Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11(4): 158
DOI: 10.1055/s-0030-1263014
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Intensivmedizin – Was bringt eine integrierte Palliativbetreuung?

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Publication Date:
20 July 2010 (online)

 

S. OŽMahony und Kollegen haben in einem Krankenhaus in der Bronx ein Projekt gestartet, bei dem Patienten und Angehörigen auf der Intensivstation die Unterstützung durch ein Palliativ-Team erhielten. Jetzt berichten sie über ihre Erfahrungen. Palliative Medicine 2010; 24: 154-165

Fast die Hälfte aller Amerikaner verbringt die letzten 3 Lebenstage auf einer Intensivstation. Patienten und Familien werden mit komplexen, nicht selten widersprüchlichen diagnostischen Informationen konfrontiert und sind mit der Betreuung oft unzufrieden. Dies gilt besonders in sozial unterprevilegierten Bezirken. S. OŽMahony et al. konnten mit ihrem Palliativprogramm für Intensivpatienten eine höhere Lebensqualität, eine Steigerung der Leitlinienkompetenz, vermehrte Nutzung von Hospizen, bessere Schmerzbehandlung und Vermeidung aussichtsloser lebensverlängernder Maßnahmen erreichen.

Die Behandlung auf der Intensivstation des Montefiore Medical Center im Problembezirk Bronx der Stadt New York ist nach Angaben der Autoren grundsätzlich problematisch. Für mehr als die Hälfte der Bewohner ist Englisch nicht die Hauptsprache. Die Familien haben geringe Einkommen, leiden an Armut-assoziierten Krankheiten und sind häufig nicht krankenversichert. Selten haben sie einen Hausarzt. Medizinisch stehen HIV-Erkrankungen im Vordergrund. In der Bronx sterben 7-mal mehr Menschen an AIDS als im nationalen Durchschnitt. Sowohl Patienten als auch Angehörige stehen einer Palliativersorgung besonders skeptisch gegenüber, weil sie sowohl Diskriminierungen als auch eine medizinische Unterversorgung befürchten.

Bei dem Palliativprojekt über 2 Jahre waren eine besonders geschulte Krankenschwester und ein Sozialarbeiter in die tägliche Arbeit auf der Intensivstation einbezogen und unterrichteten Krankenhauspersonal. Sie begleiteten die Angehörigen in "Familientreffen" und die Patienten durch tägliche Gespräche, wobei vor allem eine Stressreduktion angestrebt war. Die Daten von 157 Erhebungen (Interviews und Fragebögen von Patienten, Mitarbeitern und Angehörigen) wurden mit denen von einer anderen, nicht palliativ betreuten Intensivstation in der Bronx verglichen.

Von den Patienten waren 35 % Afroamerikaner und 22 % Latinos. 22,5 % gehörten einer nicht-christlichen Religion an. Den Patienten war besonders das Gefühl der Selbstbestimmung und Entscheidungsgewalt wichtig. Bei den Familientreffen überwogen kulturelle Themen, die den Sterbeprozess betrafen (z. B. eine bestimmte Lagerung sofort nach dem Tod), die Gestaltung des Umfeldes (z. B. Musik) oder die Fortführung medizinischer Maßnahmen, wenn der Patient darüber selbst nicht mehr bestimmen konnte. Bei 29 % der Patienten wurde eine Beatmung abgebrochen, in 15,9 % der Fälle auf inotrope Medikamente verzichtet, 15,3 % erhielten keine weitere künstliche Ernährung, 6,4 % keine Dialyse mehr und bei 2,5 % wurde die Zufuhr von Flüssigkeit eingestellt. Vor ihrem Aufenthalt hatten 33 % der Patienten über eventuelle Wiederbelebungsmaßnahmen entschieden. Nach der Palliativintervention waren dies 83,4 %. 35 % der Patienten wurden in einem Hospiz weiter betreut.

Im Vergleich mit der Intensivstation ohne planmäßige Palliativversorgung waren die Überlebenszeiten vergleichbar (12 und 13,5 Tage). Beatmungen und Dialysen, Laboruntersuchungen und Röntgenuntersuchungen waren seltener. Demgegenüber erfolgte eine intensivere Schmerzmedikation. Patienten, Angehörige und Mitarbeiter waren zufriedener.

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