Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(9/10): 327-328
DOI: 10.1055/s-0029-1220462
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutschsprachige psychosoziale Fachzeitschriften im internationalen Wettbewerb

German Psychosocial Journals from an International PerspectiveElmar  Brähler1 , Heide  Glaesmer1
  • 1Universität Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
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Publication Date:
28 September 2009 (online)

Prof. Elmar Brähler

Dr. Heide Glaesmer

In den letzten Jahrzehnten hat sich die englische Sprache weitgehend als die führende Wissenschaftssprache, gerade auch in der Medizin und in der Psychologie durchgesetzt. Dies hat natürlich für viele Wissenschaftler den Vorteil, dass ihre Forschungsergebnisse international disseminiert und ggf. auch rezipiert werden [1]. Allerdings ergibt sich für die psychosoziale Medizin daraus auch das Problem, dass Ärzte und Psychotherapeuten sich weniger in englischsprachigen Zeitschriften fortbilden, weil die Sprache hier noch immer eine Hürde darstellt und der Zugriff zu diesen Zeitschriften oft auch durch hohe Kosten erschwert wird. Hinzu kommt, dass die psychosozialen Fächer zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil sprach- und kulturgebunden sind. Dieses Dilemma führte zu mehreren Veränderungen:

Zwei Untersuchungen ergaben, dass z. B. die Lehrstuhlinhaber für Psychosomatische Medizin bzw. Medizinische Psychologie partiell ihr Publikationsverhalten internationalisierten 2 3. Es wurden deutschsprachige Fortbildungszeitschriften auf den Markt gebracht, um die Lücke zu schließen, die durch die Internationalisierung entstanden ist. Einige deutschsprachige Zeitschriften haben den Schritt zur englischen Sprache bereits vorgenommen, andere Zeitschriften diskutieren ihn seit einiger Zeit.

Darüber hinaus sahen sich die psychosozialen Fächer im letzten Jahrzehnt einem immer stärkeren Druck der Fakultäten im Hinblick auf die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) ausgesetzt. Obwohl sehr viele psychosoziale Institute die Folgen zunächst nicht so negativ sahen [4], hat doch die immer einseitigere Orientierung auf Impactfaktoren einen wichtigen Einfluss auf die Wahl des Publikationsorgans. Darüber hinaus gab es eine weitere Fehlentwicklung bei den meisten medizinischen Fakultäten, die die Impactfaktoren immer häufiger zur Bewertung von Einzelpersonen im Rahmen von Berufungen und Habilitationen heranziehen [4]. Die beschriebenen Entwicklungen haben dazu geführt, dass der Impactfaktor für die deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften eine sehr wichtige Größe geworden ist. Die Verwendung der Impactfaktoren wird kritisch diskutiert, insbesondere die Anwendung dieses Maßes zur Bewertung von Einzelpersonen. Dies ist an anderer Stelle schon ausführlich dargestellt worden [4] [5].

[Tab. 1] zeigt die Impactfaktoren der deutschsprachigen Zeitschriften für die letzten fünf Jahre. Zum Vergleich sind einige internationale Zeitschriften angeführt.

Tab. 1 Impactfaktoren deutschsprachiger psychosozialer Zeitschriften 2008 (Stand 01.07.2009). Zeitschrift* 2004 2005 2006 2007 2008 Kindheit und Entwicklung (Kindh Entwickl) – 1.80 2.18 4.06 4.17 Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (Z Padagog Psychol) 0.69 2.43 1.12 0.60 2.30 Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch) 0.92 0.83 1.09 1.14 1.70 Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Z Psychosom Med Psyc) 1.38 1.77 1.11 1.89 1.50 Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie (Z Arb Organ) 1.11 0.62 1.44 1.32 1.39 Sozial- und Präventivmedizin (Soz Praventiv Med) 0.64 0.51 1.01 0.82 1.25 Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie (Psychother Psych Med) 0.88 1.73 1.04 1.35 1.21 Kölner Zeitschrift Soziologie und Sozialpsychologie (Kolner Z Soziol Soz) 0.49 0.44 0.58 0.61 1.19 Psychiatrische Praxis (Psychiat Prax) 1.11 1.36 2.15 1.82 1.12 Schmerz (Schmerz) 0.90 0.68 0.72 0.91 0.98 Wiener Klinische Wochenschrift (Wien Klin Wochenschr) 0.90 0.58 0.80 0.89 0.86 Diagnostica (Diagnostica) 0.69 0.54 0.85 0.56 0.82 Nervenarzt (Nervenarzt) 0.90 0.90 0.71 0.60 0.81 Psychotherapeut (Psychotherapeut) 1.13 0.32 0.52 1.01 0.80 Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie (Fortschr Neurol Psyc) 0.75 0.80 0.55 0.58 0.79 Gesundheitswesen (Gesundheitswesen) 0.42 0.55 0.72 0.71 0.75 Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Z Kl Psych Psychoth) 1.20 0.66 0.52 0.63 0.74 Verhaltenstherapie (Verhaltenstherapie) 0.34 0.46 0.52 1.14 0.73 Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Z Kinder Jug-Psych) 0.68 0.46 0.55 0.49 0.70 Zeitschrift für Psychologie (Z Psychol) 0.44 0.35 0.61 0.34 0.70 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie (Z Gerontol Geriatr) 0.36 0.54 0.51 0.30 0.69 Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (Gruppenpsychother Gr) 2.07 1.32 1.00 1.07 0.66 Deutsche Medizinische Wochenschrift (Deut Med Wochenschr) 0.55 0.65 0.58 0.43 0.63 Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und pädagogische Psychologie (Z Entwickl Padagogis) 0.37 0.53 0.40 0.51 0.63 Psychologie in Erziehung und Unterricht (Psychol Erz Unterr) 0.11 0.20 0.30 0.27 0.62 Zeitschrift für Soziologie (Z Soziol) 0.69 0.38 0.58 0.38 0.61 Zeitschrift für Sozialpsychologie (Z Sozialpsychol) 0.20 0.28 0.24 0.40 0.43 Psyche (Psyche–Z Psychoanal) 0.53 0.52 0.20 1.01 0.42 Nervenheilkunde (Nervenheilkunde) 0.45 0.39 0.40 0.44 0.37 Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie (Z Klin Psych Psychia); ab 2006: Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (Z Psychiatr Psych Ps) 0.24 1.45 0.23 0.92 0.35 Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie (Prax Kinderpsychol K) 0.33 0.21 0.31 0.42 0.32 Soziale Welt (Soz Welt) 0.29 0.33 0.27 0.16 0.23 Forum Psychoanalyse (Forum Psychoanal) 0.50 0.67 0.49 0.19 0.19 Berliner Journal Soziologie (Berl J Soziol) 0.39 0.23 0.22 0.21 0.17 Physikalische Medizin Rehabilitationsmedizin Kurortmedizin (Phys Med Rehab Kuror) 0.70 0.78 1.75 – – Gruppendynamik und Organisationsberatung (Gruppendynamik Organ) 0.20 0.07 0.23 0.06 0.14 Zum Vergleich Psychotherapy & Psychosomatics (Psychother Psychosom) 3.99 4.97 4.33 5.02 4.21 Psychosomatic Medicine (Psychosom Med) 3.43 3.64 3.86 3.11 3.46 European Journal of Public Health (Eur J Public Health) 1.05 1.12 1.48 1.91 2.18 Experimental Psychology (Exp Psychol) 2.31 1.62 2.41 2.78 1.97 Psychotherapy Research (Psychother Res) 0.83 1.02 0.93 1.99 1.58 * In Klammer offizielle ISI Abkürzungen

Betrachten wir [Tab. 1], so ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

Die Impactfaktoren der deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften weisen eine große Bandbreite auf. Gemessen an den Durchschnittswerten der Bereiche Psychologie und Psychiatrie mit im Mittel ca. 1,8 sind die Impactfaktoren der deutschsprachigen Zeitschriften eher niedriger. Die Impactfaktoren der deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften schwanken sehr stark von Jahr zu Jahr. In der Währung der Impactfaktoren gerechnet entsprechen 33 Artikel in der PPmP einem Artikel im New England Journal of Medicine (Impactfaktor 2008 = 50,17). Die PPmP hat einen relativ konstanten Impactfaktorenverlauf. Neuerdings gibt das ISI auch die Werte des Impactfaktors ohne Eigenzitierung an. Demnach liegt die PPmP mit 0,96 immerhin auf dem 4. Platz der deutschsprachigen psychosozialen Fachzeitschriften.

Sehr bedeutsam für die weitere Entwicklung der Impactfaktoren der deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften wird die Aufnahme von weiteren Zeitschriften in die Datenbank SCI und SSCI sein. Aufgenommen wurden die Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, die Zeitschrift für Sportpsychologie, die Zeitschrift Rehabilitation, das Bundesgesundheitsblatt, die Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung und schließlich das Deutsche Ärzteblatt in seiner englischen Fassung.

Dies dürfte zu einer spürbaren Verbesserung der Impactfaktoren der anderen Zeitschriften führen, da die Zitierung in den neu aufgenommenen Zeitschriften bislang keinen Einfluss auf deren Impactfaktor hatte, in Zukunft aber berücksichtigt werden wird.

Bedeutsam für die psychosozialen Fächer dürfte auch die Neugestaltung der Richtlinien zur leistungsorientierten Mittelvergabe an medizinischen Fakultäten durch die DFG sein. Hier wird wohl auf den Einsatz der Impactfaktoren bei der Bewertung von Einzelpersonen und auf die Fächergerechtigkeit bezüglich der fachspezifisch unterschiedlichen Impactfaktoren eingegangen werden. Die Stellungnahme wird noch für den Herbst erwartet.

Literatur

  • 1 Brähler E, Troschke J v, Strauß B. Bewertung von Publikationsleistungen in den psychosozialen Fächern.  Psychotherapeut. 2000;  45 321-324
  • 2 Decker O, Brähler E. Veröffentlichungspraxis der Lehrstuhlinhaber in der Medizinischen Psychologie und in der Psychosomatik / Psychotherapie.  Psychother Psych Med. 2001;  51 288-295
  • 3 Brähler E, Decker O. Veränderungen in der Veröffentlichungspraxis der Lehrstuhlinhaber in den Fächern Psychosomatische Medizin und Medizinische Psychologie.  Psychother Psych Med. 2003a;  53 502-507
  • 4 Brähler E, Strauss B. Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) in der Medizin – sind die psychosozialen Fächer die Verlierer?.  Psychother Psych Med. 2004;  54 435-436
  • 5 Brähler E, Strauß B. Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) an Medizinischen Fakultäten – Eine aktuelle Übersicht.  Bundesgesundheitsbl. 2009, Online First; 
  • 6 Brähler E, Decker O. Deep Impact. Konsequenzen für Nachwuchswissenschaftler und LOM.  Psychother Psych Med. 2003b;  53 473-474

Dr. Heide Glaesmer

Universität Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Phillipp-Rosenthal-Straße 55

04103 Leipzig

Email: Heide.Glaesmer@medizin.uni-leipzig.de

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