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DOI: 10.1055/a-2311-0540
Kommentar zu „Opioide steigern Sturzgefahr – nicht nur bei Älteren“

Im klinischen Alltag sind Opioide nicht wegzudenken, z.B. bei der Behandlung von Tumorschmerzen oder Frakturen im hohen Alter. Die Risiken – wie Obstipation bis Ileus und Somnolenz – sind hinlänglich bekannt, dennoch gibt es neue Erkenntnisse durch diese retrospektive Kohortenstudie aus Australien.
Wenig erstaunlich ist allerdings die Tatsache, dass die Gruppe der über 85-jährigen Patienten das höchste Sturzrisiko unter neu begonnener Opioidtherapie hatte. Interessanter ist hingegen, dass über alle Altersgruppen die ersten 4 Wochen der Therapie besonders gefährlich für einen Sturz und die Folgen (Notaufnahme, Krankenhausaufnahme, Mortalität) sind.
Haben wir es mit einer geriatrischen Studie zu tun? Eher nicht, das Alter lag im Median bei 49 Jahren und hoch alte Menschen über 85 Jahre waren mit etwas über 4% wenig vertreten. Immerhin waren ¼ der untersuchten Patienten zwischen 65 und 84 Jahren alt, wiesen aber in der Mehrheit ein niedriges Frailty-Risiko auf. Eine weitere Limitation könnte zudem sein, dass eine gewisse Zahl an Stürzen nicht erfasst wurde: gerade die „folgenlosen“ Stürze im ambulanten Bereich.
Die ersten 4 Wochen der Opioidtherapie sind also der entscheidende Zeitraum, in dem eine erhöhte Wachsamkeit gelten muss. Es ist daher absolut erforderlich, im ambulanten und stationären Bereich bei allen Patienten – und mit besonderem Augenmerk auf alte Menschen – mit einer niedrigen Dosis eines Opioids zu beginnen und langsam zu steigern („start low, go slow“). Auch die FORTA-Liste für ältere Menschen empfiehlt für Opioide eine „vorsichtige Eintitrierung“ für die Substanzen Buprenorphin, Oxycodon, Hydromorphon und Fentanyl [1]. Die Klassifikation mit einem „B“ („vorteilhaft“) in der FORTA-Liste zeigt aber an, dass diese Substanzen auch im Alter eingesetzt werden dürfen. Dies bedeutet im klinischen Alltag in der Alterstraumatologie z.B. eine Anfangsdosis von Hydromorphon Retard 2mg 1–0-1 p.o. für ältere Menschen mit coxalen Femurfrakturen. Darunter muss der Patient dann gut auf Verträglichkeit und Nebenwirkungen hin beobachtet werden.
Zudem müssen alle Möglichkeiten der Sturzprävention, ambulant wie stationär, ausgeschöpft werden. Dieser letzte Punkt ist dabei die eigentliche Herkulesaufgabe – angesichts der knappen Ressourcen, z.B. in der stationären Pflege.
Neben dem erwähnten Grundsatz „start low, go slow“ ist übrigens beim geplanten Ansetzen von Opioiden für den eher kurzfristigen Einsatz (postoperativ) ein weiterer Merkspruch: Beim Ansetzen schon an das Absetzen bzw. „Ausschleichen“ denken! Dies bedeutet ein engmaschiges Beobachten, im klinischen Kontext täglich, ob die Dosis des Opioids nicht schon bzw. weiter reduziert werden kann.
Publication History
Article published online:
16 July 2024
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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 FORTA – fit for the Aged. https://www.umm.uni-heidelberg.de/experimentelle-pharmakologie/research/gruppe-wehling/