Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(21): 1614
DOI: 10.1055/s-0041-103556
Fachwissen
Tübinger Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rezidivierende Fieberschübe 6 Monate nach Afrikareise – Fall 4 / 2015

13-year old girl with fever 6 months after returning from sub-Saharan Africa
Jonas Erhardt
1   Institut für Tropenmedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
,
Matthias Frank
1   Institut für Tropenmedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
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Korrespondenz

Dr. med. Matthias Frank
Institut für Tropenmedizi
Eberhard-Karls-Universität
Wilhelmstr. 27
72074 Tübingen

Publication History

Publication Date:
21 October 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Ein 13-jähriges Mädchen stellte sich 6 Monate nach Rückkehr von einer Afrika-Rundreise aufgrund von Fieberschüben in unserer tropenmedizinischen Ambulanz vor. Sie berichtete über ca. alle 48 Stunden auftretende, plötzliche Fieberepisoden mit anschließender Erschöpfung. Während der 6 Monate zurück liegenden Afrika-Reise war eine Malaria-Prophylaxe mit Mefloquin erfolgt.

Untersuchungen: Das Blutbild zeigte eine intravasale Hämolyse (Hamöglobin: 10,8 g / dl, Normbereich 12,3–16,0; Haptoglobin: < 13 mg / dl, Normbereich 38–205). Eine Oberbauchsonograpfie ergab eine Splenomegalie mit einem Längsdurchmesser von mehr als 13,1 cm.

Diagnose, Therapie und Verlauf: Im Blutausstrich konnte eine Plasmodium-Infektion bestätigt werden. Eine nachfolgende PCR-Untersuchung bestätigt die Diagnose einer Malaria tertiana durch P. ovale. Unter oraler Chloroquin-Therapie kam es zu einer schnellen klinischen und laborchemischen Besserung. Nach Ausschluss eines Glukose-6-Phophat-Dehydrogenase-Mangels wurde der Akuttherapie eine Primaquin-Therapie (0,3 mg / kg Körpergewicht Primaquinbase pro Tag über 14 Tage) zur Rezidivprophylaxe angeschlossen.

Folgerung: Aktuell zur Verfügung stehende Medikamente zur Malaria-Prophylaxe (Atovaquon / Proguanilhydrochlorid, Doxyxyclin, Mefloquin) können die Bildung inaktiver Leberstadien durch Plasmodium ovale und Plasmodium vivax nicht verhindern. Nach Absetzten einer Prophylaxe kann es zur Reaktivierung kommen. Hierdurch kann eine akute Malaria trotz Chemoprophylaxe verursacht werden. Dabei ist mit langen Latenzzeiten zu rechnen. Diese Besonderheiten der Malaria tertiana sollten bei Tropenreisenden berücksichtigt werden.


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Abstract

History and admission findings: A 13-year-old girl presented with regular fevers, 6 months after a prolonged trip through Africa. The patient reported relapsing fevers at 48 hour intervals. Each febrile episode was followed by pronounced fatigue and a subsequent recovery back to her usual state of health. She reported having taken weekly mefloquine during and after the trip to Africa.

Investigations: Labortory evaluation revealed a hemoltytic anemia (hemoglobin: 10.8 g / dl, normal range: 12.3–16.0; haptoglobin: < 13 mg / dl, normal range 38–205). An abdominal ultrasound showed a marked splenomegaly (diameter: > 13.1 cm).

Diagnosis, treatment and course: A peripheral blood film showed Plasmodium parasites with marked stippling. PCR and sequenicing of the ribosomal RNA gene identified Plasmodium ovale. The patient responded well to oral chloroquine therapy and laboratory parameters normalized within 8 days. After determination of a normal glucose-6-phosphate dehydrogenase activity a 2-week-long therapy with primaquine was initiated (0,3 mg / kg per kg bodyweight of primaquine base daily for 14 days) to eliminate the hyponozoite stage of the parasite.

Conclusions: Currently used prophylacic agents against Malaria (mefloquine, atovaquone / proguanil hydrochloride, doxyxycline) do not prevent chronic liver stage infection (hypnozoite stage) with Plasmodium ovale or Plasmodium vivax. After chemoprophylaxis tertian malaria due Plasmodium vivax or Plasmodium ovale can occur. Therefore, tertian malaria should always be considered in febrile individuals who returned from a trip to the tropics even if chemoprophylaxis was taken.


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In den Tropen lauern viele Gefahren – angefangen bei giftigen Tieren und Pflanzen bis hin zu zahlreichen Infektionskrankheiten. Die Symptome mancher Tropenkrankheiten können auch erst nach langer Latenzzeit auftreten, was die Diagnose erschwert. Dies zeigt auch der hier vorgestellte Fall eines 13-jährigen Mädchens, das ein halbes Jahr nach einer Afrikareise plötzlich an rezidivierenden Fieberschüben leidet. Die ausführliche Beschreibung des Falls mit detaillierten Hintergrundinformationen finden Sie im Internet.

Aktuelle Anamnese | Bei einem 13-jährigen Mädchen treten 6 Monate nach einer Afrika-Rundreise rezidivierende Fieberschübe auf. Relevante Vorerkrankungen bestehen nicht, der Impfschutz ist lückenlos. Während der 12-monatigen Reise bis 4 Wochen nach der Rückkehr war eine kontinuierliche Malariaprophylaxe mit Mefloquin erfolgt.

Fieberschübe | Die Fieberschübe treten alle 48 h auf. Jeder Schub beginnt mit einem plötzlichen Anstieg der Körpertemperatur auf 40 °C, Schüttelfrost und Gliederschmerzen. Das Fieber hält jeweils für wenige Stunden an, bevor die Patientin erschöpft in einen tiefen Schlaf fällt. Der Folgetag ist stets beschwerdefrei.

Klinische Untersuchung

  • guter Allgemeinzustand

  • normaler Ernährungszustand (BMI 18,6 kg / m2)

  • Temperatur: 37,1 °C

  • Blutdruck: 100 /70 mmHg

  • Herzfrequenz: 100 Schläge / min

  • Pulmo, Cor, Haut: keine pathologischen Befunde

  • Milz palpabel

Laborbefunde

  • intravasale Hämolyse mit Anämie

  • systemische Entzündungsreaktion

Bildgebung | Die Abdomensonografie ergibt eine Splenomegalie (Längsdurchmesser > 13,1 cm). Ein 2 Tage zuvor beim Hausarzt angefertigtes Röntgenbild des Thorax ist unauffällig.

Blutausstrich | Im Blutausstrich sind vergrößerte, tröpfchenförmige Erythrozyten mit intrazellulären Malariaparasiten zu sehen (Abb.  [ 1 ]). Eine Schüffner-Tüpfelung ist erkennbar. Die Morphologie der Parasiten spricht für Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale. Es handelt sich somit um eine Malaria tertiana. Um die Parasitenspezies zu bestimmen, wird eine Plasmodien-DNA-PCR veranlasst.

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Abb. 1 Im Blutausstrich sind intrazelluläre Malariaparasiten zu erkennen (Pfeil). Färbung nach Pappenheim, Vergrößerung 100 × , Öl-Immersion.

Therapie | Bis das PCR-Ergebnis vorliegt, wird eine initiale Therapie mit Chloroquin begonnen. Daraufhin bessern sich rasch die Symptome und Laborwerte. Die PCR identifiziert P. ovale als Ursache der Malaria tertiana. Diese Spezies bildet persistente Leberstadien (Hypnozoiten), die durch Chloroquin nicht eliminiert werden. Nach Ausschluss eines Glukose-6-Phophat-Dehydrogenase-Mangels wird deshalb eine 14-tägige Folgetherapie mit Primaquin eingeleitet, die komplikationslos verläuft. Seither ist bei der Patientin kein Malariarezidiv aufgetreten.

Konsequenz für Klinik und Praxis
  • Bei Fieber nach Tropenreisen ist stets eine Malaria in Betracht zu ziehen.

  • Eine fehlende Fieberperiodizität schließt eine Malaria tertiana oder quartana nicht aus.

  • P. vivax und P. ovale können Leberdauerformen (Hypnozoiten) bilden, die nach jahrelanger Latenzzeit wieder aktiviert werden können.

  • Die Manifestation der Primärinfektion einer Malaria tertiana wird durch die Malaria-Prophylaxe unterdrückt.

  • Nach der Akuttherapie der Blutparasiten ist eine Folgetherapie mit Primaquin notwendig, um die Hypnozoiten zu eliminieren.


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Supporting Information


Korrespondenz

Dr. med. Matthias Frank
Institut für Tropenmedizi
Eberhard-Karls-Universität
Wilhelmstr. 27
72074 Tübingen


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Abb. 1 Im Blutausstrich sind intrazelluläre Malariaparasiten zu erkennen (Pfeil). Färbung nach Pappenheim, Vergrößerung 100 × , Öl-Immersion.