Krankenhaushygiene up2date 2009; 4(1): 6
DOI: 10.1055/s-0029-1214450
Meldungen und Meinungen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Silberbeschichtete Tuben zur Prävention der beatmungsassoziierten Pneumonie?

Further Information

Publication History

Publication Date:
09 March 2009 (online)

Kollef MH, Afessa B, Anzueto A et al. Silver-Coated Endotracheal Tubes and Incidence of Ventilator-Associated Pneumonia: The NASCENT Randomized Trial. JAMA 2008; 300: 805 – 813

Die Autoren stellten sich in ihrer Studie die Frage, ob silberbeschichtete Tuben in der Lage sind, beatmungsassozierte Pneumonien (BAP) zu reduzieren. Dazu iniitierten sie in insgesamt 54 Zentren in Nordamerika eine prospektive, randomisierte klinische Studie. Zwischen Dezember 2002 und Mai 2006 schlossen sie insgesamt 2003 Patienten ein, bei denen erwartet wurde, dass sie länger als 24 Stunden beatmet werden. Eine Gruppe wurde mit dem experimenteller Studien-Tubus mit Silberbeschichtung beatmet, die andere mit einem konventionellen Tubus von einem anderen Hersteller ohne Silberbeschichtung, aber von sonst identischer Bauart. Es sollte die BAP-Inzidenz beider Gruppen verglichen (univariate Analyse) und unabhängige Einflußfaktoren identifiziert werden (logistische Regression mit schrittweiser Variablenselektion).

Das primäre Outcome war die Inzidenz der BAP. Diese wurde definiert als quantitative Kultur von Trachealsekret in der bronchoaleolären Lavage (BAL) mit > 104 KBE/ml. Als Indikation für die Durchführung einer BAL galten entweder der Verdacht auf eine BAP oder ein neues Infiltrat im Röntgen-Thorax inklusive zwei der folgenden Symptome: Fieber oder Hypothermie, Leukozytose oder Leukopenie und/oder eitriges Sputum. Beide Studien-Gruppen unterschieden sich nur dahingehend, dass in der Kontrollgruppe Patienten signifikant häufiger an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung litten (COPD).

In der Gruppe mit silberbeschichtetem Tubus entwickelten 37 von 766 Patienten, die länger als 24 h beatmet wurden, eine BAP – also 4,8%; in der Kontrollgruppe waren es signifikant mehr, nämlich 56 von 743 Patienten oder 7,5%. Bezüglich des sekundären Outcomes zeigten sich keine Unterschiede in den Gruppen: Es gab keine Unterschiede in der Beatmungsdauer (im Median 4,0 Tage), in der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation (im Median 8 Tage), bei der Gesamt-Krankenhausaufenthaltsdauer (im Median 16 Tage) oder in der Mortalität, die in der Silber-Gruppe 30,4% betrug und in der Kontrollgruppe 26,6%. Als unabhängige Schutzfaktoren vor einer BAP bei Patienten mit über 24-stündiger Intubationsdauer fanden die Autoren die Verwendung des silberbeschichteten Tubus, eine Antibiotikatherapie bei Intubation und ein hoher APACHE-II-Score (> 20). Demgegenüber berechneten sie als Risikofaktoren für das Entwickeln einer BAP eine enterale Ernährung, männliches Geschlecht und die Dauer der Intubation.

Die Untersucher schlussfolgern, dass der Einsatz des Silber-Tubus die Häufigkeit einer BAP signifikant reduziere im Vergleich zu einem herkömmlichen Tubus.

Fazit und Bewertung: Zur Schlussfolgerung, dass ein Silber-Tubus einen nachgewiesenen Effekt habe, gelangen wir jedoch – nach kritischer Durchsicht – nicht und zwar aus folgenden Gründen: Die Häufigkeit der klinischen Verdachtsfälle auf BAP war in beiden Gruppen identisch; die Anzahl der neuen Infiltrate waren identisch, ebenso die Mortalität und die Intensivstations- und Krankenhaus-Aufenthaltsdauer. Der einzige Unterschied lag im Anteil positiver quantitativer Kulturen (BAL mit > 104 KBE/ml). Kollef et al. machen jedoch keine Angaben zum Silbernachweis in Materialproben oder zum Einsatz von Enthemmern. Eine Beeinflussung ist aber wahrscheinlich, insbesondere weil Silber nicht fest am Tubus gebunden war, sondern als Polymer in die untersuchten Atemwegsekrete gelangen konnte. Es ist bekannt, dass Silber antibakteriell wirkt und deshalb die Anzahl der Bakterien im Trachealsekret reduzieren kann. Der Effekt ist somit wahrscheinlich ein Nachweis-Artefakt. Dies wird bestärkt durch die Tatsache, dass die angebliche Wirksamkeit speziell in den ersten Tagen aufgetreten war. In einer anderen Studie zu silberbeschichtenen Tuben [Crit Care Med 2006; 34: 2766 – 2772] wurden signifikant erhöhte Silberkonzentrationen im Blut der Interventionsgruppe gefunden, ein Hinweis auf das freie Silber. Kollef et al. untersuchten das Trachealsekret jedoch nicht auf die Silberkonzentration. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass in der Analyse ein Zentrumseffekt nicht ausgeschlossen wurde, obwohl immerhin 54 Zentren teilnahmen und man davon ausgehen kann, dass nicht alle Zentren gleich viele Patienten in die Studie einschlossen. Ein letzter Kritikpunkt ist der Einschluss von Pneumonien, die sich bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach Intubation manifestierten (n = 6 in der Kontrollgruppe, 0 in der Silber-Gruppe). Schließt man diese 6 als zum Zeitpunkt der Intubation wahrscheinlich bereits in der Inkubationsphase befindlich aus (zu beachten: es waren signifikant mehr Patienten mit COPD in der hiervon betroffenen Kontrollgruppe), ergibt sich kein signifikanter Unterschied mehr bei den Inzidenzen in beiden Gruppen – selbst bei ausschließlicher Betrachtung der, auf der fraglich geeigneten Definition basierenden, durch quantitative Kultur bestätigten BAP.

Dr. med. Christine Geffers, PD Dr. med. Elisabeth Meyer, Berlin

    >