Klin Monbl Augenheilkd 2009; 226(11): 944
DOI: 10.1055/s-0028-1109879
Offene Korrespondenz

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Irene Löwenfeld am 9. Oktober 2009 in New York verstorben

Irene Löwenfeld Died in New York on October 9, 2009B. Wilhelm, H. Wilhelm
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Publikationsdatum:
13. November 2009 (online)

Irene Löwenfeld wurde 1921 in München geboren. Sie stammte aus einer jüdischen Juristenfamilie, ihr Vater war Rechtsanwalt und begeisterter Musiker. Als Sozialdemokrat und Nazigegner erkannte er früh, wohin Deutschland steuerte und entkam 1933 mit knapper Not der Gestapo ins Züricher Asyl, wo er als „Fluchthelfer” tätig war. Ein Jahr danach folgten ihm Irene, ihre Mutter und ihre beiden Schwestern.

Auch in der Schweiz fühlte sich die Familie nicht sicher und emigrierte 1938 über Le Havre nach New York. Irene, die sich selbst als schwierigen Teenager beschreibt, setzte ihren Schulbesuch in den USA nicht fort, da – wie sie sagte – ihr Englisch zu schlecht gewesen sei.

Mit 18 Jahren wurde Irene Loewenfeld beim Strandspaziergang von einer Frisbeescheibe im Nacken getroffen und hatte seitdem schwere Schmerzen (die sie rückblickend als psychosomatisch interpretierte). Ihre Eltern suchten Hilfe bei dem früheren Direktor der Bonner Psychiatrischen Universitätsklinik, Otto Löwenstein, der wie sie nach New York geflohen war. Er erkannte, dass intellektuelle Unterforderung Irenes Hauptproblem war und bot ihr an, als Laborantin bei ihm zu arbeiten. Sie holte die amerikanischen Examina nach und belegte Kurse an der Columbia und New York University. Sie blieb für den Rest ihrer Berufstätigkeit im Pupillenforschungslabor, das ihr Otto Löwenstein geöffnet hatte.

1955 wurde Otto Löwenstein, als Professor der Bonner Universität rehabilitiert. Er nahm Irene Löwenfeld als Doktorandin an, und sie promovierte über die Reflex-Dilatation der Pupille in Bonn, ohne jedoch dort zu studieren.

1956 begannen beide mit der Arbeit an einem Buch, das alles Wissen über die Pupille enthalten sollte. 1965 hatten sie 3000 Seiten fertig, als Otto Löwenstein an Krebs starb. Der Verlust ihres Lehrers und Gefährten belastete Irene Löwenfeld sehr. Sie folgte 1972 Robert Jampel nach Detroit, wo sie sich aber nicht recht wohl fühlte, da ihre Grundlagenforschung dort nicht den gleichen Stellenwert hatte. Nach ihrer Pensionierung zog sie in ein kleines Haus auf Cap Cod und vollendete das Buch. In den letzten Jahren lebte Irene Loewenfeld im betreuten Wohnen in New York, geistig rege bis zu ihrem Todestag. Zuletzt 2005 trafen wir sie beim Pupil Colloquium in Bear Mountain, das sie 1961 begründet hatte und bei dem ihr zu Ehren die Loewenfeld Lecture gehalten wird.

Es gibt kaum einen Aspekt der Pupille, zu dem sie nicht gearbeitet hatte. Sie war äußerst gewissenhaft und unglaublich fleißig. Ihre zum Teil im Internet zugängliche Kartei zeugt davon (http://library.med.utah.edu/NOVEL/Loewenfeld/).

Irene Löwenfeld war eine besondere Persönlichkeit. Liebenswert, enthusiastisch, aber zuweilen auch sehr streng. Sie bei einem Vortrag unter den Zuhörern zu wissen, hatte stets etwas von einem Abenteuer. Wehe, wenn eine entscheidende Literaturstelle nicht beachtet worden war. Sie kannte alle und zögerte nicht, dies den Vortragenden wissen zu lassen. Sie war eine großartige Wissenschaftlerin, die keineswegs nur von der Pupille etwas verstand. Davon ausgehend hatte sie sich akribisch in alle wissenschaftlichen Bereiche hineingearbeitet, die ihr Forschungsfeld berührten. Sie hat zusammen mit Otto Löwenstein den Grundstein der heutigen Pupillenforschung gelegt.

„To those who came before us and to those who will follow. May this book form a bridge between them.” Widmung in The Pupil.

Prof. Dr. med. Barbara Wilhelm
Prof. Dr. med. Helmut Wilhelm

Abb. 1 Irene Löwenfeld 1995 in Tübingen beim Kräftemessen mit unserem damals 8-jährigen Sohn.

Literatur

  • 1 Loewenfeld I E. The Pupil: Anatomy, Physiology, and Clinical Applications. 2nd edition, Butterworth-Heinemann/Elsevier; 1999 Ames, Iowa; Iowa State University Press 1993

Prof. Dr. med. Helmut Wilhelm

Augenklinik, Department für Augenheilkunde, Universität Tübingen

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