Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49(1): 50-58
DOI: 10.1055/s-0033-1363913
Fachwissen
Topthema: Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Herz- und thorakale Gefäßchirurgie – Gerinnungsstörungen: klinische Grundlagen und mechanismenbasierte Therapie

Coagulation disorders in the context of cardiac surgery – Clinical basics and mechanism based therapy
Marc G Lazarus
,
Thorsten M Smul
,
Norbert Roewer
,
Peter Kranke
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Publication Date:
20 January 2014 (online)

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Zusammenfassung

In der Herzchirurgie sind intra- und postoperative Störungen der Blutgerinnung häufig. Störungen der Homöostase (Hypothermie, Azidose, Hypokalzämie), der primären Hämostase, Dilution und Antikoagulanzienwirkung, Verbrauchskoagulopathie und Hyperfibrinolyse sowie ein absoluter oder relativer Mangel an Einzelfaktoren treten nicht selten in Kombination auf. Durch frühzeitige Erfassung der im Einzelfall zugrundeliegenden Pathologie sowie eine schnelle therapeutische Intervention kann die Rate an Bluttransfusionen und Resternotomien gesenkt und damit das Outcome für den Patienten maßgeblich verbessert werden. Der zeitnahe Einsatz geeigneter Laborverfahren trägt zu einer frühzeitigen Intervention bei. Algorithmen können insbesondere für weniger erfahrenes Personal, eine wichtige Entscheidungshilfe darstellen, sofern sie sich an aktuellen Leitlinien und hausinternen Gegebenheiten orientieren. Point-of-Care-Messverfahren erlauben eine zeit- und patientennahe Diagnostik und tragen zu einer frühzeitigen Intervention bei. Individuelle, an die hausinterne Infrastruktur angepasste und regelmäßig überarbeitete Algorithmen können einen wichtigen Beitrag zur optimalen Therapie und zu ressourcensparendem Arbeiten leisten

Abstract:

Intra- and postoperative bleeding disorders are common in cardiac surgery. The etiology of perioperative coagulopathy frequently becomes apparent as a combination of several acquired and inherited disorders. Differential diagnosis of microvascular bleeding include altered homeostasis (e.g. anemia, hypothermia, acidosis, hypocalcemia), impaired primary hemostasis, antithrombotic medication, dilutive and consumptive coagulopathy, fibrinolysis and the absence or deficiency of coagulation factors.

Timely detection of underlying pathology and subsequent rigorous treatment has the potential to minimize perioperative transfusion requirements, prevent resternotomy and improve patient outcome remarkably.

Point-of-care-systems can provide fast bed-sided analysis, which contribute to early diagnosis and intervention. Individual and regularly revised algorithms, adapted to the individualized institutional infrastructure, may facilitate resource-saving treatment of perioperative coagulopathy.

Kernaussagen

  • Fremdbluttransfusionen im Rahmen herzchirurgischer Eingriffe sind ein eigenständiges Mortalitätsrisiko. Eine rechtzeitige und zielgerichtete Gerinnungstherapie ist u.a. deshalb prognoserelevant.

  • Gerinnungsstörungen sind in der Herzchirurgie oft multifaktoriell bedingt. Neben pharmakologischen Einflüssen durch Thrombozytenaggregationshemmer, orale Antikoagulanzien und Heparin müssen Dilution, Verbrauchskoagulopathie und mechanische Einflüsse durch Herz-Lungen-Maschine bzw. Assist-Verfahren in Betracht gezogen werden.

  • Neben der Sicherstellung der physiologischen Basisfaktoren der Gerinnung sollten die aktuell zugrundeliegenden Mechanismen berücksichtigt werden, um eine kostenintensive und möglicherweise ineffektive Therapie zu vermeiden.

  • Point-of-Care-Verfahren zur Gerinnungsdiagnostik können zu einer zeitnahen und gezielten Therapie und damit zur Einsparung von Fremdbluttransfusionen beitragen. Den offensichtlichen Vorteilen stehen jedoch Nachteile wie erhöhter Personal- und Schulungsaufwand sowie bestimmte diagnostische Lücken gegenüber.

  • Algorithmen zur Gerinnungstherapie haben sich in Studien als nutzbringende Werkzeuge erwiesen. Die Berücksichtigung aktueller Leitlinien, die regelmäßige Aktualisierung sowie eine Einbeziehung lokaler Möglichkeiten und Gegebenheiten sind unerlässlich.

Ergänzendes Material