Gesundheitswesen 2015; 77(11): 875-880
DOI: 10.1055/s-0034-1384565
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fluktuation bei nicht-ärztlichem Personal in onkologischen Schwerpunktpraxen: Sozialkapitalaufbau als Lösungsansatz?

Turnover of Non-medical Staff in Outpatient Oncology Practices: Is Building Social Capital a Solution?
T. D. Gloede
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
,
N. Ernstmann
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
,
W. Baumann
2   Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und ­Onkologen (WINHO), Köln
,
S. E. Groß
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
,
L. Ansmann
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
,
A. Nitzsche
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
,
M. Neumann
3   Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Institut für ­Integrative Medizin, Witten
,
M. Wirtz
4   Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg
,
S. Schmitz
5   Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e. V., Köln
,
F. Schulz-Nieswandt
6   Seminar für Sozialpolitik, Universität zu Köln, Köln
,
H. Pfaff
1   IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und ­Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Köln
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. September 2014 (online)

Preview

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Während das Ausmaß an potentieller und tatsächlicher Personalfluktuation für den stationären Bereich relativ gut erforscht ist, so existieren kaum Daten für den ambulanten Bereich. Zudem gibt es wenige Hinweise darauf, mit welchen Führungsinstrumenten der Personalfluktuation in Arztpraxen entgegengewirkt werden kann. Das Sozialkapital einer Organisa­tion, das heißt das Ausmaß an Vertrauen, gemeinsamen Werten und Hilfsbereitschaft, wird in der Literatur als mögliches Maßnahmenfeld diskutiert. In der vorliegenden Arbeit wird die von niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Ihren Praxen wahrgenommene Personalfluktuation von nicht-ärztlichem Personal dargestellt und untersucht, ob diese mit dem Sozialkapital zusammenhängt. Abschließend werden Maßnahmen vorgestellt, mit denen sich das Sozialkapital einer Praxis erhöhen lässt.

Methodik: Die vorliegende Arbeit beruht auf Daten aus einer schriftlichen Befragung der Mitglieder des Berufsverbands Niedergelassener Hämatologen und Onkologen (N=551). Das Sozialkapital der Praxen wurde bei den Hämatologen und Onkologen mithilfe einer bereits entwickelten und validierten Skala gemessen. Um den Einfluss des Sozialkapitals der Praxis auf die von den Ärzten wahrgenommene Personalfluktuation zu untersuchen, wurden bivariate Korrelationen und lineare Regressionsanalysen berechnet.

Ergebnisse: Es beteiligten sich 152 Hämatologen und Onkologen an der Befragung, was einer Rücklaufquote von 28% entspricht. In der Regressionsanalyse zeigt sich das Sozialkapital der Praxis als signifikanter und starker Prädiktor der Personalfluktuation (beta=−0,34; p<0,001).

Schlussfolgerung: Der Aufbau von Sozialkapital innerhalb der Praxis kann einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Personalfluktuation leisten, auch wenn mit dem vorliegenden Studiendesign keine Aussagen zur Kausalität des ­Zusammenhangs möglich sind. Um Sozialkapital in ihrer Praxis aufzubauen, sollten niedergelassene Ärzte Maßnahmen ergreifen, die soziale Interaktion zwischen Mitarbeitern fördern, das Vertrauen stärken und Kooperation ermöglichen. Solche Maßnahmen sollten bereits bei der Auswahl und Einarbeitung neuer Mitarbeiter, aber auch fortlaufend im Rahmen der Mitarbeiterführung und der Arbeitsorganisation, zum Beispiel durch die feste Etablierung von Teamsitzungen, erfolgen.

Abstract

Study Aim: While a lot is known about poten­tial and actual turnover of non-medical hospital staff, only few data exist for the outpatient setting. In addition, little is known about actual instruments which leaders can use to influence staff turnover in physician practices. In the literature, the social capital of an organisation, which means the amount of trust, common values and reciprocal behaviour in the organisation, has been discussed as a possible field of action. In the present study, staff turnover as perceived by outpatient haematologists and oncologists is presented and analysed as to whether social capital is associated with that staff turnover. In conclusion, measures to increase the social capital of a prac­tice are presented.

Methods: The present study is based on data gathered in a questionnaire-based survey with members of the Professional Organisation of ­Office-Based Haematologists and Oncologists (N=551). The social capital of the practice was captured from the haematologists and oncologists using an existing and validated scale. To analyse the impact of the practice’s social capital on staff turnover, as perceived by the physicians, bivariate correlations and linear regression analyses were calculated.

Results: In total, 152 haematologists and oncologists participated in the study which represents a response rate of 28%. In the regression analyses, social capital appears as a significant and strong predictor of staff turnover (beta=−0.34; p<0.001).

Conclusions: Building social capital within the practice may be an important contribution to reducing staff turnover although the underlying study design does not allow for drawing causal conclusions regarding this relationship. To create social capital in their practice, outpatient physicians may apply measures that facilitate social interaction among staff, foster trust and facilitate cooperation. Such measures may already be applied when hiring and training new staff, but also continuously when leading employees and when organising work tasks, e. g., by establishing regular team meetings.