeschätzt werden. Oft unterbleibt dann die adäquate Reaktion, was entsprechende Schäden bei den Betroffenen verursachen kann. Goss et al. erläutern deshalb eine schrittweise Diagnostik der Hyponatriämie unter Berücksichtigung des volämischen Zustandes. Dass beim Magnesium der optimale Zielbereich und das Vorgehen bei Störungen oft noch unklar ist, zeigt dagegen der Beitrag „Magnesiumstoff-wechsel“.

Es ist somit umso dankenswerter, dass in diesem Heft auf einige wenige der wichtigen Elektrolytstörungen ausführlich eingegangen wird. Für jeden Praktiker ist es essenziell, grundlegende Kenntnisse über diese Störungen zu haben, weil zielgerichtetes, rationales und fundiertes Handeln Schaden vom Patienten abwenden kann. Damit gehört die Beherrschung der Elektrolytstörungen zum Pflichtteil des ärztlichen Wissens. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre.