Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, seit unserem letzten Schwerpunktheft Grenzgebiete der Neurologie und Psychiatrie
im Januar 2006 wurde ich oft auf die Problematik der Facharztausbildung beider Fächer
angesprochen. Dabei zeigte sich, dass diese Problematik nach wie vor sehr emotional
geführt wird und sich wahrscheinlich auch keine sachliche Lösung finden wird. Auffällig
war, dass die Sichtweisen der niedergelassenen Kollegen und der Klinikärzte sehr unterschiedlich
sind. In diesen Gesprächen forderten Klinikärzte in der Neurologie mehrheitlich, das
Pflichtjahr Psychiatrie abzuschaffen. Psychiater in der Klinik hatten eine ambivalente
Einstellung und niedergelassene Neurologen befürworteten mehrheitlich dieses „Pflichtjahr”.
Ich bin zwar auch der Meinung, dass die augenblickliche Situation nicht allen Anforderungen
gerecht wird, aber eine wirklich bessere Lösung als die aktuell bestehende sehe ich
nicht. Meines Erachtens ist der Einblick, den wir in das andere Fach bekommen, sogar
zu gering. Wahrscheinlich gilt dies nicht für unsere Kollegen auf den Intensivstationen,
aber für alle Neurologen, die in der Praxis und in weniger spezialisierten Abteilungen
arbeiten. Wahrscheinlich müsste die Ausbildung stärker auf die Bedürfnisse ausgerichtet
sein und sollte nicht als bloße Pflicht gesehen werden. (Übrigens habe auch ich viel
von den Kollegen aus der Psychiatrie gelernt, die bei uns in der Neurologie ihr Pflichtjahr
absolvierten).
Wir empfinden diese Problematik als außerordentlich spannend und haben deshalb für
unser aktuelles Schwerpunktheft wieder Themen ausgewählt, die im Grenzgebiet beider
Fächer liegen. In diesem Jahr liegt der Fokus vor allem auf psychiatrischen Symptomen
bei neurologischen Erkrankungen. Hierbei haben wir häufige Krankheiten, aber auch
häufige Symptome ausgewählt.
In beiden Fächern gibt es darüber hinaus viele Krankheiten und Symptome, auf die beide
Fachgebiete einen Anspruch erheben, wie z.B. die Demenz. Diese Konkurrenz sollte konstruktiv
genutzt werden. Ideal wäre es, wenn in Klinik und Praxis beide Fachgebiete miteinander
verzahnt arbeiten würden, oder als pragmatische Lösung, wenn der Facharzt auch etwas
vom anderen Fach versteht. Vielleicht tragen wir mit unserem aktuellen Heft dazu ein
wenig bei.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!