Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(01): 3
DOI: 10.1055/s-0042-102032
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weniger Reden – Handeln

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Publication Date:
22 February 2016 (online)

 

    Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

    jeder Arbeitsplatz weist seine Besonderheiten auf, die sich unter anderem in der obligaten Gefährdungsanalyse niederschlagen. Nichts anderes gilt für die Tätigkeit auf den Offshore-Windenergie-Anlagen in der Nordsee. Angesichts des erschwerten Zugangs in Notfällen spielen die gesundheitliche Eignungsuntersuchung und arbeitsmedizinische Vorsorge eine besondere Rolle. Alexandra M. Preisser et al. stellen uns die einschlägigen Empfehlungen vor; diese wurden 2015 in eine S1-Leitlinie der AWMF überführt.

    Die meisten von uns dürften schon ein- oder mehrmals an Bord eines Flugzeugs mit einem medizinischen Notfall (in-flight medical emergency) konfrontiert worden sein. Obwohl diese Ereignisse zu dokumentieren und auszuwerten sind, fehlt es an einheitlichen nationalen und internationalen Registern. Es ist zu hoffen, dass es Jochen Hinkelbein et al. mit dem interdisziplinär erarbeiteten, standardisierten Erfassungsprotokoll der Deutschen Luft- und Raumfahrtmedizin gelingt, endlich die formalen Voraussetzungen für eine gesicherte Datenbasis zu implementieren.

    Im Oktober 2014 hatte ich Gelegenheit, die Luftqualität in Peking aus eigener allmorgendlicher „Anschauung“ beurteilen zu können: Reicht die Sichtweite über die Straße vor dem Hotel oder doch etwa 200 m weit? Wer mit dem Finger auf diese und andere Megastädte deutet, in denen unbestritten bei der Feinstaubaußenbelastung noch vieles im Argen liegt, sei auf die Großstadt „zwischen Wald und Reben“, das baden-württembergische Stuttgart, verwiesen. Vor wenigen Wochen ist hier das auf freiwilligem Fahrverzicht beruhende Experiment zur Verbesserung der Luftqualität durch Senkung der Feinstaubbelastung weitgehend gescheitert: Ganze 3 % geringeres Aufkommen an Fahrzeugen im Stadtbezirk. Axel Telzerow et al. bleiben den Beweis für ihren mit „Erhöhte Feinstaubwerte haben ernstzunehmende Konsequenzen“ betitelten Aufsatz nicht schuldig. In Bezug auf Pneumonien, COPD, Herzinfarkte, Diabetes mellitus et cetera werden die gesundheitlichen Risiken erhöhter Feinstaubbelastung wohl von vielen noch unterschätzt.

    Dass trotz zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen und regelmäßig aktualisierter Merkblätter über eine angemessene reisemedizinischen Beratung zur Malariachemoprophylaxe nach wie vor eine erhebliche Subjektivität und Variabilität in der Verschreibungspraxis besteht, ist das erstaunliche und nicht eben erfreuliche Ergebnis einer Studie, die von Linda Sanftenberg et al. vorgestellt werden. Im Interesse der Qualitätssicherung ist zu hoffen, dass die vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen, unter anderem Transparenz der Faktenlage zur Wirksamkeit, unerwünschten Wirkungen, Wechselwirkungen der Chemoprophylaktika sowie ein intensivierter und strukturierter Austausch unter Experten, mittelfristig diese Situation verbessern.

    Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verfügt inzwischen über eine umfangreiche Erfahrung und interessante Kasuistiken aus der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Peter Sothmann et al. stellen im Panorama anhand einer Fallserie Lösungsansätze vor, wie dieser Personenkreis durch Zugang zur Regelversorgung eine adäquate medizinische Behandlung und Betreuung ermöglicht werden kann – nach dem Leitsatz „weniger Reden – Handeln“.

    Ihr
    Prof. Dr. Günter Schmolz

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