Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(3): 174
DOI: 10.1055/s-0030-1256851
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Stressulkusprophylaxe bei enteral ernährten Patienten notwendig?

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Publication Date:
08 September 2011 (online)

Marik PE, Vasu T, Hirani A et al. Stress ulcer prophylaxis in the new millennium: A systematic review and meta-analysis. Crit Care Med 2010; 38: 2222 – 2228

Die Ernährungsstrategie bei Intensivpatienten hat sich in der letzten Zeit stark zugunsten einer frühenteralen Ernährung geändert und Beobachtungsstudien haben eine deutliche Abnahme der stressulkusbedingten Komplikationen gezeigt. Dies nahmen Marik et al. zum Anlass in einer Metaanalyse die Notwendigkeit der routinemäßigen medikamentösen Stressulkusprophylaxe kritisch zu hinterfragen, da die Absenkung des Magen-pH-Werts durch Protonenpumpeninhibitoren und H2-Blocker mit einer Zunahme der Pneumonierate einhergeht.

Für die Analyse wurden Studien ausgewählt, die H2-Blocker mit Placebo in doppelblind-randomisierter Form verglichen. Als Outcomeparameter wurden obere gastrointestinale Blutungen, Mortalität und die Inzidenz nosokomialer Pneumonien verglichen. Die Metanalyse wertete insgesamt 17 Studien mit zusammen 1836 Patienten aus, in dreien erhielten die Patienten adäquate enterale Ernährung. Im Gesamtkollektiv fand sich eine Reduktion des Risikos für eine oberer GI-Blutung mit einer Odds Ratio (OR) von 0,47 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,29 – 0,76, p < 0,002), allerdings nur in der Gruppe der Patienten ohne ausreichende enterale Ernährung. Bei den enteral ernährten Patienten betrug die OR hingegen 1,26 (KI 0,43 – 3,7). Während in der Gesamtgruppe die Pneumonierate der mit H2-Blockern behandelten Patienten nicht signifikant erhöht war (OR 1,53, KI 0,89 – 2,61, p = 0,12) erhöhte sich das Risiko in der Untergruppe der enteral ernährten Patienten unter H2-Blockade auf eine OR von 2,81 (KI 1,2 – 6,56, p = 0,02). Die Mortalität in den Gruppen mit und ohne H2-Blocker war gleich, jedoch fand sich in 2 Studien mit enteraler Ernährung und H2-Blocker-Prophylaxe eine erhöhte Mortalität (OR 1,89, KI 1,04 – 3,44, p = 0,04).

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine routinemäßige medikamentöse Stressulkusprophylaxe mit H2-Blockern bei Patienten mit enteraler Ernährung nicht erforderlich sei und evtl. sogar negative Auswirkungen auf Pneumonierate und Mortalität haben könne.

Fazit: Die vorliegende Studie stellt das Dogma der routinemäßigen Stressulkusprophylaxe für jeden Intensivpatienten in Frage. Patienten, die frühenteral ernährt werden, scheinen nicht von einer Stressulkusprophylaxe zu profitieren, sondern im Gegenteil eine erhöhte Pneumonierate und Mortalität aufzuweisen. Ob die Ergebnisse der Metaanalyse auch auf Protonenpumpeninhibitoren übertragen werden können, bleibt spekulativ ist allerdings angesichts der insgesamt geringen Inzidenz der Blutungsereignisse durchaus anzunehmen. Daraus kann für die Praxis ein risikoadaptiertes Vorgehen unter Berücksichtigung von Stressulkusrisiko (z.B. erhöht bei gleichzeitiger Einnahme von Steroiden, nicht steroidalen Antiphlogistika etc.) einerseits und Pneumonierisiko andererseits abgeleitet werden, welches bei suffizienter frühenteraler Ernährung eine medikamentöse Stressulkusprophylaxe in vielen Fällen überflüssig macht.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg

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