Schlüsselwörter
arterielle Hypertonie - Salz - Sympathikus-Denervierung
Keywords
systemic hypertension - salt - sympathetic ablation
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Epidemiologie: Die Behandlung und die Kontrolle der arteriellen Hypertonie haben sich in Deutschland in den letzten 10 Jahren substanziell verbessert.
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Selbsteinstellung des Blutdrucks bei Hochrisiko-Patienten: Patienten mit arterieller Hypertonie und hohem kardiovaskulären Risiko können durch Blutdruck-Selbstmessungen und Selbsttitration im Verlauf den Blutdruck besser kontrollieren als mit einer ärztlich geführten Standard-Therapie. Der Medikamenten-Verbrauch wurde hierbei erhöht, Nebenwirkungen traten jedoch nicht in höherem Ausmaß auf.
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Blutdruck und kardiovaskuläres Risiko: Eine Blutdrucksenkung bietet auf allen Stufen des kardiovaskulären Risikos einen ähnlichen relativen Schutz; die absolute Risiko-Reduktion wird mit zunehmend höherem Ausgangsrisiko jedoch immer größer.
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Arterielle Hypertonie und Kochsalzkonsum: Ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Kochsalzkonsums und der Höhe von systolischem und diastolischem Blutdruck konnte nachgewiesen werden, wobei die Einnahme von Kalium den Effekt abschwächen kann. Weltweit scheinen im Jahre 2010 1,65 Mio. kardiovaskuläre Todesfälle auf zu hohen Natrium-Konsum zurückzuführen gewesen zu sein.
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Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibition: Der neue duale Inhibitor gegen den Angiotensin-Rezeptor und die Peptidase Neprilysin senkt den Blutdruck und verbessert die Prognose bei Herzinsuffizienz. Eine Zulassung wird noch 2015 erwartet .
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Renale Denervierung: Der Stellenwert der renalen Denervierung bei der Behandlung der therapieresistenten arteriellen Hypertonie ist weiterhin nicht gesichert.
Epidemiologie
Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie liegt in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen für Erwachsene bei 32 % [15]. Im Vergleich zu einer deutschlandweiten Untersuchung von 1998 hat sich laut einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts in den Jahren 2008 bis 2011 der Bekanntheitsgrad der arteriellen Hypertonie von 69 auf 82 % erhöht; die Therapie-Rate ist von 55 auf 72 % und das Ausmaß der kontrollierten Hypertonie von einem Viertel auf die Hälfte (51 %) gestiegen [15]. Insgesamt hat in Deutschland der mittlere Blutdruck bei den 18- bis 79-Jährigen deutlich abgenommen (von 129,0 auf 124,1 mmHg), lediglich junge Männer (18–29 Jahre) haben von dieser positiven Entwicklung nicht profitiert: deren mittlerer Blutdruck ist im Mittel sogar systolisch um 1,5 mmHg gestiegen. Innerhalb Deutschlands bestehen große regionale Unterschiede: So haben im zentralen Osten Deutschlands 39 % der Männer und 40 %
der Frauen eine arterielle Hypertonie, dagegen nur 30 % der Männer im Nordwesten und 26 % der Frauen im Süden [4].
Selbsteinstellung des Blutdrucks bei Hochrisiko-Patienten
Selbsteinstellung des Blutdrucks bei Hochrisiko-Patienten
Von der Diabetes-Therapie ist schon lange bekannt, dass die Blutzucker-Selbstmessung und die selbstständige Anpassung der Insulin-Dosierung die Blutzuckereinstellung substanziell verbessern kann.
In Analogie hierzu untersuchte die TASMIN-SR-Studie (Targets and Self-Management for the Control of Blood Pressure in Stroke and at Risk Groups Study) die Ein-Jahres-Ergebnisse der Blutdruck-Selbstmessung und Selbsttitration bei Hypertonikern mit hohem kardiovaskulären Risiko (kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung im Stadium III oder koronare Herzerkrankung) [11].
Nach einem Jahr lag der mittlere systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe um 9,2 mmHg und der mittlere diastolische Blutdruck um 3,4 mmHg niedriger als in der Kontrollgruppe. Der Effekt wurde erreicht durch die Einnahme einer im Mittel 0,91-fach höheren Antihypertensiva-Dosis / Tag. Der positive Effekt auf die Blutdruckeinstellung war nicht verbunden mit einer erhöhten Nebenwirkungsrate.
Die TASMIN-SR-Studie lässt viele Fragen offen:
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Reicht es aus, den Morgen-Blutdruck zur Blutdrucktitration heranzuziehen?
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Welche Medikamente sind für die Selbsttitration besonders gut geeignet?
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Für welche Patienten ist die Selbsttitration überhaupt geeignet?
Trotzdem zeigt sie, dass mit der relativ kostengünstigen oszillometrischen Blutdruckmessung die Blutdruckeinstellung und damit wahrscheinlich auch die Prognose in relevantem Ausmaß gebessert werden kann.
Hypertensive Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko sollten regelmäßig Blutdruck-Selbstmessungen durchführen. Eine Selbsteinstellung des Blutdrucks und Adaptation der antihypertensiven Therapie ist sicher und kann die Kontrolle der arteriellen Hypertonie substanziell verbessern.
Blutdruck-Therapie und kardiovaskuläres Risiko
Blutdruck-Therapie und kardiovaskuläres Risiko
Eine Meta-Analyse von 11 Studien mit 26 randomisierten Gruppen untersuchte, welchen Einfluss die Blutdrucksenkung auf das relative und das absolute kardiovaskuläre Risiko hat [18]. Ein Risiko-Score war bei 51 917 der insgesamt 67 475 Teilnehmer erhoben worden. Mit zunehmendem Risiko-Score konnte durch eine blutdrucksenkende Therapie das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse relativ in ähnlichem Ausmaß gesenkt werden; dies bedeutete aber auch, dass mit steigender Risiko-Kategorie eine signifikant höhere absolute Risiko-Minderung erzielt werden konnte, wobei die absolute Blutdrucksenkung in jeder Gruppe abhängig von der Ausgangslage war.
Für die Therapie-Entscheidung sollte das kardiovaskuläre Gesamtrisiko eines Patienten beachtet werden.
Hypertonie und Salz
1,65 Mio. der kardiovaskulären Todesfälle, die im Jahr 2010 auftraten, sind Folge eines Natrium-Konsums von über 2 g / Tag. Dies ergab die Analyse der Global Burden of Diseases, Nutrition and Chronic Diseases Expert Group (NUTRICODE) [14].
Gängige Strategien, um der Hypertonie-Entstehung entgegen zu wirken, beinhalten auch diätetische Empfehlungen. Meist wird eine kochsalzarme und kaliumreiche Kost empfohlen. Einige jüngere Studien haben hier jedoch Zweifel aufkommen lassen, da auch eine Assoziation zwischen niedriger Natriumaufnahme und kardiovaskulären Erkrankungen und Tod gesehen wurde [6].
Die aktuell publizierte PURE-Studie (Prospective Urban Rural Epidemiology) schätzte die Natrium- und Kalium-Aufnahme anhand der Elektrolyt-Konzentration im Morgenurin bei über 100 000 Erwachsenen aus 18 Ländern [13]. Hierbei fand sich ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Natrium-Ausscheidung und den systolischen und diastolischen Blutdruckwerten. Der Zusammenhang war besonders ausgeprägt bei sehr hoher Natrium-Exkretion, aber nicht signifikant bei niedriger Natrium-Exkretion (< 3 g / die). Interessanterweise hatten nur 10 % der untersuchten weltweiten Populationen eine Natrium-Exkretion von weniger als 3 g / die. Die Kalium-Ausscheidung war invers assoziiert mit dem systolischen Blutdruck, besonders ausgeprägt bei Personen mit Hypertonie und höherem Alter. Aufgrund des geringen Anteils der untersuchten Populationen mit niedriger Natrium-Exkretion bleiben die Daten zumindest für die Gruppe mit sehr niedriger Natrium-Ausscheidung und damit
wahrscheinlich sehr geringem Salzkonsum diskussionswürdig. Dies auch deshalb, weil nicht klar ist, ob sich in der Gruppe mit sehr niedriger Natrium-Ausscheidung vermehrt Patienten mit besonders schlechtem Allgemeinzustand befunden haben.
Die gleiche Arbeitsgruppe untersuchte in einer zweiten Studie den Zusammenhang zwischen Natrium- und Kalium-Ausscheidung und Mortalität sowie kardiovaskulären Ereignissen [16]. Die geringste Rate an kardiovaskulären Ereignissen und Sterblichkeit fand sich interessanterweise bei einer geschätzten Natrium-Einnahme zwischen 3 g und 6 g / die – im Vergleich zu denen mit einer höheren oder auch niedrigeren Natrium-Aufnahme. Höhere Kalium-Aufnahme war auch hier assoziiert mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für Sterblichkeit und kardiovaskuläre Ereignisse [16].
Die Interpretation der beiden Studien lässt es somit fraglich erscheinen, ob generell eine streng kochsalzarme Ernährung eine populationsbasierte Strategie ist und ob nicht umgekehrt lieber verstärkt eine kaliumreiche Ernährung propagiert werden sollte [17].
Die aktuellen Daten lassen den Schluss zu, dass die Empfehlung einer Kochsalz-Reduktion als alleinige diätetische Empfehlung nicht gerechtfertigt ist.
Angiontensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor
Angiontensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor
LCZ 696 ist die Kombination des Angiotensin-1-Rezeptor-Antagonisten Valsartan und Sacubitril, einem Hemmstoff der Peptidase Neprilysin. Neprilysin inaktiviert die natriuretischen Peptide ANP und BNP. Somit steigt die Konzentration dieser natriuretischen Peptide, die
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die Vasodilatation fördern,
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die Sympathikusaktivität und den Blutdruck sowie die Aldosteron-Sekretion reduzieren und
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Diurese und Natriurese verstärken.
In der PARADIGM-AF-Studie war LCZ 696 bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz wirksamer als Enalapril (Ejektionsfraktion < 50 %). Kardiovaskuläre Todesfälle und Krankenhauseinweisungen konnten um 20 % gesenkt werden [12].
Auch der Blutdruck wurde im untersuchten Kollektiv durch die Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibition signifikant stärker gesenkt als durch Enalapril alleine. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zulassung zunächst nur für die Indikation Herzinsuffizienz erfolgen wird.
Das Prinzip der dualen Inhibition des Angiotensin-Rezeptors und der Peptidase Neprilysin reduziert Sterblichkeit und Hospitationsrate bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz.
Renale Denervierung
Bei dem überwiegenden Anteil der Patienten mit arterieller Hypertonie liegt eine primäre arterielle Hypertonie vor. Das heißt, eine singuläre Ursache ist nicht nachweisbar, sondern es liegt eine multifaktorielle, im Einzelnen nicht endgültig zu klärende Genese vor. Allgemeinmaßnahmen und die antihypertensive Therapie haben die Kontrollrate der arteriellen Hypertonie in den letzten Jahrzehnten weltweit und auch in Deutschland [15] deutlich verbessert. Dennoch liegt bei etwa 10 % eine therapierefraktäre Hypertonie vor: der Blutdruck ist trotz der Einnahme von drei verschiedenen Antihypertensiva in adäquater Dosierung einschließlich eines Diuretikums nicht zu kontrollieren [1]. Die meisten dieser Patienten lassen sich durch die verbesserte Umsetzung von Allgemeinmaßnahmen, ggf. die spezifische Behandlung einer sekundären Hypertonieform und durch eine optimierte medikamentöse Therapie einstellen. Wirken auch diese
Maßnahmen nicht, stellt sich die Frage der Indikation zur interventionellen Hochdrucktherapie.
Bei der renalen Denervierung erfolgt eine Katheterablation sympathischer Nervenfasern entlang der Nierenarterien. Dabei geben transfemorale Kathetersonden (meist Radiofrequenzsonden) im Nierenarterienendothel Energie ab. Dies führt zur Verödung der efferenten und afferenten sympathischen Nervenfasern in der Adventitia der Nierenarterien.
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Die renalen efferenten sympathischen Nervenfasern sind wesentlich für den blutdrucksteigernden Effekt der Niere (RAAS-Aktivierung, Natrium- und Wasserretention).
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Die renalen afferenten sympathischen Nervenfasern beeinflussen die Regulierung des zentralen Sympathikotonus.
So führt eine Aktivierung der afferenten renalen Sympathikusfasern zu einer tonischen Aktivierung des sympathischen Nervensystems.
Man geht davon aus, dass viele Ablationspunkte, spiralförmig in der Nierenarterie, erforderlich sind, um eine effiziente Denervierung erreichen zu können.
Leider ist es bis dato immer noch nicht möglich, die Effektivität der renalen Denervierung während der Intervention zu überprüfen. Die Intervention ist schmerzhaft, eine Analgosedierung wird also benötigt. Allerdings ist die Intervention nur mit einer geringen Rate unerwünschter Nebenwirkungen verbunden, wie zumindest die Studien- und Register-Daten mit dem Simplicity-System belegen.
Erste Studien, darunter auch eine randomisierte, kontrollierte Studie [5]
[8], zeigten eine hervorragende Wirksamkeit der renalen Denervierung bei Patienten mit therapierefraktärer Hypertonie. Blutdrucksenkungen von 30 /15 mmHg waren durch die Prozedur möglich. Allerdings zeigten 2012 erste Studien bereits keine Wirksamkeit der renalen Denervierung in Bezug auf Blutdrucksenkung und Senkung der sympathischen Nervenaktivität [3]. Auch eine Subgruppenanalyse der ersten offenen Simplicity-HTN-1 Studie zeigten nur bei einem Teil der Patienten eine Reduktion der sympathischen Nervenaktivität [7].
In die Simplicity-HTN-3 Studie [2] wurden 535 Patienten mit therapierefraktärer Hypertonie eingeschlossen. Diese wurden 2:1 randomisiert in die renale Denervierung mittels Simplicity-Katheter oder eine Schein-Intervention (Nierenangiografie). In beiden Gruppen kam es nach 6 Monaten zu einer signifikanten Senkung des Praxisblutdrucks (systolisch -14 bzw. -12 mmHg) und des 24 h-Blutdrucks (systolisch -7 bzw. -5 mmHg), allerdings war der Unterschied zwischen den Gruppen nicht statistisch signifikant, d. h. die renale Denervierung erbrachte keine signifikanten Vorteile gegenüber der konservativen antihypertensiven Therapie. Die Rate an unerwünschten Ereignissen war sehr gering (1,4 % in der Denervationsgruppe vs. 0,6 % in der Gruppe mit Scheinintervention), d. h. der Sicherheitsendpunkt wurde erreicht.
Obwohl vom Studiendesign her bahnbrechend, hat die Simplicity-HTN-3-Studie einige Einschränkungen, die die Aussagekraft begrenzen.
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Die Erfahrung mit der Methode war in den teilnehmenden Interventionszentren zum großen Teil nur sehr gering. Die meisten Studienzentren führten nur ein oder zwei Eingriffe durch und hatten vorher keine Erfahrung mit der Methode sammeln können. Dies könnte den in dieser Studie vergleichsweise geringen blutdrucksenkenden Effekt der renalen Denervierung im Vergleich zu den vorherigen Studien teilweise erklären.
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Die Studiengruppe war heterogen. Es wurden viele Afroamerikaner eingeschlossen, bei denen die renale Denervierung sogar einen geringeren blutdrucksenkenden Effekt hatte als in der entsprechenden Kontrollgruppe beschrieben. In der Subgruppe der Kaukasier führte die renale Denervierung dagegen zu einer signifikant stärkeren Senkung des Praxisblutdrucks als in der Kontrollgruppe.
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Die Blutdrucksenkung in der Kontrollgruppe war ungewöhnlich stark. Dies ist dadurch zu erklären, dass viele Patienten in der Screeningphase die antihypertensive Medikation modifiziert haben. Der maximale Effekt dieser Therapieänderung war am Ende der Screeningphase bei Randomisierung noch nicht erreicht. Auch nach der Randomisierung wurde die antihypertensive Medikation bei der Mehrheit der Patienten noch verändert.
Als Folge der Ergebnisse der Simplicity-HTN-3-Studie werden seit 2014 die Kosten der Intervention nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Neue Studien unter Einschluss einer sinnvollen Kontrollgruppe an europäischen bzw. deutschen Patienten sind dringend erforderlich, um den Stellenwert der renalen Denervierung bei therapierefraktärer arterieller Hypertonie endgültig zu beurteilen.
Wie in der Leitlinien der European Society of Hypertension 2013 [10] und einem deutschen Positionspapier [9]
[19] dargelegt, ist das Verfahren derzeit nur als additive Therapiemöglichkeit und ultima ratio bei wenigen Patienten anzusehen, sofern die Ein- und Ausschlusskriterien für das Verfahren korrekt beachtet werden und das Zentrum über entsprechende Erfahrung verfügt.
Der Stellenwert der renalen Denervierung bei der Behandlung der therapieresistenten arteriellen Hypertonie ist weiterhin nicht gesichert. In der Simplicity-HTN-3 Studie, einer randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studie mit einer Scheinintervention in der Kontrollgruppe, konnte die Überlegenheit der renalen Denervierung gegenüber der konservativen antihypertensiven Therapie nicht belegt werden. Allerdings weist diese Studie einige methodische Schwächen auf, sodass sie die Unwirksamkeit der renalen Denervierung ebenfalls nicht beweist.