physioscience 2012; 8(2): 45
DOI: 10.1055/s-0032-1312777
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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B. Tampin
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Publication Date:
23 May 2012 (online)

Die Durchführung von Forschungsprojekten ist kein leichtes Unternehmen, wie bereits meine Kollegin Kerstin Lüdtke in ihrem Kommentar zum Artikel Rajadurai V, Wirksamkeitsvergleich einer kaudalen Gleitmobilisationstechnik in endgradiger und mittelgradiger Schulterabduktion bei Capsulitis adhäsiva (Schultersteife) darlegte [2]. Oft fehlt es an Ressourcen wie Personal, Geld und Zeit; das Letztere trifft besonders auf Bachelor-Arbeiten zu, die oft innerhalb von kurzer Zeit (6 Wochen) durchgeführt werden sollen. Die nächste Hürde besteht dann darin, die Arbeit zu dokumentieren und zu publizieren, was als i-Tüpfelchen einer Bachelor- oder Master-Arbeit gilt [1]. Zwar wird in Autorenrichtlinien angegeben, wie ein Manuskript aussehen soll, aber letztendlich geben diese nicht viel Aufschluss über den Inhalt einer Arbeit, sondern lediglich über die Struktur her. In den Autorenrichtlinien der physioscience heißt es, ein Artikel soll stets Antwort auf folgende Fragen geben:

  • Warum schreibe ich diese Arbeit? (Einleitung);

  • Wie habe ich diese Arbeit gemacht? (Methode);

  • Was habe ich beobachtet (Ergebnisse);

  • Was denke ich dazu? (Diskussion und Schlussfolgerung).

Sicherlich treffen diese Fragen zu, aber alleine die Fragen zu beantworten, bedeutet noch nicht ausreichende Qualität der Arbeit für eine Publikation. Wichtig ist die kritische Auseinandersetzung mit der Literatur, den angewandten Methoden und letztendlich die Diskussion der Ergebnisse und Limitationen einer Studie.

Als Herausgeber von physioscience werden wir stets mit der Entscheidung konfrontiert, ob die Qualität der eingereichten Arbeit dem Anspruch der Fachzeitschrift entspricht. In manchen Gutachten fällt mir auf, dass Unzulänglichkeiten überwiegend in der Darstellung der angewandten Methoden und der Diskussion des Artikels vorkommen. Ich möchte darum ein paar Punkte aufzeigen, um potenziellen Autoren eine Hilfestellung für zukünftige Publikationen zu geben. Eventuell ist mein Leserbrief in dieser Ausgabe (S. ν) auch diesbezüglich nützlich.

Grundsätzlich sollte die Methodik einer Studie so dargestellt werden, dass sie die Leser replizieren können, d. h. in der Lage wären, die gleiche Studie durchzuführen. Dieser Anspruch erfordert detaillierte Angaben über die Ein- und Ausschlusskriterien der Teilnehmer sowie über die einzelnen Vorgehensweisen.

Für die angewandten Methoden einer Studie sind – so vorhanden – Literaturreferenzen und Aussagen über deren Reliabilität und Validität zu nennen. Sollte noch keine/wenig Evidenz für die Reliabilität und Validität der angewandten Methoden existieren, müssten diese innerhalb der Studie mit untersucht und dargestellt werden (zumindest die Reliabilität). Fehlt dies, ist die Aussagekraft der vorgenommen Messungen/Ergebnisse der Studie eingeschränkt/komprimiert, denn möglicherweise fielen die Messungen rein zufällig so aus. Dies verdeutlicht, dass die Untersuchung und Darstellung der Reliabilität von Messungen (wenn noch nicht bewiesen) wichtige Bestandteile der Methodik einer Studie sind. Generell gilt: Wenn es keinen Beweis für eine ausreichende Reliabilität von Messungen gibt, müssen die Studienergebnisse im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt interpretiert werden. Des Weiteren sollte der Leser erfahren, was als klinisch relevante Verbesserung angesehen werden kann. Beispiel: Misst man z. B. die Schmerzstärke auf der visuellen Analogskala von 1 – 10, ist eine Verbesserung um 1 Punkt klinisch relevant?

In einigen Studien, die ich zur Begutachtung erhielt, wurde die Reliabilität der Messungen nicht untersucht. Vermutlich gab es gute Gründe für diese Mängel, aber diese sollten den Lesern vermittelt werden. Wie bereits von Kerstin Lüdtke [2] erwähnt, finden sich in fast jeder klinisch basierten Studie methodische Mängel, die sich oft nicht vermeiden lassen. Wichtig ist jedoch, diese Mängel in der Diskussion der Arbeit aufzugreifen und die Limitationen der Studie zu erörter.

In der Diskussion werden dann nochmals die Ergebnisse der Studie kurz dargestellt, mit Ergebnissen anderer Studien verglichen sowie eventuelle Unterschiede oder Gleichheiten und die vermutlichen Gründe dafür diskutiert. Dafür müssen die Autoren die entsprechende Literatur kennen. Das bedeutet, eine entsprechende Literaturrecherche wird vorausgesetzt. Hierbei fällt mir auf, dass sich manche Autoren überwiegend auf deutsche Literatur beziehen, was unter Umständen nicht ausreicht, weil diese im Vergleich zur englischen recht begrenzt ist. Zudem sollten Buchreferenzen gering gehalten werden, da eine Peer-reviewed veröffentlichte wissenschaftliche Studie generell gesehen mehr Stellenwert als ein Buch besitzt. Wie bereits oben erwähnt, müssen eventuell vorhandene Limitationen einer Studie genannt und ihre Bedeutung/Konsequenz für die Interpretation der Ergebnisse dargelegt werden.

 
  • Literatur

  • 1 Beyerlein C. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ oder: Darf ich meine Bachelor-Arbeit veröffentlichen. manuelletherapie 2011; 16: 185-186
  • 2 Lüdtke K. Kommentar zum Artikel Rajadurai V. Wirksamkeitsvergleich einer kaudalen Gleitmobilisationstechnik in endgradiger und mittelgradiger Schulterabduktion bei Capsulitis adhaesiva (Schultersteife). physioscience 2011; 7: 126-127