Schlüsselwörter
Bradykardie - AV-Block - Sick-Sinus-Syndrom - bifaszikulärer Blockierung - alternierender
Schenkelblock
Keywords
bradycardia - heart block - sick sinus syndrome - bifascicular bundle branch block
- alternating bundle branch block
Ist die Funktion des Sinusknotens oder die atrioventrikuläre Erregungsleitung gestört,
kommt es zu einer Bradykardie – die Herzfrequenz verlangsamt sich. Je nach Symptomatik
des Patienten kann eine Schrittmacher-Therapie indiziert sein. Doch die Diagnose einer
Bradykardie ist oftmals kompliziert, die Methoden vielseitig: Sie reichen von einem
einfachen Ruhe-EKG bis zum Langzeit-Monitoring mit implantiertem Loop-Rekorder.
Pathologische Bedeutung und Epidemiologie
Pathologische Bedeutung und Epidemiologie
Definition | Eine Herzfrequenz < 60 / min ist per Definition eine Bradykardie [1].
Da diese Definition willkürlich ist und praktisch jeder gesunde Mensch zu bestimmten
Zeiten (z. B. im Schlaf) eine Herzfrequenz unter 60 / min zeigt, ist eine Bradykardie
an sich nicht pathologisch.
Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden pathologisch, wenn sie zu Symptomen führen
oder assoziiert sind mit
-
einem erhöhten Risiko für einen Sturz,
-
der Entwicklung einer Herzinsuffizienz oder
-
einem plötzlichen Herztod.
In Deutschland werden wegen bradykarder Herzrhythmusstörungen jährlich über 100 000
Herzschrittmacher implantiert [2], [3].
Anamnese | Bei der Diagnose einer Bradykardie muss man immer erst den Mechanismus erkennen (prognostisch
relevant?) und einen klinischen Kontext herstellen:
-
assoziierte Symptomatik?
-
Sportler?
-
vagaler Einfluss?
-
reversible Ursachen?
Erst dann kann beurteilt werden, ob und wie eine Bradykardie einzustufen und zu behandeln
ist.
Formen von Bradykardien
Einteilung | Bradykardien werden in Erregungsbildungsstörungen (Sick-Sinus-Syndrom) und atrioventrikuläre
(AV) bzw. ventrikuläre Erregungsleitungsstörungen eingeteilt. Alle weiteren Schrittmacher-Indikationen
(z. B. Karotissinus-Syndrom, Vorhofflimmern mit bradykarder Überleitung) basieren
auf diesen beiden Bradykardie-Mechanismen. Zu den verschiedenen Formen gehören:
Sick-Sinus-Syndrom
Kranker Sinusknoten | Von einem Sick-Sinus-Syndrom spricht man, wenn durch eine Sinusknoten-Funktionsstörung
Symptome ausgelöst werden. Eine asymptomatische Sinusbradykardie ist kein Sick-Sinus-Syndrom.
Schrittmacher sind nur indiziert, wenn Symptome vorliegen.
Im EKG werden 4 verschiedene Formen des Sick-Sinus-Syndroms unterschieden:
(Permanente) Sinusbradykardie | Bei dieser Form des Sick-Sinus-Syndroms besteht eine Sinusbradykardie, erkennbar
an einer P-Wellen-Frequenz < 60 / min.
Sinuatrialer (SA-) Block und Sinusarrest | Bei diesem Krankheitsbild werden Sinusknotenimpulse nicht gebildet bzw. nicht oder
nur intermittierend auf den Vorhof übergeleitet. Die Impulse des Sinusknotens sind
jedoch im Körperoberflächen-EKG nicht sichtbar, sondern nur die P-Welle als Ausdruck
der erfolgten Leitung vom Sinusknoten auf den Vorhof. Daher findet sich im EKG eine
Pause ohne sichtbare P-Wellen (im Unterschied zum AV-Block, wo eine Pause durch nicht
übergeleitete P-Wellen zu erkennen ist).
Ein Sinusarrest liegt vor, wenn innerhalb der physiologischen Variationsbreite des
aktuellen Herzrhythmus keine P-Welle im EKG zu erkennen ist (meist für mehr als 2
Sekunden).
Es kann bei Sinusknoten-Stillstand zu einer Pause, aber auch zum Einspringen eines
Ersatzrhythmus aus dem AV-Knoten mit schmalem QRS-Komplex ohne vorhergehende P-Wellen
kommen. Dies nennt man „junktionalen Ersatzrhythmus“ (▸ [
Abb. 1
]).
Abb. 1 Sinusarrest (fortlaufende Registrierung, roter Pfeil, 25 mm / s): Nach 4 Aktionen
mit P-Wellen sistiert plötzlich die Sinusknotenaktivität, es folgt eine Asystolie
für ca. 6,5 s, die von einer Ventrikelaktion ohne vorausgehende P-Welle beendet wird
(junktionaler Ersatzschlag). Auch im Weiteren treten neben einer Sinusaktion und einer
supraventrikulären Extrasystole mehrere junktionale Ersatzschläge auf, der Sinusrhythmus
hat sich noch nicht wieder erholt.
Brady-Tachy-Syndrom | Patienten mit Sick-Sinus-Syndrom haben oft auch Vorhofflimmern. Bei gesundem AV-Knoten
wird Vorhofflimmern mit nur mäßiger Untersetzung auf den Ventrikel übergeleitet und
führt zu einer Kammerfrequenz von etwa 220 – Lebensalter, bei einem 70-Jährigen also
von etwa 150 / min. Die Überleitung variiert durch vagale und sympathische Einflüsse,
bewirkt aber insbesondere unter körperlicher Belastung eine Tachyarrhythmie.
Wenn das Vorhofflimmern spontan sistiert (paroxysmales Vorhofflimmern), kommt es beim
Sick-Sinus-Syndrom wegen der Sinusknoten-Dysfunktion häufig zu einer längeren Pause,
bevor der Sinusrhythmus wieder eintritt (präautomatische Pause) (▸ [
Abb. 2
]).
Abb. 2 Präautomatische Pause (fortlaufende Registrierung, 25 mm / s): Nach einer Phase von
Vorhofflimmern / -flattern stoppt die Tachyarrhythmie spontan, es tritt jedoch zunächst
kein Sinusrhythmus auf. Nach einer Asystolie von ca. 10,5 s (präautomatische Pause)
treten ein junktionaler Ersatzschlag und eine supraventrikuläre Extrasystole gefolgt
von einer weiteren Pause (Sinusarrest für weitere 3,3 s) auf. Erst im unteren Streifen
ist wieder Sinusrhythmus zu sehen. Im Unterschied zum Arrest im engeren Sinne kann
eine präautomatische Pause nur nach Sistieren eines anderen Rhythmus (z. B. Vorhofflimmern
/ -flattern, Schrittmacher-Stimulation) auftreten und beschreibt die Zeit bis zum
Eintreten eines Sinusrhythmus.
Oft bleibt der Sinusrhythmus auch im Weiteren bradykard. Ein Brady-Tachy-Syndrom als
Unterform des Sick-Sinus-Syndroms ist daher oft hochsymptomatisch:
-
Während der Phasen von Vorhofflimmern spüren die Patienten Symptome wie Herzrasen,
Palpitationen oder Dyspnoe,
-
bei einer präautomatischen Pause eine (Prä-) Synkope und
-
während der nachfolgenden Sinusbradykardie Schwindel.
Die Phasen tachyarrhythmischer Überleitung bedürfen meist einer bradykardisierenden
Medikation, die bei bekannten Pausen oder Bradykardien jedoch kontraindiziert ist.
Deshalb ist das Brady-Tachy-Syndrom eine häufige Indikation zur Herzschrittmacher-Implantation.
Chrontrope Inkompetenz | Diese bezeichnet generell die Unfähigkeit, eine der körperlichen Belastung entsprechende
Herzfrequenz bereitzustellen. Es existieren unterschiedliche formale Definitionen,
die für eine therapeutische Entscheidung jedoch oft nicht hilfreich sind. Im klinischen
Alltag hat sich die pragmatische Definition bewährt: Danach kann von einer klinisch
relevanten chronotropen Sinusknoten-Inkompetenz ausgegangen werden, wenn an der anaeroben
Schwelle (Spiroergometrie) oder im Langzeit-EKG bei Alltagsbelastung die maximale
Herzfrequenz < 90–100 / min liegt. Diese dürfte durch Schrittmachertherapie besser
werden.
AV-Block
Funktionell oder strukturell? | Die pathologische Bedeutung eines AV-Blocks hängt davon ab, ob er eine Folge extrinsischer
Faktoren (funktionell: vagaler oder medikamentöser Einfluss) ist oder eine intrinsische
(strukturell) Leitungsstörung vorliegt. Im Unterschied zur Sinusbradykardie kann eine
Bradykardie infolge eines AV-Blocks eine prognostische Bedeutung haben, die man mit
Schrittmachertherapie beeinflussen kann.
Daher kann ein AV-Block im Unterschied zum Sick-Sinus-Syndrom auch ohne Symptomatik
eine Indikation zur Schrittmachertherapie sein.
AV-Block I° | Bei diesem werden alle P-Wellen übergeleitet, jedoch beträgt die PQ-Zeit > 200 ms.
Er ist meist funktionell durch vagalen Einfluss verursacht und verschwindet unter
körperlicher Belastung. Eine intrinsische, nicht vagale Ursache kann vorliegen, wenn
ein AV-Block I° unter Belastung persistiert oder sogar länger wird. Eine PQ-Zeit >
300 ms ist bei rein vagalem Einfluss ungewöhnlich – in diesem Fall erfolgt eher der
Übergang in einen AV-Block II° mit Weckebach-Periodik. Diese Form kann bei steigender
Sinusfrequenz zu einem Pseudo-Schrittmacher-Syndrom führen (Vorhof-Pfropfungswellen
bei einem Patienten ohne Schrittmacher): Bei diesem liegen die P-Wellen in der ST-Strecke
oder T-Welle des vorausgehenden QRS-Komplexes (▸ [
Abb. 3
]).
Abb. 3 Langer AV-Block I° mit Pseudo-Schrittmacher-Syndrom (Schrittmacher-Syndrom ohne Schrittmacher)
(2 Ableitungen, 25 mm / s, Langzeit-EKG-Registrierung): Bei körperlicher Belastung
mit Anstieg der Herzfrequenz auf ca. 90 / min kommt es nicht zur Verkürzung eines
vorbestehenden AV-Blocks I°, der offenbar nicht vagal vermittelt, sondern fixiert
ist. Hierdurch rückt die P-Welle an die T-Welle des vorausgehenden QRS-Komplexes (besser
sichtbar in der unteren Ableitung). Dies kann eine „Vorhofpfropfung“, eine Vorhofkontraktion
gegen geschlossene AV-Klappen, hervorrufen und das Herzzeitvolumen reduzieren bzw.
zu einer vasovagalen Reaktion führen.
AV-Block II° Wenckebach | Bei diesem AV-Block verlängert sich die PQ-Zeit übergeleiteter P-Wellen periodisch
bis eine P-Wellen-Überleitung ausfällt. Pathognomonisch ist, dass die erste übergeleitete
P-Welle nach der Pause immer die kürzeste PQ-Zeit aufweist. Er ist meist vagal ausgelöst
und verschwindet unter Belastung – die Überleitung verschlechtert sich nicht, wenn
die Sinusfrequenz durch Atropin oder körperliche Belastung gesteigert wird.
AV-Block II° Typ Mobitz | In diesem Fall fällt die Überleitung von P-Wellen sporadisch und ohne Periodik aus.
Die PQ-Zeit übergeleiteter P-Wellen ist im Unterschied zum AV-Block II° Typ Wenckebach
konstant. Meist ist diese Form im / unterhalb des His-Bündels lokalisiert und nicht
vagal vermittelt. Die Überleitung verschlechtert sich unter Steigerung der Sinusfrequenz
durch Atropin oder körperliche Belastung.
AV-Block III° | Beim AV-Block III° sind atriale und ventrikuläre Aktionen per definitionem unabhängig
voneinander. Die Vorhoffrequenz ist daher ungleich und kein Vielfaches der Ventrikelfrequenz.
Um einen AV-Block III° von einem AV-Block II° mit 2:1- (oder 3:1-) Überleitung zu
unterscheiden, werden oft zahlreiche Ventrikelaktionen benötigt – optimal mit einer
Schreibgeschwindigkeit von 25 mm / s und einem langen Rhythmusstreifen. Bei einem
AV-Block III° liegt im Ventrikel in der Regel ein Ersatzrhythmus vor, entweder
-
aus dem Bereich der AV-Junktion bzw.
-
aus dem His-Bündels (Dauer des QRS-Komplexes ≤ 120 ms) oder
-
von infrahisär (QRS-Dauer > 120 ms) aus einem der Tawara-Schenkel bzw. Purkinje-Fasern.
Generell ist der Ersatzrhythmus umso distaler lokalisiert, je langsamer er ist und
je breiter der QRS-Komplex.
AV-Block II° mit 2:1- oder 3:1-Block | Bei einem solchen AV-Block wird nur jede 2. oder 3. P-Welle übergeleitet. Er zählt
zu den höhergradigen AV-Blockierungen. Der Unterschied zu einem AV-Block III° mit
stabilem Ersatzrhythmus wird oft erst in einem längeren Rhythmusstreifen deutlich
(Schreibgeschwindigkeit von 25 mm / s).
Paroxysmaler AV-Block | Bei einem paroxysmalen AV-Block besteht eine normale 1:1-AV-Überleitung (ggf. mit
AV-Block I° oder Schenkelblock) bis plötzlich konsekutive P-Wellen nicht mehr übergeleitet
werden. Ein Ersatzrhythmus fehlt in der Regel. Oft leitet eine supraventrikuläre oder
ventrikuläre Extrasystole einen paroxysmalen AV-Block ein und beendet diesen. Der
Mechanismus eines paroxysmalen AV-Block III° besteht in der Regel in einem Phase IV-Block
der infranodalen AV-Überleitung: Ein verkürztes RR-Intervall (typischerweise durch
eine Extrasystole) führt dazu, dass das Ruhemembran-Potenzial so gering wird, dass
das Leitungsgewebe unerregbar und die P-Wellen nicht mehr übergeleitet werden (▸ [
Abb. 4
]).
Abb. 4 Paroxysmaler kompletter AV-Block: Extremitäten-Ableitungen, 25 mm / s. Nach 4 übergeleiteten
Sinusaktionen (AV-Block I°, Rechtsschenkelblock) kommt es zu einer supraventrikulären
Extrasystole (5. Aktion) mit nachfolgendem komplettem AV-Block (A). Da auch nach ca.
20 Aktionen keine Eigenüberleitung zurückkehrt, wird über die soeben implantierte
Ventrikelelektrode ein Stimulus abgegeben. Hiernach besteht wieder 1:1-Überleitung
(1 Schlag mit Pseudofusion) (B). Mechanismus: Phase IV-Block.
AV-Block bei Vorhofflimmern | Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall. Erkennbar ist er an regelmäßigen R-R-Abständen,
oft mit breitem QRS. Ein regelmäßiger Kammerrhythmus beweist das Vorliegen eines (anhaltenden)
AV-Blocks III°, da Vorhofflimmern immer unregelmäßig überleitet (▸ [
Abb. 5
]). Dies ist eine Schrittmacher-Indikation. Für die viel häufiger vorkommende unregelmäßige
Bradykardie bei Vorhofflimmern ist der Grad der AV-Blockierung nicht definiert, auch
wenn für Pausen > 3 s ein intermittierender AV-Block III° angenommen werden kann.
Wie der Sinusrhythmus unterliegt auch die AV-Überleitung einem vagalen Einfluss. Intermittierende,
unregelmäßig bradykarde Phasen bei Vorhofflimmern nachts sowie in Ruhephasen und Tachyarrhythmie
bei körperlicher Aktivität sind daher häufige, normale Befunde bei Patienten mit Vorhofflimmern.
Abb. 5 AV-Block bei Vorhofflimmern (Brustwandableitungen, 25 mm / s): In Ableitung V1 sind
Vorhofflimmer-Aktionen zu erkennen, P-Wellen fehlen. Der regelmäßige ventrikuläre
Rhythmus (hier bei 35 / min) beweist bei Vorhofflimmern einen AV-Block III°.
Vorhofflimmern mit intermittierender, unregelmäßig bradykarder Kammerantwort ist nur
dann eine Schrittmacher-Indikation, wenn
Zur Differenzialdiagnose gehört das Vorhofflattern, bei dem regelmäßige R-R-Abstände
normal sind.
Schenkelblockierungen
Linksschenkelblock immer pathologisch | Da der rechte Tawara-Schenkel physiologischerweise etwas langsamer als der linke
leitet, ist ein inkompletter Rechtsschenkelblock meist ohne Krankheitswert (z. B.
bei Jugendlichen). Auch ein kompletter Rechtsschenkelblock hat nicht immer eine pathologische
Bedeutung.
Ein Linksschenkelblock ist dagegen immer auffällig bzw. pathologisch. Er geht jedoch
nicht per se mit einer Bradykardie einher, solange der rechte Schenkel leitet.
Von Interesse bei Patienten mit Verdacht auf rhythmogene Synkope sind Schenkelblockierungen,
die einen (infrahisären) kompletten AV-Block vorhersagen.
Bifaszikuläre Blockierungen | Neben der Leitungsunterbrechung beider linker Faszikel (Linksschenkelblock) findet
sich am häufigsten die Kombination eines
Dieser ist an einem überdrehten Linkslagetyp mit tiefem S in V6 zu erkennen. Seltener
findet sich eine Kombination zwischen komplettem Rechtsschenkelblock und linksposteriorem
Hemiblock. In ▸ [
Abb. 6
] findet sich eine QRS-Achse ≥ 90 ° (Rechtslagetyp oder überdrehter Rechtslagetyp).
In Ableitung I zeigt sich ein sehr breites S, in Ableitung III ein sehr schmales (<
40 ms) Q und eine Knotung im absteigenden Schenkel der R-Zacke.
Abb. 6 Bifaszikulärer Block in Form von Rechtsschenkelblock und linksposteriorem Hemiblock
(25 mm / s): Die dominante, breite, doppelgipflige R-Zacke in V1 zeigt einen Rechtsschenkelblock
an. Zusätzlich fallen ein Rechtslagetyp, eine breite / tiefe S-Zacke in I, ein sehr
schmales Q und eine Knotung in Ableitung III auf, die einen linksposterioren Hemiblock
definieren.
Bifaszikuläre Blockierungen
-
Kompletter Linksschenkelblock:
-
Rechtsschenkelblock + linksanteriorer Hemiblock:
-
QRS > 120 ms, R in V1 (M-förmig, rSR‘ oder rsR‘), überdrehter Linkstyp, S in V6
-
Rechtsschenkelblock + linksposteriorer Hemiblock:
-
QRS > 120 ms, R in V1 (M-förmig, rSR‘ oder rsR‘), QRS-Achse > 90 °, S in I, schmales
Q und Knotung in III
Drohender trifaszikulärer Block | Wenn zu einem bifaszikulären Block ein AV-Block I° hinzukommt, liegt der Verdacht
nahe, dass diese AV-Verzögerung nicht im AV-Knoten, sondern im letzten noch leitenden
Faszikel entsteht (▸ [
Abb. 7
]). Dies gilt auch für einen kompletten Linksschenkelblock mit zusätzlichem AV-Block
I° (oder sogar II°), der nicht nur im AV-Knoten, sondern auch im rechten Schenkel
lokalisiert sein kann. Dieser Verdacht erhärtet sich, falls anamnestisch Synkopen
hinzukommen. Persistiert oder schreitet der AV-Block I° unter Belastung / Sinusfrequenz-Steigerung
fort, ist dies ein weiteres Argument für eine Leitungsverzögerung im letzten leitenden
Faszikel. Beweisend ist letztlich eine elektrophysiologische Untersuchung, die eine
verlängerte Leitung vom His-Bündel auf den Ventrikel (HV-Zeit) nachweist.
Abb. 7 Bifaszikulärer Block und AV-Block I° mit Synkope (intermittierender trifaszikulärer
Block, 25 mm / s): Bei einem älteren Patienten mit Synkope fallen neben einem Rechtsschenkelblock
(dominantes R in V1) ein linksanteriorer Hemiblock (überdrehter Linkstyp, tiefes S
in V6) und ein AV-Block I° mit einer PQ-Zeit von 240 ms auf. In diesem Fall ist von
einer Leitungsverzögerung im linksposterioren Schenkel auszugehen, bei dessen Ausfall
ein trifaszikulärer Block die Synkope erklärt.
Alterniernder Schenkelblock | Werden bei einem Patienten neben Phasen eines Linksschenkelblocks auch Phasen eines
Rechtsschenkelblocks registriert, liegt ein alternierender Schenkelblock vor. Dieser
kann mit einem AV-Block III° gleichgesetzt werden: Beide Schenkel weisen fortgeschrittene
Leitungsstörungen auf. Bei Progredienz der Leitungsstörung im einen Schenkel springt
der andere (zuvor stärker blockierte) ein. Die Schenkelblockmorphologie kann von einem
zum nächsten Schlag oder auch in konsekutiven EKGs wechseln (▸ [
Abb. 8
]).
Abb. 8 Drohender trifaszikulärer Block (25 mm / s): Bei dieser Patientin mit Synkope liegt
ein bifaszikulärer Schenkelblock (Rechtsschenkelblock und linksanteriorer Hemiblock)
vor. In den Brustwandableitungen fällt auf, dass sich bei jeder 2. Aktion die PQ-Zeit
von 240 auf 280 ms verlängert und sich gleichzeitig die Morphologie des nachfolgenden
QRS-Komplexes ändert (keine Rechtsschenkelblock-Morphologie mehr). Es ist davon auszugehen,
dass bei den Aktionen mit einer PQ-Zeit von 240 ms der linksposteriore Schenkel noch
leitet, diese Leitung sich jedoch erschöpft und sich daher bei jedem 2. Zyklus die
PQ-Zeit auf 280 ms verlängert. Zu diesem Zeitpunkt wird die Leitung vom rechten Schenkel
übernommen (Rechtsschenkelblock verschwindet). Hier sind offenbar alle 3 Schenkel
erkrankt und leiten gar nicht (linksanteriorer Schenkel), nur intermittierend (linksposteriorer
Schenkel) oder nur verzögert (rechter Schenkel).
Extrinsisch induzierte Bradykardien
Extrinsisch induzierte Bradykardien
Äußere Einflüsse | Neben einer intrinsischen strukturellen Erregungsbildungs- oder -leitungsstörung
kann auch ein reversibler extrinsischer Einfluss eine Bradykardie verursachen. Beispiele
hierfür sind vagale Einflüsse und Auswirkungen von Reflexkreisen. Es besteht eine
normale intrinsische Sinus- / AV-Knoten-Funktion. Die Diagnose wird gestellt, wenn
Sinusfrequenz und AV-Überleitung gleichzeitig langsamer werden.
Erhöhter Parasympathiko-Tonus | Bei erhöhtem Parasympathikotonus (z. B. Schlaf, vasovagale Reaktion) kann es sowohl
zu einer Sinusbradykardie als auch zu einer AV-Blockierung kommen. Auch beides gleichzeitig
ist möglich. Da der parasympathische Einfluss mit zunehmendem Lebensalter abnimmt,
sind vagal vermittelte Bradykardien vor allem bei Patienten < 40 Jahre häufig. Neben
der Anamnese (Auftreten zu Tageszeiten oder bei Situationen mit vorherrschendem Vagotonus)
fällt bei vagal vermittelter AV-Blockierung eine reduzierte Sinusfrequenz auf.
Karotis-Sinus-Syndrom | Tätigkeiten wie Rasieren, Schlipsknoten, Kragenschließen, rasche oder starke Kopfdrehung
z. B. beim Überholvorgang im Auto reizen die Barorezeptoren im Bereich der Karotis-Gabel.
Dadurch kann ein Reflex ausgelöst werden, der einen Blutdruckabfall und / oder eine
Frequenzreduktion bis hin zur Asystolie > 3 s bewirkt. Die Asystolie kann in einem
Sinusarrest, einem AV-Block III° oder beidem bestehen.
Ursachen
Sick-Sinus-Syndrom | Die zugrundeliegende Pathologie des Sick-Sinus-Syndroms ist eine Fibrose im Bereich
des Sinusknotens und seiner angrenzenden Strukturen. Diese kann zu einem Ausfall der
Pacemaker-Zellen oder einer Blockierung der Leitung aus dem Sinusknoten in den Vorhof
führen. Risikofaktoren für die Entwicklung eines Sick-Sinus-Syndroms sind in erster
Linie
In Langzeit-Beobachtungen sind mit dem Syndrom außerdem folgende Ursachen assoziiert
worden:
Vorhofflimmern | Sick-Sinus-Syndrom und Vorhofflimmern haben oft eine gemeinsame Ursache, die atriale
Fibrose. Sie interagieren auf mehreren Ebenen miteinander: Vorhofflimmern unterdrückt
die Sinusknotenaktivität mit der Folge eines Remodellings des Sinusknotens.
Eine Sinusbradykardie ist zumindest bei einigen Patienten ein Trigger für Vorhofflimmern.
AV-Blockierungen | Diese können bereits kongenital vorliegen infolge
-
kongenitaler Vitien mit Einbeziehung der AV-Region (Ventrikelseptumdefekt, atrioseptaler
Defekt vom Primumtyp etc.),
-
Autoimmunerkrankungen der Mutter (v. a. Lupus erythematodes),
-
Myokarditis oder
-
idiopathisch.
Ein erworbener AV-Block ist häufig ischämisch verursacht (chronischer oder akuter
Myokardinfarkt).
Neben Myokarditiden, Kardiomyopathie, Hypertonie und operativ-mechanischer Schädigung
des Reizleitungssystems – etwa nach Aortenklappenoperation oder transarteriellem Aortenklappenersatz
– bleibt die Ursache bei ca. 40 % der Patienten unklar (idiopathisch).
Reversibler AV-Block | Besonders AV-Blockierungen können zahlreiche reversible Ursachen haben: In erster
Linie sollten virale, bakterielle und andere Infektionen ausgeschlossen werden, die
eine akute Myokarditis verursachen. Auch nach einem Erythema nodosum (Borreliose mit
Lyme-Disease, Sarkoidose) sollte gesucht bzw. gefragt werden. Selten kann es zu einem
AV-Block im Rahmen von Sarkoidose, Kollagenose oder kardialen Metastasen kommen. Verschiedene
neuromuskuläre Erkrankungen können Schenkel- und AV-Blockierungen verursachen. Bei
Bradykardien sollte man Elektrolyte und bradykardisierende Medikamente kontrollieren.
Eine Übersicht der Ursachen des Sick-Sinus-Syndroms und der AV-Blockierungen finden
Sie online (▸ [
sTab. 1
]).
sTab. 1 Ursachen für Sinusknoten-Funktionsstörungen und AV-Blockierungen
Ursachen für Bradykardien
|
Sinusknoten-Funktionsstörungen
|
-
Alter (degenerative Prozesse, Fibrose)
-
arterielle Hypertonie
-
Rechtsherzbelastung (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Emphysem)
-
Herzinsuffizienz
-
Niereninsuffizienz
-
Koronare Herzkrankheit
-
Myokarditis
-
Diabetes mellitus
-
autonome Neuropathie/Denervierung (primär, sekundär, z. B. bei M. Parkinson, nach
Herztransplantation)
-
zentralnervöse Neuropathien
-
bradykardisierende Medikamente
-
idiopathisch, unklar
|
AV-Blockierungen
|
-
Ischämisch (koronare Herzkrankheit, nach Myokardinfarkt)
-
Kardiomyopathie (dilatativ, hypertroph)
-
Herzinsuffizienz (ischämisch, nicht-ischämisch)
-
Hypertonie, hypertensive Herzerkrankung
-
Myokarditis (v. a. viral; bakteriell: Diphtherie, Typhus)
-
Borreliose (Lyme-Disease)
-
Endokarditis (Aortenklappe mit septalem Abszess!)
-
nach Herzoperation (v. a. Aortenklappen-, Ventrikelseptum-Operation, septale Myektomie)
-
nach transarterieller Aortenklappen-Implantation (TAVI)
-
nach Katheterablation (akzessorische Bahn, His-Bündel)
-
Chagas-Disease
-
infiltrativ (Sarkoidose, Amyloidose, Hämochromatose)
-
Tumoren (v. a. Metastasen)
-
Kollagenosen (v. a. rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Sklerodermie, M. Bechterew)
-
neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. myotone Dystrophie, Friedreich’sche Ataxie)
-
kongenital (z. B. Ventrikelseptumdefekt, atrioseptaler Defekt vom Primumtyp, Lupus
erythematodes der Mutter)
-
idiopathisch, unklar
|
Symptomatik
Intermittierende Bradykardien | Die neuen Leitlinien zur Schrittmachertherapie der Europäischen Gesellschaft für
Kardiologie unterscheiden Symptome, die typisch für intermittierende und permanente
Bradykardien sind (ESC, [5], [6], [7]). Intermittierende Bradykardien (Sinusarrest, paroxysmaler AV-Block) gehen mit Pausen
und plötzlichen Frequenzabfällen einher. Sie führen zu den Kardinalsymptomen
Permanente Bradykardien | Diese Bradykardien (Sinusbradykardie, 2:1-AV-Block) gehen häufig mit dauerhaft langsamer
Herzfrequenz und daher mit Symptomen einer Herzinsuffizienz einher:
-
Dyspnoe, insbesondere unter Belastung
-
Ödeme
-
generelle Belastungsintoleranz
-
allgemeine Müdigkeit
-
allgemeiner Schwindel und
-
Orthostase
Unspezifische Symptome | Neben diesen eher typischen Symptomen bradykarder Herzrhythmusstörungen können auch
sehr unspezifische Beschwerden bestehen. Dazu gehören besonders allgemeine kognitive
Defizite wie
Patienten mit Bradykardien, die eine Schrittmachertherapie erfordern, sind zumeist
älter und komorbid. Deshalb ist die Differenzialdiagnostik oft schwierig und die Symptome
können häufig mehreren Ursachen zugeschrieben werden.
Diagnostisches Vorgehen
Einfaches EKG | Bei permanenten Bradykardien, die zu jedem Zeitpunkt vorliegen, reicht zur Diagnose
der Arrhythmie ein einfaches EKG aus.
Die Schreibweise auf 25 mm / s mit Rhythmusstreifen vereinfacht die Analyse, insbesondere
eine Periodik und ein Grundrhythmus können oft erst nach mehreren Zyklen beurteilt
werden.
EKG nach Symptomhäufigkeit | Bei intermittierenden Bradykardien ist es notwendig, die Monitoringphase der Symptomhäufigkeit
anzupassen (▸ [
Tab. 1
]). Treten Symptome täglich auf, sind ein 24-Stunden-Langzeit-EKG oder eine stationäre
Telemetrie in der Regel ausreichend. Um eine Rhythmus-Symptom-Korrelation herzustellen,
ist die Dokumentation der Uhrzeit der Symptome durch den Patienten entscheidend. Die
Monitoring-Phase durch konventionelles kontinuierliches Langzeit-EKG bzw. Telemetrie
kann auf 48–72 h verlängert werden, wenn die Beschwerden etwas seltener auftreten
(z. B. alle 2–3 Tage). Bei geringerer Symptomfrequenz (z. B. 1 Mal pro Woche bis 1
Mal pro Monat) kann die Anlage eines Event-Rekorders bzw. externen Loop-Rekorders
sinnvoll sein. Damit kann der Patient täglich selbst die Elektroden wechseln und mittels
Knopfdruck bei Symptomen eine EKG-Speicherung triggern.
Tab. 1 Die Art der EKG-Diagnostik hängt von der Symptomhäufigkeit ab.
Symptomhäufigkeit
|
EKG-Methode
|
ständig
|
Ruhe-EKG
|
täglich
|
24 h-Langzeit-EKG, stationäre Telemetrie
|
alle 2–3 Tage
|
48–72 h-Langzeit-EKG, stationäre Telemetrie
|
einmal pro Woche
|
7-Tage-Langzeit-EKG, Event-Rekorder
|
einmal pro Monat
|
Event-Rekorder (14–30 Tage)
|
weniger als einmal pro Monat
|
implantierbarer Loop-Rekorder
|
Bei vielen Patienten treten Symptome deutlich seltener als einmal pro Monat auf, z.
B. eine Synkope.
Loop-Rekorder | In diesem Fall besteht die Möglichkeit der Implantation eines Loop-Rekorders (z.
B. BioMonitor®, Fa. Biotronik, Reveal®, Fa. Medtronic oder Confirm®, Fa. St. Jude Medical). Der Patient kann bei Symptomen ein EKG für einige Minuten
vor und nach Aktivierung manuell speichern. Daneben bestehen auch automatische Algorithmen
zur Detektion und Speicherung des EKGs von Brady- und Tachyarrhythmien. Die Systeme
haben in der Regel eine Laufzeit von 3–5 Jahren. Sie ermöglichen in einem Zeitraum
von 4 Jahren bei ca. 80 % der Patienten mit Synkopen, die nach konventionellem Work-up
unklar bleiben, eine eindeutige Diagnose mit EKG-Symptom-Korrelation.
Spiroergometrie und Ergometrie | Einige Bradykardien können in Provokationstests oder invasiv nachgewiesen werden.
Die Diagnose einer chronotropen Inkompetenz wird am besten mittels Spiroergometrie
gestellt: Die anaerobe Schwelle und maximale Sauerstoffaufnahme sind damit objektiv
messbar. So kann bei körperlicher Erschöpfung geklärt werden, ob dies kardiopulmonale
oder nicht-kardiale Ursachen hat – oder ob es an Motivation mangelt.
Bei einer Herzfrequenz < 90–100 / min an der anaeroben Schwelle ist eine chronotrope
Inkompetenz klinisch relevant und mit einer Schrittmacherstimulation verbesserbar.
Ersatzweise kann eine chronotrope Inkompetenz auch in einer Ergometrie auf dem Fahrrad
oder Laufband beurteilt werden. Bei fehlender Belastbarkeit (z. B. Knie- / Hüftprobleme)
ist auch ein Langzeit-EKG möglich, sofern der Patient sich hierunter körperlich belastet.
Kipptisch-Untersuchung | Bei neurokardialer Synkope kann eine Kipptisch-Untersuchung eine Bradykardie oder
Asystolie provozieren. Die Aussagekraft ist jedoch eingeschränkt: Auch bei Patienten
mit klinischer neurokardialer Synkope vom Asystolie-Typ kann eine Reaktion ausbleiben
oder der Patient reagiert lediglich vasodepressiv mit einem Blutdruckabfall.
Karotissinus-Massage | Bei Verdacht auf einen hypersensitiven Karotissinus kann eine Karotissinus-Massage
hilfreich sein. Dies ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Synkope im zeitlichen Zusammenhang
mit einer Karotisreizung im Alltag steht (Krawattebinden, Rasieren, rasche / heftige
Kopfdrehung). Denn ein beträchtlicher Anteil älterer Menschen zeigt auf Karotisdruck
eine völlig unspezifische Reaktion in Form von Herzfrequenzabfall oder Asystolie und
nach der wahren Ursache einer Synkope (z. B. Kammertachykardien) wird nach einem falsch-positiven
Karotis-Druckversuch nicht weiter gesucht. Vor einem Karotis-Druckversuch sollte die
Karotis auskultiert und bei Strömungsgeräusch mit Farbduplex untersucht werden. So
kann man eine Plaqueablösung mit Schlaganfall durch Karotisdruck vermeiden, auch wenn
die Evidenz hierfür eher anekdotisch ist.
Infrahisäre Leitung messen | Bei bifaszikulärem (inklusive Linksschenkel-) Block oder AV-Block I° mit PQ > 300
ms kann es bei Schrittmacher-Indikation wegen unklarer Synkope hilfreich sein, die
infrahisäre Leitung (HV-Zeit) zu messen.
Provokationstest in der Bradykardie-Diagnostik
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Fahrradergometrie (chronotrope Inkompetenz, Verschlechterung der Überleitung bei infrahisärem
AV-Block)
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Kipptisch-Untersuchung (neurokardiale Synkope?)
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Karotis-Druckversuch (nur bei Synkopen im Zusammenhang mit Karotisreizung im Alltag)
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elektrophysiologische Untersuchung (infrahisäre Leitungsstörungen, Auslösung ventrikulärer
Arrhythmien in der Synkopen-Differenzialdiagnose)
Synkopenursache unklar
Elektrophysiologie | Manche Synkopen bleiben trotz Abklärung möglicher Ursachen unklar (inkl. Implantation
eines Loop-Rekorders). Eine invasive elektrophysiologische Untersuchung (EPU) ist
jedoch nur indiziert, wenn im EKG Hinweise für eine mögliche Bradykardie / Pause vorhanden
sind (z. B. Schenkelblock, AV-Block I° oder II°). Indiziert ist eine EPU auch, wenn
in der chronischen Postinfarktphase nicht-anhaltende Kammertachykardien und eine mäßige
linksventrikuläre Funktionsminderung (EF 36–45 %) den Verdacht auf maligne ventrikuläre
Rhythmusstörungen lenken. Die EPU erübrigt sich, wenn gleichzeitig die Indikation
zur primärprophylaktischen ICD-Therapie besteht. Eine Schrittmacher-Implantation ist
bei Synkope oder unklarem Sturz nicht sinnvoll, wenn keine Bradykardie bzw. Leitungsstörung
nachgewiesen wurde.
Vorgehen | Mögliches Prozedere bei unklarer Synkope und (Links-) Schenkelblock:
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Abwarten (jüngerer Patient, geringes Verletzungsrisiko)
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Implantation eines Loop-Rekorders
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elektrophysiologische Untersuchung (z. B. bei gleichzeitigem AV-Block I°)
Bei weiter negativen Testergebnissen ggf. im Einzelfall:
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DDD-Schrittmacher-Implantation (hohes Verletzungsrisiko, älterer Patient)
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CRT-Schrittmacher-Implantation (linksventrikuläre Ejektionsfraktion 36–45 %)
-
CRT-Defibrillator-Implantation (linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤ 35 %)
Differenzialdiagnose im EKG
Differenzialdiagnose im EKG
Bei EKG beachten | Einige Fallstricke bestehen bei der EKG-Diagnose von Bradykardien. Entscheidend für
eine korrekte Diagnose ist oft
-
die Verfügbarkeit eines 12-Kanal-EKGs und nicht nur einzelner Ableitungen,
-
eine Schreibweise bei 25 mm / s, durch die P-Wellen wesentlich besser sichtbar werden,
und
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ein Rhythmusstreifen, der längere Perioden erst sichtbar macht (z. B. zunehmende Verlängerung
des PQ-Intervalls über 6–7 Zyklen mit periodischem Ausfall der Überleitung alle 8
Zyklen).
SA-Block oder supraventrikuläre Extrasystole (SVES) mit postextrasystolischer Pause?
| In einigen EKGs ist es schwierig zu unterscheiden, ob eine Pause ohne sichtbare P-Welle
durch Ausfall einer Sinusaktion oder durch eine oder mehrere SVES mit postextrasystolischer
Pause zustande kommt. Hier kann die Messung des PP-Intervalls helfen: Bei einem SA-Block
nimmt dieses kontinuierlich ab (typischerweise 10–40 ms zwischen 2 Zyklen), bevor
es zu einer Pause kommt. SVES oder ein supraventrikulärer Bigeminus zeigen diese Periodik
nicht.
Sinusbradykardie oder blockierte SVES? | Im 1- oder 2-Kanal-EKG (Langzeit-EKG, Telemetrie-Streifen) kann sich eine Bradykardie
manchmal als Sinusbradykardie zeigen, die sich im 12-Kanal-EKG als blockierte supraventrikuläre
Extrasystolie herausstellt. Hier hilft manchmal der Vergleich der ST-Strecke / T-Welle
zwischen normaler Frequenz und Bradykardie. Aus diesem kann ggf. hervorgehen, dass
bei scheinbarer Bradykardie P-Wellen zum Zeitpunkt der ST-Strecke / T-Welle einfallen
(▸ [
Abb. 9
]).
Abb. 9 Blockierter supraventrikulärer Bigeminus: Papiergeschwindigkeit 25 mm / s. Auf den
ersten Blick (z. B. Ableitung II) scheint eine Sinusbradykardie um 44 / min vorzuliegen.
Bei Analyse der Ableitungen V1–V3 fällt jedoch eine Veränderung in der ST-Strecke
auf, die supraventrikulären Extrasystolen nach jeder Sinusaktion entspricht (supraventrikulärer
Bigeminus). Die supraventrikulären Extrasystolen fallen so früh ein, dass der AV-Knoten
noch refraktär ist (blockierter supraventrikulärer Bigeminus).
2:1-AV-Block oder blockierter SV-Bigeminus? | Ein SV-Bigeminus, bei dem die SVES im AV-Knoten blockiert sind, kann einem AV-Block
II° mit 2:1-Überleitung ähnlich sehen. Entscheidend ist die Bestimmung des Intervalls
zwischen übergeleiteten und blockierten P-Wellen: Ist es regelmäßig (± 40 ms), liegt
ein AV-Block II° mit 2:1-Überleitung vor. Ist der Abstand von der übergeleiteten zur
blockierten P-Welle kürzer als der Abstand von der blockierten zur nächsten übergeleiteten
P-Welle (Intervall < 75 %), liegt ein blockierter SV-Bigeminus vor. Bei diesem handelt
es sich nicht um eine Bradykardie.
U-Welle oder AV-Block II° mit 2:1-Überleitung? | Bei Patienten mit Bradykardie kann eine deutlich sichtbare U-Welle vorliegen, die
einer P-Welle ähnlich sehen kann und dann von einem AV-Block II° mit 2:1-Überleitung
unterschieden werden muss. Eine U-Welle ist im Gegensatz zu einer P-Welle meist nur
in den Brustwandableitungen zu sehen, fast immer breiter als 0 ms (160 ms) und kleiner
als 0,2 mV (▸ [
Abb. 10
]).
Abb. 10 Long-QT-Syndrom Typ 2 ( 25 mm / s): Bradykardie um 47 / min. In den Ableitungen II
und V3–V5 finden sich doppelgipflige T-Wellen, die typisch für das Long-QT-Syndrom
Typ II sind. Die Differenzialdiagnose umfasst die Sinusbradykardie und einen blockierten
supraventrikulären Bigeminus.
Unter Vaguseinfluss nicht-übergeleitete P-Wellen | Moderne Langzeit-EKGs weisen automatisch die längste Pause bzw. niedrigste Herzfrequenz
der Registrierperiode aus. Hierbei werden oft isolierte nicht-übergeleitete P-Wellen,
die nachts auftreten, dargestellt. Dieses Phänomen ist in der Regel vagal induziert,
ohne pathologische Bedeutung und tritt besonders bei Patienten mit neurokardialen
Synkopen auf (z. B. Jugendliche, Sportler). Beweisend für eine extrinsische, vagale
Ursache ist die Koinzidenz einer oder mehrerer blockierter P-Wellen mit einer gleichzeitig
reduzierten Sinusfrequenz: Bei einer pathologischen, infrahisären Leitungsblockierung
wird die Überleitung bei reduzierter Sinusfrequenz besser und nur bei Steigerung schlechter
(▸ [
Abb. 11
]).
Abb. 11 Vagal nicht-übergeleitete P-Welle (25 mm / s, 2-Kanal-Langzeit-EKG): Um kurz nach
4 Uhr nachts kommt es zu einer nicht übergeleiteten P-Welle. Diese P-Welle tritt etwas
später auf als die vorhergehende (Verlängerung der Sinuszykluslänge von 1040 auf 1080
ms). Die gleichzeitige Verlangsamung von Sinusknoten- und AV-Knoten-Aktivität spricht
für einen externen Einfluss, der beide Zentren beeinflusst (vagaler Einfluss).
Konsequenz für Klinik und Praxis
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Bei der Analyse von Bradykardien sind verschiedene Formen der Sinusknoten-Funktionsstörungen
und der AV-Überleitungsstörung zu unterscheiden.
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Intermittierende Bradykardien gehen typischerweise mit Synkopen einher (z. B. intermittierender
Sinusarrest oder AV-Block III°). Permanente Bradykardien verursachen häufiger Allgemeinsymptome
und sind im EKG oft nicht sofort als Ursache der Symptomatik erkennbar (z. B. chronotrope
Sinusknoteninkompetenz, sehr langer AV-Block I°).
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Die Dokumentation intermittierender Bradykardien erfordert oft ein Langzeit-Monitoring-Verfahren
inklusive implantierbare Loop-Rekorder – insbesondere um einen klaren Zusammenhang
zwischen einer Symptomatik und der assoziierten Bradykardie zu beweisen.