physioscience 2012; 8(1): 3-5
DOI: 10.1055/s-0031-1299238
Aus Forschung und Lehre
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Promovieren in den Therapieberufen

Obtaining a Doctorate Degree in Therapeutic Professions
R. Sommer
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Publication History

25 November 2011

28 November 2011

Publication Date:
27 February 2012 (online)

Am 13. Oktober 2011 veranstaltete der Hochschulverbund für Gesundheitsfachberufe (HVG) in Kooperation mit der Internationalen Graduiertenakademie der Universität Halle-Wittenberg erstmalig einen Workshop zum Thema Empowerment für die Promotion in den Gesundheitsberufen.

Die vielfältige Veranstaltung an der Universität Halle lockte rund 80 Teilnehmer an. Ihr Ziel war es, Nachwuchswissenschaftler – darunter auch Physiotherapeuten – in ihrem Vorhaben zu ermutigen und auf dem Weg zur Promotion zu unterstützten. Für die weitere politische Arbeit des HVG sollten zudem Erkenntnisse über den besonderen Bedarf und die Bedürfnisse des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Gesundheitsfachberufen gewonnen werden.

Zum Auftakt ging Frau Prof. Dr. Heidi Höppner (Vorstandsvorsitzende des HVG e. V.) auf die spezielle Situation in den Gesundheitsberufen und die Bedeutung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein. Laut ihrer Aussage fehlten nicht nur etablierte akademische Karrieren und Vorbilder, sondern auch verlässliche Wege in die Forschung. Der HVG sieht die jungen Wissenschaftler als eine bedeutende Ressource für die Weiterentwicklung der Fachwissenschaften durch Forschung und akademische Lehre.

Im Anschluss stimmte Prof. Dr. Johann Behrens (Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) mit seiner humorvollen, aber auch hintergründigen Rede auf einen lebhaften Workshop ein. Auch er betonte den Einfluss der Promotion in den Gesundheitsberufen. So sei keine evidenzbasierte Praxis ohne Forschung und keine Professionalisierung ohne Promotion möglich.

Den Kern der Veranstaltung bildete das sogenannte Weltcafé. Hier trafen sich Experten und Interessierte in entspannter Atmosphäre an mehreren Tischen zu jeweils einem eingegrenzten Thema, tauschten ihr Wissen aus und generierten Ideen und/oder Problemlösungen. Der 2-stündige Austausch im Weltcafé zeichnete sich nicht nur durch die Vielfältigkeit seiner Themen aus, sondern auch durch den durch die wechselnden Teilnehmer entstehenden konstruktiven und dynamischen Dialog zu z. B. folgenden Themen: Promovieren – aber wo? und Promovieren in der eigenen Disziplin oder in Bezugswissenschaften? Zentrale Themen der Gespräche waren der Weg in die Promotion, erste Schritte und Suche nach einer passenden Betreuung. Es wird dazu geraten, bereits im Vorfeld Kontakt mit möglichen Betreuern aufnehmen, um die Entscheidung für den Schwerpunkt seiner Arbeit zu erleichtern. Die Wahl der Fachdisziplin oder einer Bezugswissenschaft hängt davon ab, wohin man seinen Blick richten möchte. Auch die Motivation für eine Promotion in einer bestimmten Fachrichtung ist ausschlaggebend, weshalb man sich über Ziel und Grund für eine Promotion bewusst werden muss. Um hierbei Unterstützung zu erfahren, ist anzuraten, Netzwerke zu gründen und aufzusuchen, um fachliche Schwerpunkte auszuarbeiten.

Großen Anklang fand der Tisch zum Thema Das Ganze auf die Füße stellen! Finanzielle Förderungsmöglichkeiten. Folgende Finanzierungsmöglichkeiten wurden diskutiert: Zum einen existieren Förderprogramme durch Stipendien. Dazu gibt es 12 Begabtenförderungswerke in Deutschland. Generelle Voraussetzung für die Bewerbung um ein Promotionsstipendium ist die Einreichung eines Exposés, das den Vorgaben der jeweiligen Stiftung genau angepasst werden sollte. Die meisten Förderungswerke haben eine Altersgrenze für Bewerber festgelegt. Promovierende aus den Gesundheitsfachberufen sind aufgrund ihres Bildungswegs zum Teil jedoch älter als 30 Jahre und erfüllen dadurch nicht immer die Kriterien für ein Promotionsstipendium. Ein weiteres Problem stellt die Frage der Sozialversicherung dar, die die Stipendien im Normalfall nicht beinhalten. Das Problem besteht nicht bei Mitarbeiterstellen an (universitären) Forschungseinrichtungen und der Deutschen Förderungsgemeinschaft, da diese in der Regel sozialversicherungspflichtig sind. Insbesondere für viele Frauen stellt sich zudem die Frage der Kinderbetreuung. Da es spezifische Frauenförderungen gibt, wird empfohlen, sich an die Frauenbeauftragten der Hochschulen zu wenden.

Ein reger Austausch erfolgte auch zum Thema Tue Gutes und schreibe darüber! Treffen mit VertreterInnen der Fachverlage. Die Gesprächsthemen reichten von der Wahl einer geeigneten Zeitschrift über die Kontaktaufnahme mit dem Verlag bis hin zu formalen Anforderungen an die Formatierung eines Artikels und dem Auswahlprozess beim Verlag. Beispielsweise spielt die Zielgruppe oder möglicherweise auch der Impact-Faktor eine Rolle. Es ist zwar möglich, verschiedene Artikel über ein Thema – z. B. aus verschiedenen Perspektiven – zu schreiben, es dürfen jedoch keine identischen Artikel eingereicht werden. Offensichtlich besteht eine große Hemmschwelle, Kontakt mit den Verlagen aufzunehmen. Die anwesenden Verlagsvertreter rieten daher, diesbezügliche Skrupel abzulegen, beim Einreichen von Arbeiten die entsprechenden Autorenhinweise zu beachten und sich nicht eventuelle Kritik vorschnell entmutigen zu lassen.

Beim Tisch Ein Blick über den Tellerrand! Promovieren im Ausland war zu erfahren, wie man eine Doktorandenstelle in England erwirbt. Möglichkeiten dazu bestehen über Ausschreibungen auf den jeweilige Homepages der Universitäten, Initiativbewerbungen oder weiteren Internetseiten mit Doktorandenstellen. Die Finanzierung erfolgt auch hier über Stipendien oder beantragte Forschungsgelder. Als Vorteile des Promovierens im Ausland wurden primär genannt: Verbesserung der englischen Sprache, die Betreuung ist an den Universitäten in England ist bereits integriert, und die Promotion verläuft in der Regel strukturierter als in Deutschland. Zudem besteht die Möglichkeit, nicht zwangsläufig in einer Bezugswissenschaft, sondern direkt in Physiotherapie zu promovieren und internationale Kontakte zu knüpfen. Um die Nachteile der Abwesenheit und damit des fehlenden Kontakts nach Deutschland zu vermeiden, kann das PhD-Programm gesplittet werden, was allerdings mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden ist.

Beim Thema Gemeinsam geht es besser! Vertreter aus interdisziplinären Graduiertenkollegs, Forschungskolloquien und Netzwerken wurden die Unterschiede zwischen Forschungskolloquien, Netzwerken, Graduiertenschulen und Promotionsstudiengängen thematisiert. Die Fragen der Teilnehmer richteten sich konkret an die Struktur der verschiedenen Unterstützungsformen. Forschungskolloquien und Promotionsnetzwerke sind im Gegensatz zu Graduiertenschulen und Promotionsstudiengängen keine strukturierten Programme, sondern eine individuell geleitete Unterstützung bei einer freien Promotion. Ziel der Forschungskolloquien und Promotionsnetzwerke ist die Förderung, Beratung und Begleitung von Promotionen, die an Universitäten ohne professionsspezifischen Schwerpunkt durchgeführt werden, sowie den Austausch mit anderen Promovenden zu ermöglichen. Als strukturierte Programme wurden exemplarisch das Graduiertenkolleg der Charité Berlin und der Promotionsstudiengang der Universität Halle-Wittenberg vorgestellt, die sich durch ein strukturelles Programm von freien Promotionen unterscheiden.

Zuletzt weckte auch der Thementisch Wenn aus Visionen Wirklichkeit wird! Spezifische Bedarfe und wünschenswerte Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses großes Interesse. Als zentrale Fragen wurden der Weg hin zur Promotion, die Gründe für eine Promotion sowie der Nutzen für die Gesellschaft und die Promovierenden thematisiert. Auch hier wurden Unklarheiten über die Erwartungen an einen Stipendiaten sowie Schwierigkeiten bei der Suche eines geeigneten Betreuers als Hürden geäußert. Außerdem wünschen sich die Teilnehmer eine konsequentere Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Dafür muss sich die Praxis für akademische Abschlüsse öffnen und entsprechende Arbeitsplätze schaffen. Außerdem wünschen sich die Teilnehmenden mehr Unterstützung seitens der Berufsverbände.

Die große Nachfrage und die positive Evaluierung des Workshops zeigen, dass weitere Veranstaltungen zu diesem Thema erwünscht sind. Das Abschlussfazit der Gastgeber macht Mut und motiviert, sich der Herausforderung Promotion zu stellen: Der Bedarf an Wissenschaftlern in den Gesundheitsfachberufen ist groß und die Aussichten für eine Mitgestaltung der Gesundheitsversorgung zurzeit sehr gut.

Informationen zur Promotionsförderung im Internet:
  • ELFI: www.elfi.info;

  • Euraxness: www.eracareers-germany.de

  • Stipendienlotse: www.stipendienlotse.de

  • Stipendiensuchmaschine für Europa: www.scholarshipportal.eu

  • Übersicht über die 12 großen Begabtenförderungswerke: www.stipendiumplus.de/de/93.php

  • Übersicht einiger Graduiertenkollegs und -schulen: www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite= 1720

  • Förderung im Ausland über DAAD: Stipendiensuchmaschine (Kurz- und Jahresstipendien für Doktoranden): www.daad.de/ausland/foerderungsmoeglichkeiten/stipendiendatenbank/00 677.de.html

  • Fulbright Kommission (für USA): www.fulbright.de/tousa/stipendien.html

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Abb. 1 Gemeinsamer Auftakt der Veranstaltung.
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Abb. 2 Austausch während des Weltcafés.