Ernährung & Medizin 2015; 30(03): 116-119
DOI: 10.1055/s-0035-1558481
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Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Homocystein, B-Vitamine und degenerative Skeletterkrankungen

Wolfgang Bayer
Labor Dr. Bayer im synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
,
Karlheinz Schmidt
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Publication Date:
18 September 2015 (online)

Homocystein ist eine nicht-proteinogene, schwefelhaltige Aminosäure, die als Abbauprodukt des Methioninstoffwechsels entsteht. Da Homocystein stark zytotoxisch ist, wird seine Konzentration physiologischerweise niedrig gehalten, wobei verschiedene Stoffwechselwege zur weiteren Metabolisierung bzw. Ausscheidung zur Verfügung stehen ( Abb. [1]):

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Abb. 1 Homocystein im Methioninstoffwechsel.
  1. Die Remethylierung zu Methionin. Für diesen Stoffwechselweg werden Folsäure und Vitamin B12 benötigt.

  2. Die Transsulfurierung zu Cystathionin und weitere Umwandlung in harnfähige Endprodukte. Dieser Stoffwechselweg ist von Vitamin B6 abhängig.

Verschiedene Ursachen führen zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels, die mit erheblichen klinischen Konsequenzen einhergeht:

Homozygote Homocystinurie

Zugrunde liegt ein homozygoter Defekt im Cystathionin-β-Synthase-Gen mit starkem Verlust dieser Enzymaktivität. Die Prävalenz in Europa beträgt ca. 1 : 100 000 bis 1 : 200 000. Die Plasmahomocysteinkonzentrationen bei diesen Patienten liegen meist über 100 µmol/l. In der Regel tritt eine sehr frühzeitige Arteriosklerose auf, viele Patienten haben vor dem 30. Lebensjahr einen Herzinfarkt und die Lebenserwartung liegt unter 50 Jahren. Gleichzeitig bestehen thromboembolische Episoden.


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Heterozygote Homocystinurie

Sie hat in der europäischen Bevölkerung eine Prävalenz von 1 : 100 bis 1 : 300 und gehört damit zu den häufigsten Ursachen vorzeitiger Arteriosklerose. Diese Patienten weisen nur moderate Erhöhungen des Homocysteins auf, meist unter 30 μmol/l bei einem Grenzwert von 10 μmol/l.


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Vitaminmangel

Eine Vitaminunterversorgung mit den im Homocysteinstoffwechsel wichtigen Vitaminen B6, B12 und Folsäure ist die häufigste Ursache einer Homocysteinerhöhung. Dabei stellt v.a. die Folsäureversorgung in Deutschland ein großes Problem dar. Aber auch Vitamin-B12-Defizite sind unter bestimmten Ernährungsformen (Veganer) sehr häufig anzutreffen und bei älteren Menschen häufig nachzuweisen.


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Chronische Nierenerkrankungen

Diese gehen einher mit einer verminderten Remethylierung von Homocystein zu Methionin, da diese z. T. in der Niere stattfindet. Diese Patienten haben häufig Homocysteinkonzentrationen zwischen 20 und 80 μmol/l, was mit der erhöhten kardiovaskulären Morbidität dieser Patienten in Verbindung gebracht wird.

Neben frühzeitiger Arteriosklerose mit seinen Folgeerscheinungen Herzinfarkt und Schlaganfall sowie thromboembolischen Episoden wird eine Homocysteinerhöhung auch mit neuropsychiatrischen Manifestationen im Sinne von Demenzsyndromen in Verbindung gebracht sowie auch mit einer Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit.

Hohes Homocystein ist auch mit verringerter Knochendichte und erhöhtem Frakturrisiko assoziiert. Bereits frühe Studien ([5]) wiesen darauf hin, dass Patienten mit homozygoten Verlaufsformen einer Homocystinurie frühzeitig osteoporotische Veränderungen mit erhöhter Frakturhäufigkeit entwickeln. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass Homocystein die Quervernetzung von Kollagen inhibieren kann ([4]) und die Knochenmineralisation beeinträchtigt ([2]).


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  • Literatur

  • 1 Gjesdal CG, Vollset SE, Ueland PM et al. Plasma total homocysteine level and bone mineral density: The Hordaland Homocysteine Study. Arch Intern Med 2006; 166: 88-94
  • 2 Khan M, Yamauchi M, Srisawasdi S et al. Homocysteine decreases chondrocyte-mediated matrix mineralization in differentiating chick limb-bud mesenchymal cell micro-mass cultures. Bone 2001; 28: 387-398
  • 3 LeBoff MS, Narweker R, LaCroix A et al. Homocysteine levels and risk of hip fracture in postmenopausal women. J Clin Endocrinol Metab 2009; 94: 1207-1213
  • 4 Lubec B, Fang-Kircher S, Lubec T et al. Evidence for McKusick‘s hypothesis of deficient collagen cross-linking in patients with homocystinuria. Biochim Biophys Acta 1996; 1315: 159-162
  • 5 Mudd SH, Mudd SH et al. The natural history of homocystinuria due to cystathionine β-synthase deficiency. Am J Hum Genet 1985; 37: 1-31
  • 6 Sato Y, Honda Y, Iwamoto J et al. Effect of folate and mecobalamin on hip fractures in patients with stroke: a randomized controlled trial. JAMA 2005; 293: 1082-1088
  • 7 Meurs JB van, Dhonukshe-Rutten RA, Pluijm SM et al. Homocysteine level and the risk of osteoporotic fracture. N Engl J Med 2004; 350: 2033-2041