physioscience 2011; 7(3): 133-134
DOI: 10.1055/s-0031-1281675
Veranstaltungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

WCPT-Kongress 2011 in Amsterdam

E. Scheld1
  • 1FH Bielefeld
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 September 2011 (online)

Auf dem diesjährigen Kongress der World Confederation of Physical Therapy (WCPT) in Amsterdam kamen Physiotherapeuten aus über 100 Ländern zusammen. Vom 20.–23. Juni trafen sich mehr als 5274 Interessierte im RAI Convention Centre Amsterdam, um ihr Wissen auszubauen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Die meisten Kongressbesucher kamen aus der näheren Umgebung, mit 1154 Niederländern lagen die Gastgeber weit vorne, gefolgt von 370 Engländern und 355 Teilnehmern aus den USA. Deutschland nahm mit 277 Physiotherapeuten den 5. Platz hinter Japan mit 285 Vertretern ein. Aus der Schweiz reisten 213 Besuchern an, aus Österreich 70. Ferne Länder wie Tahiti, Afghanistan und Zimbabwe vervollständigten das internationale Flair ([Abb. 1]).

Abb. 1 Internationales Publikum beim WCPT-Kongress in Amsterdam (Quelle: Antim Wijnaendts van Resandt für WCPT, www.wcpt.org).

Die Eröffnungsfeier stimmte die Teilnehmer durch eine gelungene Kombination aus begeisternder Akrobatik und abwechslungsreichen Vorträgen auf die bevorstehenden Ereignisse ein. Lorimer Moseley, Professor of Clinical Neurosciences an der University of South Australia, nahm zum 3. Mal am WCPT teil und betonte in seiner Ansprache die einzigartige Möglichkeit, sich mit so vielen Gleichgesinnten auszutauschen ([Abb. 2]). Er ermutigte die Physiotherapeuten, sich tiefgehend mit sensorischem Input zu beschäftigen. Anhand überzeugender und kreativer optischer Täuschungen unterstrich er seine Aussage, dass alles, was wir tun, Einfluss auf die neuronale Verarbeitung und Darstellung im Gehirn hat. Daher ist es so wichtig, das sensorische System verstärkt in die Therapie zu integrieren. Humorvoll machte er darauf aufmerksam, dass die Physiotherapie vor dem Foramen magnum nicht aufhöre und dieses in der Therapie für einen höheren zentralen Ansatz im Gehirn genutzt werden könne.

Abb. 2 Professor Lorimer Moseley bei seiner Eröffnungsrede (Quelle: Antim Wijnaendts van Resandt für WCPT, www.wcpt.org).

Jeder Redner goss nach seinem Vortrag eine symbolische Tulpe, die so stetig wuchs. Die niederländische Prinzessin Margriet brachte die magische Blume zum Erblühen, die als Symbol für den Wissenszuwachs in Holland den Kongress bis zum Abschluss begleitete. Auf der anschließenden Welcome Reception bot sich bei Kanapees und ausgelassener Stimmung die erste Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.

Die folgenden 3 Tage benötigten eine eigene durchdachte Planung, wollte man das große Angebot an Diskussionsrunden, Symposien, Vorträgen, Netzwerktreffen, Posterpräsentationen, Seminaren und Klinikbesuchen gezielt wahrnehmen. Für den Fall, dass man sich auf dem Weg zum nächsten anvisierten Raum doch verlaufen hatte, standen insgesamt 180 in Orange gekleidete und somit gut erkennbare freiwillige Helfer aus den Niederlanden, Nigeria, Frankreich, Ghana und Polen zur Seite. Sie unterstützten bei der Orientierung im RAI und beantworteten Fragen zum Kongress und zu Amsterdam.

Für viele Physiotherapiestudenten war das Netzwerktreffen Students Physical Therapists’ Forum besonders geeignet, um in einen internationalen Austausch mit anderen angehenden Physiotherapeuten zu gelangen. Die beiden Studentinnen Lindsey Caulfield und Joanna Fasano aus den USA organisierten dieses Treffen mit ihrer Dozentin Jenny Audette, bei dem sich über 50 Studenten einfanden. Mithilfe der Kugellagermethode hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, innerhalb weniger Minuten partnerweise über ein vorgegebenes physiotherapeutisches studentisches Thema zu sprechen. Dem Speed-Dating ähnlich wechselten Partner und Themen, sodass zum Ende jeder mit jedem gesprochen zu haben schien. Dabei erzählte ein Franzose, dass deren Ausbildung ähnlich aufgebaut ist wie die deutsche, und die Brasilianer waren erstaunt zu hören, dass Physiotherapie in Deutschland kein Studium, sondern eine Ausbildung bedeutete. Aus Portugal gab es die Information, dass das Studium bis auf die Abschlussarbeit rein praktischer Natur ist.

Zum Thema Vernetzungsaktivitäten berichteten die Japaner stolz von ihrer kürzlich gegründeten Asia Physical Therapy Student Association (APTSA; www.aptsaweb.org). Dieser Verband setzt sich aus Hong Kong, Indonesien, Japan, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Südkorea, Thailand und Taiwan zusammen. Er soll deren Interessen unpolitisch über die Landesgrenzen hinaus vertreten, das Gemeinschaftsgefühl der asiatischen Physiotherapiestudenten stärken und die Grundlage für Kooperationsprojekte darstellen.

Die beiden amerikanischen Veranstalterinnen der Netzwerk-Session erzählten im Gespräch mit dem Georg Thieme Verlag, dass sie zum 1. Mal ein internationales studentisches Treffen organisiert hatten. Sie waren über den Zulauf positiv überrascht und freuten sich darauf, die vielen Teilnehmer bei einem lockeren Treffen am Abend in der Stadt über die aufgegriffenen Themen hinaus kennenzulernen.

So war dieses Netzwerktreffen ein voller Erfolg, wurden durch neu entfachte Motivation nun auch Pläne für ein internationales flächendeckendes Netzwerk geschmiedet. Über die Gruppe WWPTSN – WorldWide Physical Therapy Students Network bei Facebook (www.facebook.com/groups/118639301557809) und festen Ansprechpartnern einiger Länder soll die internationale Kommunikation zukünftig erleichtert und angeregt werden. Die deutsche Ansprechpartnerin, Henrike Greuel, freut sich über Interesse an dem jungen neuen Netzwerk und steht für Fragen zur Verfügung.

Auch die letzten beiden Kongresstage boten den Teilnehmern zahlreiche Highlights. Viele Veranstaltungen widmeten sich dem Thema Schmerz und Schmerzwahrnehmung. Im durch Schwarzlicht illuminierten Elisium sprachen Experten kritisch über den Umgang mit Schmerz. David Butler aus Australien betonte, dass man es bei Schmerzpatienten nicht bei einer kognitiven Verhaltenstherapie belassen, sondern vielmehr vom biopsychologischen Behandlungsansatz ausgehen sollte. Unter dessen Berücksichtigung sei eine Verbesserung wahrscheinlicher als unter dem klassischen biomedizinischen Ansatz.

Wer Abwechslung von den Vorträgen brauchte, konnte während des gesamten Kongresses auf der Ausstellungsfläche Spannendes entdecken. Neueste Technologien wurden erkundet, über 1675 Poster luden zu Diskussionsrunden ein und im Fitnessbereich kamen Sportbegeisterte durch Tai Chi, Yoga und FunFitness auf ihre Kosten.

Die verschiedenen Eindrücke des 16. WCPT-Kongresses in Amsterdam liefern viel Gesprächsstoff mit Daheimgebliebenen und den neuen Bekannten auf der anderen Seite des Globus. Oft scheint die Physiotherapie in Deutschland sehr weit vom Entwicklungsstand anderer Länder entfernt zu sein. Die Einblicke in deren Standards zeigen jedoch, dass die Distanz oft gar nicht so groß ist. Die deutschen Physiotherapeuten scheinen mit wachsendem Selbstbewusstsein und fortschreitender Forschung auf einem guten Wege zu sein, den Abstand zu den internationalen Kollegen zu verringern. Vor diesem Hintergrund macht ein Wiedersehen Freude: Auf dem 17. Weltkongress 2015 in Singapur, bei dem dann sowohl vertraute als auch neue Gesichter zu treffen sein werden.

Elisabeth Scheld

Email: ce.scheld@googlemail.com

    >