Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(4): 196-201
DOI: 10.1055/s-0028-1119449
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Protonenpumpeninhibitoren und die C. difficile-Problematik

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Publication Date:
27 January 2009 (online)

Cunningham R, Dial S. Is over-use of proton pump inhibitors fuelling the current epidemic of Clostridium difficile-associated diarrhoea? J Hosp Infect 2008; 70: 1 – 6

In Nordamerika und in vielen europäischen Ländern wird trotz verbesserter Hygiene und Kontrolle der Antibiotikaverschreibungen seit dem Jahr 2000 ein Anstieg Clostridium difficile-assoziierter Diarrhöen (CDAD) einschließlich mehrerer Ausbrüche beobachtet. Hierzu beigetragen haben eine verbesserte Surveillance, hypervirulente Stämme und eine alternde Gesellschaft, können dieses Phänomen aber nicht vollständig erklären, zumal die gestiegenen Erkrankungsraten den ersten Beschreibungen des C. difficile-Ausbruchstammes, Ribotyp 027, vorausgehen. Die Autoren dieses Reviews sind davon überzeugt, dass der vermehrte und häufig nicht indizierte Gebrauch von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) – es gibt mehr als doppelt so viele Verschreibungen wie noch vor 5 Jahren – zur Häufung der CDAD beitragen und führten dazu 2007 eine Literaturrecherche durch.

Ein Zusammenhang zwischen Hypochlorhydrie (verminderterte Salzsäureabsonderung des Magens) und CDAD wurde bereits 1982 festgestellt. Mehrere Studien haben eine positive Assoziation zwischen PPI und CDAD festgestellt, so auch eine retrospektive Studie von 2003 mit einer Odds Ratio (OR) von 2,5 oder ein systematischer Review mit 12 Publikationen von 2007 mit einer OR von 1,94. Dieser Review konnte auch eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigen, indem die schwächer wirkenden H2-Rezeptor-Antagonisten einen gleichsinnigen aber weniger ausgeprägten Trend bewiesen (OR = 1,40). Andere Studien wiederum konnten diesen Zusammenhang nicht nachweisen, was die Autoren mit Unterschieden in der untersuchten Patientenpopulation und unterschiedlichen Bakterienstämmen erklären. Diese Studien hatten beispielsweise einen hohen Anteil an älteren Patienten, die bereits funktionell häufig eine Hypochlorhydrie haben. Auch ein vermehrter Gebrauch von Chinolonen in einer dieser Studien könnte dazu beitragen, eine Assoziation zu verschleiern. Aufgrund der multifaktoriellen Genese einer C. difficile-Infektion bereitet es generell Schwierigkeiten, adäquate Kontrollen zur Studiengruppe zu finden. In einer Studie wurde die Rückfallquote einer CDAD untersucht, die bei Patienten mit PPI-Einnahme viermal höher war, was auf eine höhere Reinfektionsrate bei diesen Patienten schließen lässt, denn die initiale Ansprechrate auf die CDAD-Therapie war gleich, so dass ein antagonistischer Effekt der PPI auf die Therapie unwahrscheinlich ist. In Tierversuchen mit Mäusen waren PPIs ein unabhängiger Risikofaktor für eine CDAD.

Auch wenn allgemein akzeptiert wird, dass PPIs einen Risikofaktor für eine Magen-Darm-Infektion mit Bakterien wie Salmonellen oder Campylobacter darstellen, so gilt das nicht für die CDAD, da davon ausgegangen wird, dass bei C. difficile nur die Sporen, die aber säureresistent sind, für die Übertragung relevant sind. Dass Sporen bei normalem Magen-pH überleben, trifft zweifelsfrei in vitro zu. In vivo können aber noch andere Faktoren wie Nitrite im Speichel synergistisch dazu beitragen, dass ein sporozider Effekt auftritt. Vegetative Formen überleben den sauren Magen-pH nicht und es ist beim Menschen unklar, wie schnell Sporen nach Ingestion auskeimen und ob dies durch eine Veränderung des Magen-pHs beeinflusst wird. In einer Studie konnte jedoch auch gezeigt werden, dass vegetative C. difficile auf den meisten Oberflächen bis zu 6 h überleben können und nach Aufnahme in Mageninhalten von Patienten unter PPI-Medikation lebendig blieben.

Fazit: Die Autoren sind der Ansicht, dass versucht werden sollte, den Gebrauch von PPIs einzuschränken, zumal deren Verschreibung oftmals nicht indiziert ist. Obwohl ein kausaler Nachweis, dass diese potenten Säureblocker eine Ursache für das vermehrte Auftreten von CDAD sind, bisher nicht geführt werden konnte, rechtfertigt die Schwere der Erkrankung mit einer attributalen Mortalität von 2 – 16 % und die bisher unzureichend greifenden Maßnahmen zur Eindämmung diese wenig risikoreiche, kostensparende und potenziell hilfreiche Intervention. Empfohlen werden die 2004 aktualisierten NICE (National Institute for Clinical Excellence)-Guidelines zum rationalen Vorgehen bei Dyspepsie unter primärer Ausschöpfung nicht-medikamentöser Maßnahmen.

Dr. med. Sibylle Wenzler-Röttele, Freiburg