Sprache · Stimme · Gehör 2010; 34(4): 181
DOI: 10.1055/s-0031-1271894
Der kleine Repetitor

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Auditorische Synaptopathie/auditorische Neuropathie

Eine spezielle Form der Schallempfindungsschwerhörigkeit
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Publication Date:
13 January 2011 (online)

Die Auditorische Synaptopathie/Auditorische Neuropathie (AS/AN) ist eine spezielle und seltene Form der Schallempfindungsschwerhörigkeit. Synonyme sind "Auditorische Neuropathie/Auditorische Dys-Synchronie" (AN/AD) und "Störung aus dem Auditorische-Neuropathie-Spektrum". Die Krankheit kann entweder schon nach der Geburt vorhanden sein, oder erst später, auch bei Erwachsenen, auftreten. Die Häufigkeit wird mit 0,5–15 % aller Schallempfindungsschwerhörigkeiten angegeben. Die klinischen Leitsymptome der AS/AN sind der schwankende, meist beidseitig, selten auch einseitig auftretende Hörverlust und die oft starke Einschränkung des Sprachverstehens besonders im Störgeräusch. Mit "objektiven" Hörprüfungen kann man beim Erstverdacht bei 70 % der Patienten otoakustische Emissionen (transitorische OAE: "TEOAE", Distorsionsprodukte:
"DPOAE") nachweisen, die als intakte Funktion der äußeren Haarzellen gedeutet werden. Die cochleären Mikrofonpotenziale sind bei 50–60 % intakt, als Ausdruck funktionierender innerer Haarzellen. Bei fast allen Patienten sind die Stapediusreflexe ausgefallen und die frühen akustisch evozierten Potentiale sind entweder stark dysmorph oder fehlen vollständig. Dieser Befund wird als Synchronisationsstörung im Hörnerv oder in der zentralen Hörbahn gedeutet und gibt der Krankheit ihren Namen.

Neugeborene mit angeborener AS/AN fallen beim Hörscreening nur dann auf, wenn neben der Erfassung der TEOAE auch eine automatisierte FAEP-Messung durchgeführt wird. Das besondere Problem bei diesen gescreenten Säuglingen besteht darin, dass desynchronisierte FAEP auch bei sogenannten "zentralen Reifungsverzögerungen" vorkommen, wobei sie sich aber binnen einiger Monate ohne Therapie spontan normalisieren. Bei "echter" AS/AN jedoch persistiert der Befund auch jenseits des ersten Lebensjahres. Für die Lokalisierung der Störung kommt erschwerend hinzu, dass die initial meist vorhandenen OAE (TEOAE und DPOAE) im Verlauf verschwinden können, weswegen man sich beim Erstverdacht beeilen muss, sie nachzuweisen. Die FAEP- und OAE-Befunde müssen also bei Kindern und Erwachsenen im Verlauf einiger Monate kontrolliert werden, bevor man die endgültige Diagnose einer AS/AN stellt.

Die Ausprägungen der Erkrankung, der Symptome, Befunde und deren Ursachen sind sehr variabel, d.h. die Erkrankung ist wahrscheinlich noch keine "nosologische Entität". Der Verlauf jenseits der ersten 12 Lebensmonate ist besonders variabel, weswegen man sich gegenüber den Eltern mit einer Prognose über den individuellen Verlauf hüten sollte. Die Eltern haben es schwer: auf der einen Seite erleben sie eine anfängliche Unsicherheit bei der Diagnose und Therapie, auf der anderen Seite sollen sie motiviert mitmachen und die Kinder immer wieder zur Kontrolle vorstellen. Diese Problematik sollte man offen ansprechen.

Bei Kindern und Erwachsenen wird meist eine Hörgeräteversorgung ausprobiert. Wegen der besonderen Probleme des Sprachverstehens im Störgeräusch wird eine zusätzlich FM-Anlage empfohlen. Die Hörsystemversorgung ist aber oft nicht erfolgreich. Wenn die Diagnose ausreichend abgesichert ist und Hörsysteme nicht zum Erfolg führen, sollte eine Cochlea Implantation erfolgen. Bei Kindern im Spracherwerb sollte zusätzlich zur apparativen Versorgung eine intensive auditiv-verbale Übungstherapie durchgeführt werden. Bleibt die verbale Sprachentwicklung trotz allem aus, sollten alternative Kommunikationsformen wie das Absehen, verschiedene Formen der Gebärdensprache, totale Kommunikation oder auch unterstützte Kommunikation eingesetzt werden.

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