Schlüsselwörter
Meritokratie - Online-Arzt-
Bewertungsportal - Erfahrungsbericht - Internet-Blog
Keywords
meritocracy - online doctor review site - experience report - internet blog
Einführung
Der britische Soziologe und Politiker Michael Young prägte mit seiner satirischen
Schrift „The Rise of Meritocracy“ den Terminus Meritokratie, der nunmehr Einzug in
das Internet gehalten hat. In der Meritokratie geht es um die Vergabe von Ansehen
und Finanzen via Leistung. Über Wertschätzung und damit Praxiserfolg entscheidet die
Internet-Community. Sie vergibt Punkte, Sterne oder andere Symbole, in Anlehnung an
das System der Schulnoten. Ferner machen sich Patienten mit Erfahrungsberichten und
die Medien die Mühe, die Leistung von Ärzten auszuweisen. Durch das Internet können
dabei falsche Eindrücke aufgrund mangelnder Urteilskraft der Beitragsverfasser entstehen.
Diese sind nicht nur psychologisch, sondern auch medial widerlegungsresistenter als
ihre positiven Pendants. Diese Anti-Werbung hat einen rechtlichen Rahmen, der nachfolgend
dargestellt wird. Im Fokus stehen die zivilrechtlichen Haftungsansprüche aufgrund
von Verletzungen der Persönlichkeitsrechte des Arztes. Schlussendlich werden die spiegelbildlichen
strafrechtlichen Implikationen diskutiert, deren Täter und Opfer zugleich der Arzt
sein kann.
Arzt-Bewertungsportal
Hintergrund
Hintergrund des zivilrechtlichen Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth [1] ist, dass in einem Online-Arzt-Bewertungsportal ein Nutzer die zahnärztliche Leistung
wie folgt beschrieb und bewertete:
„Dieser Arzt arbeitet leider nur nach Quantität als auf Qualität zu setzen und ist
ganz schnell mit Kronen einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre.
Hatte durch Unfall einige Kronen bekommen, die leider für ihren Preis von mehreren
Tausend EUR sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, so dass ich seit dem immer
Zahnfleischbluten habe und anfangs öfters die eine Krone verloren habe bis ich zu
einem anderen Arzt ging. Die Farbe der Keramik passt mit der Farbe meiner Zähne nicht
überein, Implantate sind gegenüber meinen anderen Zähnen zu groß usw. könnte hier
jetzt noch mehr aufzählen was ich mit diesem Arzt erlebt habe, aber diese würde das
ganze hier nur sprengen. Wenn ihr eure Zähne behalten wollt dann geht woanders hin
...“
Auf anwaltliche Aufforderung, die Bewertung zu löschen, nahm der Portal-Betreiber
Rücksprache mit dem Nutzer. Er erhielt vom Nutzer die E-Mail „Hallo, ja der Sachverhalt hat sich so zugetragen! Mit freundlichen Grüßen“ und löschte den Satz „Wenn ihr eure Zähne behalten wollt dann geht woanders hin...“.
Erwägungen
Das Landgericht gab der beantragten einstweiligen Verfügung des Arztes statt, indem
es dem Betreiber des Arzt-Bewertungsportals untersagte, die negativen Bewertungen
zu behaupten, behaupten zu lassen oder hierfür die Plattform zur Verfügung zu stellen.
Der Zahnarzt konnte das Unterlassungsbegehren nicht auf eine Kreditgefährdung gemäß
§ 824 BGB stützen. Er legte nicht dar, dass sich infolge der gerügten Bewertung bereits
Patienten bei ihm abgemeldet oder von einer (Neu-)Anmeldung abgesehen hätten. Der
Unterlassungsanspruch des Zahnarztes ergab sich aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Zahnarztpraxis als
„sonstige Rechte“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog.
Die Rechtsauffassungen gehen hinsichtlich der Frage auseinander, ob ein Arzt nicht
schon deswegen daran gehindert ist, sich auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb zu berufen, weil ein Arzt mit anderen Ärzten im Wettbewerb steht (so
wohl OLG Frankfurt [2]). Das Landgericht folgte nicht der zuvor ergangenen Rechtsprechung des OLG Frankfurt
aufgrund einer Folgenbetrachtung. Das auch den Ärzten und Zahnärzten zustehende Recht
am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liefe nämlich ansonsten in Bezug auf
ehrbeeinträchtigende, damit letztlich auch geschäftsschädigende unzutreffende Tatsachenbehauptungen
leer. Denn nahezu alle Gewerbetreibenden stünden in Wettbewerb zu Konkurrenten am
Markt. Für die Störerhaftung des Portal-Betreibers bewog das Landgericht, dass der
Portalinhaber die Webseite betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern
verfassten Beiträge bzw. Bewertungen bereitstellt und den Abruf dieser Webseite über
das Internet ermöglicht. Denn damit wird willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung
von Äußerungen beigetragen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen
können. Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit folgte nicht aus einer sogenannten
Intellektuellenverbreitung, denn dafür fehlt es an einer gedanklichen Beziehung zu
dem Inhalt des Nutzers. Sie ergab sich aus der technischen Verbreitung und einer Abwägung
des Rechts des Zahnarztes auf Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber der Meinungsfreiheit
bzw. Medienfreiheit. Von entscheidender Bedeutung war, dass die Äußerungen nicht als
Meinung, sondern als Tatsachenbehauptung eingestuft wurden.
Die notenmäßige Beurteilung konnte nicht schützend vor den Fließtext gestellt werden,
der die Zensierung begründen sollte. In den Vordergrund traten nämlich die dem Beweis
zugänglichen Tatsachenbehauptungen:
-
der Zahnarzt arbeite „nur nach Quantität als auf Qualität zu setzen“;
-
er sei „ganz schnell mit Kronen einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre“;
-
er habe Kronen eingesetzt, die sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, sodass
es beim Patienten zu Zahnfleischbluten komme und die Kronen
herausfielen;
-
er setze Keramik ein, deren Farbe nicht zur Farbe der Zähne der Patienten passe und/oder
er setze zu große Implantate ein.
Diese Äußerungen können bezogen auf eine konkrete zahnärztliche Behandlung im Rahmen
einer Begutachtung durch einen zahnärztlichen Sachverständigen geklärt werden. Die
Fragen, die der Sachverständige im Rahmen einer Begutachtung, z. B. auch im Rahmen
eines zivilrechtlichen Arzthaftungsprozesses zu beantworten hätte, wären darauf gerichtet,
ob die Behandlung durch den Zahnarzt ohne ärztlichen Kunstfehler erfolgte, also indiziert
war, fehlerfrei durchgeführt und auch ordnungsgemäß abgerechnet wurde. Käme der Sachverständige
zu dem für den Zahnarzt günstigen Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht vorliegt,
wäre damit auch geklärt, dass der Zahnarzt anlässlich der der Bewertung zugrunde liegenden
Behandlung nicht sein wirtschaftliches Interesse in den Vordergrund gestellt hat.
Seine konkrete ärztliche Behandlung entsprach dem anerkannten und gesicherten Standard
der ärztlichen Wissenschaft – er ließ also nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft
unter den jeweiligen Umständen die objektiv erforderliche Sorgfalt nicht außer Acht.
Gemäß dem Urteil verletzte der Portalbetreiber aber seine Prüfpflichten. Er durfte
sich nicht damit zufrieden geben, die Beanstandung des Zahnarztes an den für den Beitrag
Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten und das lapidare Feedback zu empfangen
„Hallo, ja der Sachverhalt hat sich so zugetragen! Mit freundlichen Grüßen“. Dies wäre nur dann rechtskonform, wenn der Verfasser des Beitrags die Beanstandung
durch den Zahnarzt substantiiert in Abrede gestellt hätte und sich daraus berechtigte
Zweifel an der Darstellung des Zahnarztes ergeben hätten. Anders verhielt es sich
hier, wonach der Zahnarzt seinerseits substantiiert mitteilte, worauf sich seine Beanstandung
gründete. Dies hätte Anlass für den Portalbetreiber sein müssen, einen geeigneten
Nachweis für die Durchführung der Behandlung (z. B. unkenntlich gemachte Honorarrechnung
des Zahnarztes) vom Ersteller des Beitrags zu verlangen.
Google-Erfahrungsbericht
Ärzte können ihre Arztpraxis im Internet nicht nur über die eigene Webseite, sondern
auch über „Google Places“ präsentieren. Auf dieser Plattform können Erfahrungsberichte
zur Arztpraxis und den Behandelnden (durch z. B. Patienten) eingestellt werden.
Hintergrund
Hintergrund des zur Veröffentlichung eingestellten Zivilurteils des Landgerichts Berlin
[3] war, dass ein Nutzer von der Möglichkeit Gebrauch machte, eine persönliche Stellungnahme
zu angezeigten Suchergebnissen (Erfahrungsbericht) bei einem Internet-Suchdienstanbieter
abzugeben. Unter einem Pseudonym wurde die Darstellung über das vermeintliche Erleben
einer ärztlichen Behandlung abgesetzt:
„Vorsicht!!!!!!!!!!! der Fuscher!!!! schlimmer kann man einen Menschen nicht verunstalten:
seit dieser ‚Behandlung‘ kann ich nicht mehr anziehen, was ich will, ich muss genau
überlegen womit ich was abdecken kann. Meine Arme, Mein Po – alles mit Dellen überseht
und hängt unvorstellbar hässlich ab. Was ich schon investiert habe in Korrekturoperationen
- > nichts hilft mehr! Seid vorsichtig! Seid gewarnt!!! Er ist furchtbar!“
Der Arzt forderte zur Entfernung des Eintrags auf und beantragte sodann eine einstweilige
Verfügung. Nachdem diese abgelehnt wurde, zog er via Beschwerde weiter, und zwar mit
Erfolg. Zwischenzeitlich hatte der Arzt auf den „verleumderisch[en] und beleidigend[en]“ Inhalt hingewiesen.
Erwägungen
Das Landgericht Berlin folgte dem Antrag des Arztes – gestützt auf § 1004 Abs. 1 S. 2
BGB analog – gegenüber dem Hostprovider, dass dieser es unterlassen sollte, wörtlich
oder sinngemäß die oben zitierte Behauptung zu verbreiten. Auf den ersten Blick ist
Google kein typischer Arzt-Bewertungs-Portalbetreiber. Die Grundsätze der Störerhaftung
beanspruchen trotzdem auch hier Geltung. Ein Hostprovider ist grundsätzlich nicht
verpflichtet, die von den Nutzern in das Internet gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung
auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er haftet dann aber, sobald er Kenntnis
von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine
Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der
Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.
Die Rechtsverletzung ergab sich vorliegend aus einer Abwägung des Persönlichkeitsrechts
und dem Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Das Gericht hob hervor,
dass ein Tätigwerden des Hostproviders nur veranlasst ist, wenn der Hinweis so konkret
ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen ohne
Schwierigkeiten bejaht werden kann. Der Erfahrungsbericht wurde als Tatsachenbehauptung
qualifiziert. An sich ließ sich der Inhalt des Erfahrungsberichts zwar als Tatbestand
auffassen, dem sowohl Tatsachen als auch Wertungselemente („Vorsicht!“, „Fuscher!“, „schlimmer […] verunstalten“, „furchtbar“) innewohnen. Schlussendlich war die Darstellung schwerpunktmäßig insgesamt wie eine
Tatsachenbehauptung zu behandeln. Der Eintrag fiel nämlich im Tatsächlichen sehr detailliert
aus. Es soll eine Operation gegeben haben, in deren Folge der „Patient“ Schäden am
Gesäß und an den Armen erlitten haben will. Er will Nachbehandlungen in Form von Korrekturoperationen
über sich ergehen lassen haben. Und er soll für diese Nachbehandlungen auch „investiert“ haben. Nichts soll jetzt mehr „helfen“.
Es war rechtsunerheblich, ob die Tatsachenbehauptung richtig oder falsch ist. Denn
den Hostprovider traf schon deswegen die Haftung, weil er es unterlassen hatte, den
gesamten Sachverhalt zu recherchieren und zu evaluieren, unter Berücksichtigung einer
allfälligen Stellungnahme des für den Eintrag Verantwortlichen. Der Arzt hatte ausreichend
darauf hingewiesen, dass der beanstandete Eintrag verleumderisch sei und er diesen
gelöscht sehen will. Mit „verleumderisch“ hat der Arzt das zum Ausdruck gebracht,
was Tatbestandsvoraussetzung des strafrechtlichen Verleumdungstatbestands ist: Im
Eintrag in Beziehung auf den Arzt waren unwahre Tatsachen enthalten, die denselben
verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen
Kredit zu gefährden geeignet sind. Die so formulierte Beanstandung des Arztes genügte
dafür, dass Prüfungspflichten des Hostproviders ausgelöst werden. Es war auch nicht
rechtlich relevant für den Anspruch, dass der Hostprovider den Eintrag doch noch gelöscht
hatte. Dies geschah nach Ansicht der Richter zu spät.
Internet-Blog
Die zuvor dargestellten Entscheidungen haben gemeinsam, dass sie die Ansprüche eines
Arztes gegenüber demjenigen behandeln, der den relevanten Inhalt unmittelbar im Internet
bereithält. Anders ist dies bei einem Linksetzer, der nur mittelbar Zugriff auf die
digitalisierten Informationen bietet.
Hintergrund
Hintergrund des Urteils des Landgerichts Hamburg [4] im Rahmen einer bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeit war, dass ein Arzt in
seinen zwei Arztpraxen eine Eigenblutzytokine-Behandlung von Patienten mit Krebsleiden
anbot. Auf einer Webseite im Internet wurde in einem „Blog zum Medienrecht“ wie folgt
berichtet:
„Dr. K. – Klagen bis der Arzt kommt (1) Zu den zähesten Dauerkunden der Medienjurisprudenz
darf sich der Krebsarzt Dr. K. zählen, der heute mal wieder Termin vor dem LG Hamburg
hat, diesmal gegen einen Fernsehsender [Anm. der Redaktion] wegen dem obigen Fernsehbeitrag
[Anm. der Redaktion]. Bei jeder mir bekannten K.-Klage argumentiert der gute Mann
stets mit einem vierseitigen Gutachten einer Klinik [Anm. der Redaktion] von 1999,
das angeblich die Wirksamkeit seiner Heilkünste belege. Dabei vergisst der erfahrene
Kläger regelmäßig zu erwähnen, dass der ‚Gutachter‘ längst mit Bausch und Bogen aus
dieser Klinik [Anm. der Redaktion] geflogen ist. Der Klinik [Anm. der Redaktion] reichte
schließlich K. Hausieren mit ihrem guten Namen: Letztes Jahr verklagte sie K. erfolgreich
auf Unterlassung. Das Urteil wurde kürzlich durch das OLG München bestätigt. Wir werden
uns in absehbarer Zeit noch öfters mit Dr. K. zu beschäftigen haben.“
Unter der Überschrift „Dr. K. – Klagen bis der Arzt kommt (1)“ konnte durch Anklicken eines Hyperlinks ein vom Fernsehsender im Rahmen einer Fernsehsendung
ausgestrahlter Fernsehbeitrag abgespielt werden. Der Beitrag befand sich auf einem
externen Server des Videokanals. Im Beitrag wurden die Symbole der Fernsehsenders
und des Videokanals eingeblendet. Der Fernsehbeitrag beinhaltete heimlich erstellte
Aufnahmen aus den Praxisräumen.
Erwägungen
Das Landgericht Hamburg entschied, dass der Unterlassungsanspruch des Arztes gemäß
§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog begründet war. Der Fernsehbeitrag verletzte den Kläger
in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es entstand der ehrenrührige Eindruck,
dass der Arzt in seiner Arztpraxis Eigenblutpräparate an Patienten aushändige. Für
den streitgegenständlichen geltend gemachten Eindruck in Bezug auf die Arztpraxis
war unerheblich, ob in der anderen Arztpraxis Eigenblutpräparate ausgehändigt wurden.
Ferner entstand in dem Fernsehbeitrag der ehrenrührige Eindruck, die Existenz eines
Gutachtens zur Wirksamkeit der Therapien liege nicht vor. Dies war im Gegenteil tatsächlich
der Fall. Auch verletzte die Verbreitung der heimlich erstellten Aufnahmen aus den
Praxisräumen den Arzt in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Aufnahmen waren
auf rechtswidrige Art und Weise unter Verletzung des Hausrechts des Arztes zu Stande
gekommen. Neben den Grundsatz, dass ein Hausrechtsinhaber es nicht hinnehmen muss,
dass gegen seinen Willen in dem seinem Hausrecht unterliegenden Bereich Filmaufnahmen
und Fotoaufnahmen gefertigt werden, trat die Besonderheit, dass es sich bei der Arztpraxis
für Krebskranke um einen besonders geschützten Raum handelte. Dieser Umstand führte
dazu, dass das Hinwegsetzen über das Hausrecht des Inhabers zugleich eine Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedingte. Der Arzt wurde nicht um Erlaubnis
gebeten, innerhalb seiner Praxisräume Aufnahmen erstellen zu dürfen. Vielmehr gab
man sich als Angehöriger eines Krebskranken aus, um so einen Termin in der Praxis
zu erhalten und dann mit versteckter Kamera Aufnahmen zu erstellen und eine Patientin
zu filmen. Die Ausstrahlung der durch Täuschung entstandenen Aufnahmen erwies sich
ebenfalls als rechtswidrig. Es wurden keine Missstände von erheblichem Gewicht aufgedeckt,
an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestand. Denn die Abgabe
von Eigenblutpräparaten in der Arztpraxis galt – wie bereits ausgeführt – als prozessual
nicht wahr. Der Betreiber des Internet-Blogs haftete als Verbreiter des Fernsehbeitrags.
Indem er einen Hyperlink auf eine sich auf einem externen Server befindliche Fernsehberichterstattung
über den Arzt im Rahmen einer eigenen redaktionellen Berichterstattung über den Arzt
integrierte, verbreitete er diesen Fernsehbeitrag. Der Blog-Verantwortliche verletzte
auch seine Prüfpflichten. Besteht konkreter Anlass, an der Wahrheit der in einem verbreiteten
Beitrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu zweifeln, so muss jedenfalls vor einer
weiteren Verbreitung bei dem Betroffenen nachgefragt werden. Indem der Blog-Verantwortliche
dieses und auch jede anderweitige Prüfung des Beitrags auf seine Rechtmäßigkeit unterließ,
hat er die ihm nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aufzuerlegenden Prüfungspflichten
verletzt. Diese Prüfpflichten gelten insbesondere, wenn gleichzeitig jegliche Distanzierung
von der verbreiteten Berichterstattung unterbleibt.
Fazit
In faktischer Hinsicht ist aufzuzeigen, dass eine wissenschaftliche Untersuchung der
Hochschule Worms von anderen Bewertungsportalen (z. B. Hotelbewertung) hervorbrachte,
dass mit zunehmendem Informationsumfang die Glaubhaftigkeit der Bewertung zunahm [5]. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für Arzt-Bewertungen Geltung beanspruchen
sollte. Arzt-Bewertungsportale haben grundsätzlich einen höheren Rang bei Suchmaschinen
als die einzelnen Arztpraxen. Dies bedeutet, dass die Sichtbarkeit einer Arztpraxis
oder eines Arztes im Internet zunimmt, sobald Arzt und Arztpraxis auf einem Bewertungsportal
präsent sind. In der Summe bedeutet dies, dass auch umfangreiche, negative Kommentare
über einen Mediziner im Ranking einer Suchmaschine stets obere Plätze in der Trefferliste
einnehmen und somit die Wahl eines Patienten im Hinblick auf einen Behandelnden erheblich
beeinflussen werden. Es empfiehlt sich daher für Ärzte in regelmäßigen Intervallen
bei Arzt-Bewertungsportalen, die nicht nur eine Benotung, sondern auch kommentierenden
Text zulassen (z. B. jameda, Google-Erfahrungsbericht), eine Untersuchung auf negative
Erfahrungsberichte vorzunehmen. Wird ein nachteiliger Bericht über Erfahrungen mit
der Arztpraxis oder dem Behandelnden festgestellt, sollte der Arzt im Fortgang zunächst
einmal prüfen, ob überhaupt ein entsprechender Patient (z. B. in dem Quartal, mit
der Therapie) in Behandlung war.
Aus dem rechtlichen Blickwinkel heraus ist die Ausdifferenzierung zwischen Tatsachenbehauptung
und Meinung hervorzuheben. Als Heuristik für diese Unterscheidung prüft der Arzt,
ob die Äußerung den Vorwurf vorgeblicher Behandlungsfehler enthält, die in einem Arzthaftungsprozess
einem Sachverständigengutachten zugänglich wären. Dies würde für eine Tatsachenbehauptung
sprechen. Ferner ist hervorzuheben, dass im einstweiligen Rechtsschutz teilweise eine
Monatsfrist (ab Kenntnisnahme des Verstoßes) gilt. Bei deren Versäumnis kann der Arzt
den Unterlassungsanspruch wegen unrichtiger Behauptungen nicht mehr mit einer einstweiligen
Verfügung geltend machen, sondern nur noch im teils langwierigen Klageverfahren. Die
zuvor skizzierten zivilrechtlichen Urteile haben eine strafrechtliche Kehrseite. Aus
Sicht des Arztes kann dieser für sich die strafrechtlichen Ehrverletzungsdelikte (§§ 185
ff. StGB) bei nicht berechtigtem Vorwurf von Behandlungsfehlern „beanspruchen“. Neben
dem Strafrechts-tatbestand der Beleidigung kommen Verleumdung (§ 187 StGB) und üble
Nachrede (§ 186 StGB) in Betracht. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Delikte,
für die der Arzt einen Strafantrag stellen muss. Aber auch aus dem Aspekt, dass der
Arzt als Straftäter in Betracht kommt, sollte er sondieren, ob er gegen eine unzutreffende
Behauptung eines Behandlungsfehlers vorgeht. Jede ärztliche Behandlung stellt eine
tatbestandliche Körperverletzung dar im Sinne der §§ 223 ff. StGB. Brisant wird es,
wenn der Internetbericht den Tatverdacht einer schweren Körperverletzung weckt. Dies
war im Fall des Landgerichts Berlin [3] klar denkbar, weil nach der Berichterstattung die Verunstaltungen an mehreren Stellen
des Körpers nicht mehr mit Schönheitsoperationen zu beseitigen und daher dauerhaft
waren. Diesen Fall bewehrt das Strafrecht nicht mehr mit einer Geldstrafe, sondern
mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Zugleich – und
auf diese Gefahr ist hinzuweisen – wird diese Straftat nicht mehr nur auf Antrag des
Patienten, sondern von Amts wegen verfolgt. Nehmen die Ermittlungsbehörden z. B. auf
anonymen Hinweis oder bei Sichtung des Internets einen derartigen Sachverhalt zur
Kenntnis, wird – unabhängig von der Berechtigung des Patientenberichts – ein Ermittlungsverfahren
gegen den Arzt eingeleitet. Ein Ermittlungsverfahren kann auch bei einfachen Körperverletzungen
initiiert werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Da es sich bei
Patientenberichten über (angeblich) misslungene Behandlungen um strafrechtliche Verfehlungen
im Kontext mit der Ausübung der Heilkunde handelt, kann dies auch die „Unwürdigkeit“
als tatbestandliche Voraussetzung für die Aufhebung der Approbation erfüllen. Zuletzt
bestätigte das VG Magdeburg den Widerruf der Approbation u.a. aufgrund von Behandlungsfehlern
[6]. Für die Approbation sind ebenso angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung
problematisch. Wenn das Landgericht Nürnberg-Fürth [1] darauf hinwies, dass in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess geprüft werden könnte,
ob der Zahnarzt ordnungsgemäß abrechnete, dann kann dies als strafrechtliche Anlage
den Vorwurf des Betrugs gemäß § 263 StGB beinhalten und zu einer Prüfung Anlass geben.
Mehren sich derartige Kommentare in puncto Abrechnung gegenüber Patienten, kommt ein
besonders schwerer Fall des Betrugs gem. § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB (gewerbsmäßig) in
Betracht. Auch diese Problematik können kritische Kommentare in sich tragen.
Das von den Ärzten in den Entscheidungen praktizierte zivilrechtliche Vorgehen kann
daher auch strafrechtliche Ermittlungen und Approbationsverfahren abwehren. Ein „Monitoring“
von Internetinformationen über den Arzt kann aus diesem Grunde geboten sein. Ob es
sich der Arzt leisten kann, die über ihn bereit gehaltenen Informationen im Internet
einfach zu ignorieren, dürfte angesichts der vorherigen Darstellung zu verneinen sein.